Viele Kinder und Erwachsene mit AD(H)S beschreiben sexuellen Missbrauch und/oder Traumatisierungen.(1)
Etliche Untersuchungen bestätigen eine überproportional erhöhte Häufigkeit früher Traumata bei AD(H)S-Betroffenen gegenüber Nichtbetroffenen.(2)(3)(4)(5)(6)(7)(8)(9) Gleiches gilt für Hirnverletzungstraumata(10) und otorhinologische Traumata.(11) Es wird diskutiert, ob es sich über eine kausale Verursachung handelt oder ob die Symptome von AD(H)S und Traumata überlappen.(12) Andere Quellen beschreiben frühe Traumata allgemeiner als Mitursache psychischer Probleme.(13)(14)
In Anbetracht der Dichte der Nachweise dürfte eine kausale (Mit-)Verursachung von AD(H)S durch psychische Traumata wie Verletzungstraumata wahrscheinlich sein.
Eine Untersuchung an 110 Jungen fand bei AD(H)S-Betroffenen eine hochsignifikant erhöhte Häufigkeit an traumatischen Erlebnissen.
Der Life Incidence of Traumatic Events (LITE-P) Test fragt nach:
- Kind erlebte Autounfall
- Kind bei anderem Unfall verletzt oder im Krankenhaus
- Nahestehende Person verletzt
- Familienmitglied im Krankenhaus
- Tod eines Familienmitglieds
- Freund krank oder starb
- Kind erlebte Feuer
- Kind erlebte Naturkatastrophe
- Gegenseitige Verletzung/Zerstörung von Dingen zwischen Erwachsenen
- Trennung / Scheidung Eltern
- Misshandlung des Kindes
- Kind angebunden / eingesperrt
- Missbrauch des Kindes
- Kind bedroht
- Kind ausgeraubt
Die 65 AD(H)S-betroffenen Jungen hatten im Schnitt nahezu jede Art von Trauma häufiger erlebt als die 45 Jungen der Vergleichsgruppe. Dabei waren die interpersonal events (Traumata im Beziehungskontext) gegenüber Nichtbetroffenen noch erheblich deutlicher erhöht als die non-interpersonal-events. Die Anzahl der beziehungsrelevanten IPE-Traumata korreliert dabei auch mit der Intensität der Hyperaktivität und der Gesamtsymptomatik. Altersbezogen korreliert auch die Unaufmerksamkeitssymptomatik hochsignifikant mit der Anzahl der IPE-Traumata.
Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen mehrere weitere Studien.(16) Traumata durch emotionale Vernachlässigung oder Misshandlung erhöhten die Wahrscheinlichkeit von AD(H)S signifikant.(18)
Eine andere Studie berichtet dagegen, dass viktimisierende Traumata die Wahrscheinlichkeit von ODD erhöhten, nicht aber von AD(H)S.(19)
Unter der Annahme, dass ein Drittel(20) bis die Hälfte aller Kinder und zwei Drittel aller Kinder in psychiatrischen Samples Traumata aufweisen, ist ein häufiges Überlappen von AD(H)S und frühkindlichen Traumata zu erwarten.(21) Dies alleine erklärt jedoch nicht, warum in den Untersuchungen zum Thema Trauma als (Mit-)Ursache von AD(H)S bei den AD(H)S-Betroffenen überwiegend eine höhere Anzahl früher Traumata gefunden wurde als bei Nichtbetroffenen.((Çoban, Tan (2019): Attention Deficit Hyperactivity Disorder, Impulsivity, Anxiety, and Depression Symptoms Mediating the Relationship Between Childhood Trauma and Symptoms Severity of Obsessive-Compulsive Disorder. Noro Psikiyatr Ars. 2019 Aug 16;57(1):37-43. doi: 10.29399/npa.23654. PMID: 32110149; PMCID: PMC7024829.))
Ein Entstehungspfad von AD(H)S wird auf genetische Ursachen in Verbindung mit Umwelterfahrungen zurückgeführt, wobei diese Umwelterfahrungen frühe Traumata sein können.(22)
AD(H)S-Betroffene Kinder sind auch in der Folge (als Folge von AD(H)S) überdurchschnittlich häufig Opfer von Gewalt und Mobbing.(25)
Zuletzt aktualisiert am 27.12.2020 um 13:37 Uhr