Neurologische Aspekte / Neurotransmitter bei ADHS
1. Entstehung von Histamin
1.1. Entstehungsweg von Histamin
Umwandlung der Aminosäure L-Histidin zu Histamin durch
Pyridoxalphosphat-abhängige oxidative Decarboxylierung unter Verwendung des Enzyms Histidindecarboxylase ( L-Histidin-Decarboxylase, EC 4.1.1.22) oder
unspezifische Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase
α-fluoromethyl-Histidin unterdrückt die Histaminsynthese.
Histamin wird von Mastzellen, Basophilen, Thrombozyten und einigen Neuronen gebildet, in Vesikel eingelagert und bei Stimulation freigesetzt.
1.2. Entstehungsort von Histamin im Gehirn
Nur wenige Nervenzellen im Gehirn produzieren Histamin. Synthese von Histamin und Speicherung in Vesikeln von:
Tuberomammillärer Nukleus (TMN) des Hypothalamus
Hauptort der Histaminneuronen
Mensch: 64.000 histaminerge Neuronen
Ratten: 4.600 im Gehirn insgesamt…
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2. Speicherung von Histamin
Speicherung an Heparin gebunden in Vesikeln, vornehmlich in
Mastzellen
basophilen Granulozyten
Schleimhäuten
Bronchien
Magen-Darm-Trakt
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3. Freisetzung von Histamin
Freisetzung aus Vesikeln durch
IgE-vermittelte allergische Reaktionen vom „Soforttyp“ (Typ I)
Komplementfaktoren (z. B. bei einem Endotoxin-bedingten Schock)
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4. Abbau / Wiederaufnahme von Histamin
Der Histaminabbau erfolgt
extrazellulär (imsb. Nahrungs-Histamin)
mittels Diaminoxidasen (DOA, extrazellulär; früherer Name: Histaminase) und Aldehydoxidasen (intrazellulär) zu Imidazolylessigsäure.
Nach Ribosylierung Ausscheidung durch Niere.
intrazellulär (z.B. in der Leber)
durch Histaminmethylierung (Ringmethylierung durch Histamin-N-Methyltransferase)
Nur geringer Anteil am Histaminabbau
Bei HNMT-Mangel kann der Abbau durch DAO ansteigen.
4.1. Abbau
4.1.1. Abbau im Gehirn (ZNS) primär durch HNMT
Histamin wird im Gehirn mittels des Enzyms Histamin-N-Methyltransferase (intrazellulär) zu inaktivem Nτ-Methylhistamin inaktiviert.
HNMT (EC 2.1.1.8) katalysiert die Übertragung einer Methylgruppe von S-Adenosyl-l-methionin (SAM) auf Histamin…
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5. Histamin-Rezeptoren
Histamin kann weiter beeinflussen
Lern- und Gedächtnisprozesse
Thermoregulation
Sättigung (durch Histamin im Gehirn)
Energieverbrauch wird erhöht durch Histamin im Hypothalamus
Glukoseaufnahme und Insulinfunktion im Körper
Fütterungsverhalten wird verringert durch Histamin im Hypothalamus während Histamin allgemein das Arousal für das Füttern erhöht
Verbesserung des motorischen Gleichgewichts und der motorischen Koordination über H2-Rezeptoren im Cerebellum
erhöht motorische Aktivität/Explorationsverhalten via H2-Rezeptoren, nicht via H1-Rezeptoren
erhöht Ängstlichkeit vornehmlich über H2- und begleitend über H1-Rezeptoren
5.1. H1-Histamin-Rezeptor
in etwa so häufig wie H2R
dennoch funktional bedeutsam als H2R
postsynaptisch
niedrige Histamin-Affinität
wird in verschiedenen Zellen exprimiert…
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6. Wirkung von Histamin
Histamin ist ein potenter Mediator vieler biologischer Reaktionen
IgE-abhängige Freisetzung (allergische Reaktion)
Mastzelldegranulation bei Allergien durch Kreuzvernetzung von IgE-Antikörpern auf der Zelloberfläche nach Bindung des Allergens
IgE-unabhängige Freisetzung (Allergieunabhängig)
wird durch die zyklischen Nukleotide cAMP und cGMP als „second messenger“ reguliert
Histamin oder b-adrenerge Stimuli erhöhen die cAMP-Konzentration
cAMP hemmt die Degranulation von Mastzellen
Histaminfeisetzung wird erhöht durch
a-adrenerge und cholinerge Einflüsse
senkt cAMP
fördert Histaminfreisetzung
bestimmte Entzündungs-Zytokine
Bindung der Komplementfaktoren C5a, C3a an Rezeptoren auf Mastzellen
„nichtallergischen“ Histaminliberatoren können sein
Medikamente
Nahrungsmittel
chemische Reize
physikalische Reize
Hypoxie
Neuropeptide
Enzyme
Phospholipase
Histamin beeinflusst…
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7. Störungen des Histamin-Systems
…z.B.
Narkolepsie
Bei Narkolepsie fand sich ein deutlich verringerter Gehirn-Histamin-Spiegel
Halluzinationen
Schizophrenie-ähnliche Zustände
Ein Einfluss von Histamin auf Schizophrenie selbst konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
Schlafprobleme
Histaminneurone
stoppen die Feuerung beim Übergang vom Wachzustand zum Schlaf
schweigen während Slow-Wave-Schlafs und REM-Schlafs
beginnen mit Feuerung wieder nach dem Übergang in Wachzustand
niedrigste Feuerung im wachen Ruhezustand
moderate Feuerung bei aktivem Wachsein
maximale Feuerung bei hoher Vigilanz
HDC-Knockout-Mäuse (gestörte Histamin-Synthese) zeigen
Schlaffragmentierung
erhöhten REM-Schlaf während der hellen Periode
signifikante Wachsamkeitsdefiziten beim Einsetzen der Dunkelheit
H1-Rezeptor-Antagonisten können bei Schlaflosigkeit helfen…
Neurologische Aspekte / Neurotransmitter bei ADHS
8. Histamin und ADHS
Es bestehen kaum positive Kenntnisse über eine Korrelation zwischen Histaminintoleranz und ADHS. NCBI / Pubmed fand unter “histamine intolerance adhd” keinen einzigen Artikel.
Eine große Kohortenstudie fand, dass eine Einnahme von Antihistaminika (insbesondere Antihistaminika der ersten Generation) in den ersten Lebensjahren das Risiko einer späteren ADHS signifikant erhöhte. Als mögliche Ursache wurde eine Störung des REM-Schlafs genannt, die sekundär die Hirnreifung beeinträchtige.
Nach einer anderen Studie erhöhte eine ehemalige Einnahme von Antihistaminika bei Neurodermitis-Betroffenen die ADHS-Symptomatik.
Lebensmittelzusatzstoffe (hier: Sonnengelb, Carmoisin, Tartrazin, Ponceau 4R; Chinolingelb, Allurarot, Natriumbenzoat) können eine Histaminfreisetzung aus zirkulierenden Basophilen verursachen. Diese ist nicht allergisch, d…
Neurologische Aspekte / Neurotransmitter bei ADHS
Histamin ist ein biogenes Amin und fungiert als Neurotransmitter und Hormon. Es könnte eine relevante Bedeutung bei ADHS haben.
Histamin reguliert die Dopaminausschüttung. Fast alle ADHS-Medikamente erhöhen Histamin. Bei ADHS scheint Histamin verringert zu sein.
H3-Antagonisten, die im Ergebnis Histamin erhöhen, wirken vorteilhaft auf verschiedene ADHS-Symptome sowie auf soziale Symptome bei ASS. ADHS und ASS treten sehr häufig komorbid auf. Zudem könnte Histamin bei den bei ADHS häufigen Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus eine Rolle spielen.
Histamin ist in höheren Dosen giftig. Verdorbener Fisch löst binnen 20 Minuten eine Histaminvergiftung aus.
Histamin ist ein starker Entzündungsmediator mit…
Behandlung und Therapie / Medikamente bei ADHS - Übersicht / Medikamente zu ADHS in Entwicklung
Der H3-Rezeptor ist hauptsächlich im zentralen Nervensystem lokalisiert. Der H3-Rezeptor wirkt als:
präsynaptischer Autorezeptor
moduliert die Histamin-Freisetzung
präsynaptischer Heterorezeptor
reguliert die Freisetzung anderer Neurotransmitter wie Monoamine und Aminosäuren
Histamin H3-Rezeptor-Antagonisten / inverse Agonisten verstärken die Aktivität der histaminergen Neuronen im Gehirn und fördern dadurch Erregung und Kognition. H3-Antagonisten / inverse Agonisten haben ein großes Potenzial für die Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen des ZNS, einschließlich
ADHS
Alzheimer
leichte kognitive Beeinträchtigung
Schizophrenie
Histamin-H3-Rezeptor-Antagonisten zeigten positive kognitive Wirkungen als Folge einer Dopaminfreisetzung in PFC und ACC.
Der H3-Histaminrezeptor soll bei Arousal, Kontrolle der Hypophysenhormonausschüttung…
Behandlung und Therapie / Medikamente bei ADHS - Übersicht / Geeignete Medikamente bei ADHS
7. Nikotin erhöht Histamin
Nikotin erhöht Histamin, wie alle bekannten ADHS-Medikamente auch:
Amphetaminmedikamente
Methylphenidat
Modafinil
Koffein
Daher haben Menschen mit Histaminintoleranz häufig Probleme durch Einnahme von ADHS-Medikamenten.
Eine ADHS-Betroffene mit Histaminintoleranz berichtete, dass sie AMP und retardiertes MPH gar nicht vertrug, unretardiertes MPH in geringen Dosen jedoch tolerieren konnte.
Stress / Die Stresssysteme des Menschen - Grundlagen von Stress
5. Histamin und Stress
Das hintere hypothalamische histaminerge System begleitet die vom Locus coeruleus abgeleitete zentrale Stressreaktion durch die Ausschüttung von Histamin.
Neurologische Aspekte / Neurophysiologische Korrelate von ADHS-Symptomen
1. Neurotransmitter und Schlaf-/Wachregulation
Serotonin
Noradrenalin
Histamin
Acetylcholin
GABA
Glutamat
Dopamin
selektive Dopaminwiederaufnahmehemmer können bei normalen und schlafgestörten narkoleptischen Tieren die Wachheit besser fördern als selektive Noradrenalinwiederaufnahmehemmer
Schwere Schlafstörungen treten häufig bei Betroffenen von Parkinson oder Chorea Huntington auf, welche eine dopaminerge Dysfunktion aufweisen
Dopamin-Stoffwechsel- und Dopamin-Rezeptor-Anomalien sind auch bei exzessiver Tagesschläfrigkeit (z.B. Narkolepsie) involviert
Schlafstörungen sind assoziiert mit ADHS
DAT-Genvarianten scheinen beim Menschen für eine Anfälligkeit für Schlaf-Wach-Störungen zu prädisponieren
Dopamin und Melatonin sind an der Regulierung von Müdigkeit und Schlaf beteiligt.
Das dopaminerge System wird vom circadianen System beeinflusst.
Dopamin wird rhythmisch in den Amakrinzellen…
Behandlung und Therapie
8. Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer)
Monoamine sind
Katecholamine
Dopamin
Noradrenalin
Adrenalin
Serotonin
Melatonin
Histamin
Thyronamin
Spurenamine
β-Phenylethylamine
Tyramin
Tryptamin
Monoaminoxidase (MAO) bewirkt den Abbau von Monoaminen durch Desaminierung.
Monoaminoxidase-Hemmer verringern den Abbau der Monoamine und erhöhen damit ihre Verfügbarkeit.
MAO-A baut in Gehirn und Darm Noradrenalin und Serotonin ab. MAO-B baut in Gehirn und Leber Dopamin ab. MAO-A bewirkt peripher vornehmlich im Darm den Abbau von Tyrosin aus der Nahrung, während MAO-B den Tyrosinabbau in der Leber bewerkstelligt. Gemeinsam bewirken sie, dass Tyrosin aus der Nahrung nicht im Körper zu Monoaminen umgebaut wird.
Tyrosin ist Ausgangssubstanz für die Biosynthese…
Zu den einzelnen Neurotransmittern siehe die folgenden Unterkapitel:
Dopamin
Noradrenalin
Serotonin
GABA
Glycin
Glutamat
Acetylcholin
Histamin
Eine vertiefende und immer noch übersichtliche Darstellung der Neurotransmittersysteme findet sich bei Hinghofer-Szalkay unter physiologie.cc