Die Weltgesundheitsorganisation, WHO, weist in dem von ihr entwickelten AD(H)S-Screeningtest darauf hin: “Die Symptome dieser Krankheit werden oft als Stress verkannt.”(1) Nigg formuliert: “…adversity can cause a child to look just like he has ADHD.”(2) und sagt damit nichts anderes als dass Stress sehr verwechselbare Symptome zu AD(H)S generieren kann. Einzelne Studien thematisieren ebenfalls den Zusammenhag zwischen Stress und AD(H)S-Symptomen.(3)
Wir sind der Auffassung, dass nahezu alle AD(H)S-Symptome “ganz normale” Stresssymptome sind. Das bedeutet nicht, dass AD(H)S und Stress das selbe wären. Chronischer unkontrollierbarer Stress, also schwere (und häufig psychische) Belastung, die als bedrohlich oder angsteinflößend wahrgenommen wird, kann – völlig unabhängig von AD(H)S – nahezu identische Symptome auslösen, wie sie auch von AD(H)S hervorgerufen werden können. Kognitive Beeinträchtigungen können durch psychischen wie durch physischen Stress hervorgerufen werden.(4)
Umgekehrt sind allerdings nicht alle Stresssymptome zugleich AD(H)S-Symptome – wenn auch der Grad der Übereinstimmung recht beeindruckend ist. Wir stellen in diesem Beitrag nur AD(H)S-Symptome vor, die zugleich Stresssymptome sind.
Dass AD(H)S-Symptome auch durch andere Ursachen als AD(H)S hervorgerufen werden können, wird bereits heute bei der AD(H)S-Anamnese durch eine Differentialdiagnostik abgeglichen. ⇒ Differentialdiagnostik bei AD(H)S
Die Erscheinungsform der entsprechenden AD(H)S-Symptome haben wir kursiv hinzugefügt.
Die Quellenangaben beziehen sich jeweils auf das Symptom als Stresssymptom.
Unter ⇒ Symptome von AD(H)S haben wir bei jedem AD(H)S-Symptom auch die Quellenangaben aus der Stress-Fachliteratur integriert, die belegen, dass das jeweilige Symptom zugleich als Stresssymptom bekannt ist.
Die zunächst etwas überraschende Tatsache, dass alle AD(H)S-Symptome zugleich Stresssymptome sind, erschließt sich, wenn man den Nutzen von Stresssymptomen versteht. Unter ⇒ Stressnutzen – der überlebensfördernde Zweck von Stresssymptomen erläutern wir den Begriff Stressnutzen und beschreiben den Stressnutzen des jeweiligen Stress-/AD(H)S-Symptoms.
Dass AD(H)S damit seine Symptome vermittelt, indem es eine Störung der Stressreaktionssysteme bewirkt, bei der diese chronisch überreagieren, so dass Betroffene auch ohne externen Stressor am Symptomen von erheblichem Stress leiden, erläutern wir in unserem Beitrag ⇒ AD(H)S als chronifizierte Stressregulationsstörung. Um Missverständnisse zu vermeiden: das bedeutet nicht, dass AD(H)S eine Folge von noch andauerndem chronischem Stress wäre und mit einer Beseitigung des Stressors enden würde. Eben dies ist der wesentliche Unterschied zwischen AD(H)S und chronischem Stress: Stress geht mit dem Stressor, AD(H)S bleibt.
Inhalt dieser Seite
1. Kognitive Symptome
1.1. Aufmerksamkeitsprobleme
Aufmerksamkeitsprobleme als Stresssymptome.(5)(6)(7)(8)
- Fast jede psychische Störung bewirkt Aufmerksamkeitsprobleme,(9) z.B.:
- Psychose
- Tourette
- Manie
- Panikstörungen
- Zwangsstörungen
Für AD(H)S spezifisch ist die (Aufmerksamkeits-)Beeinträchtigung, ein vorgedachtes zukünftiges gerichtetes Handeln durchzuführen. AD(H)S-Betroffene werden zwar von unwichtigen Reizen aus der Umwelt abgelenkt, die selektive Aufmerksamkeit sei dagegen kaum beeinträchtigt.(10)
Unserer Auffassung nach sind Taskwechselprobleme jedoch bei AD(H)S häufig und eine Folge der Beeinträchtigung der Steuerbarkeit der Aufmerksamkeitsausrichtung.
Die bei akutem Stress erhöhten Noradrenalin- und Dopaminwerte beeinträchtigen ab einem bestimmten Maß die Funktionalität des PFC.(4) Während leicht erhöhte Noradrenalinwerte die Denkfähigkeit erhöhen, wird diese durch sehr hohe Noradrenalinwerte vermindert und die Verhaltenssteuerung wird vom PFC auf den posterioren Cortex übertragen.(11)
1.2. Konzentrationsprobleme
Konzentrationsprobleme als Stresssymptome.(8)(5)(12)(6)(13)(14)
Zur Änderung der Funktionen des PFC durch den bei Stress sehr erhöhten Noradrenalinspiegel siehe unter 1.1. Aufmerksamkeitsprobleme.
Bei AD(H)S identisch.
1.3. Vergesslichkeit
Vergesslichkeit(5) bzw. Gedächtnisprobleme als Stresssymptom:(15)(5)(13)(14)
- implizites Gedächtnis beeinträchtigt(16)
- deklaratives Gedächtnis beeinträchtigt(16)
- Arbeitsgedächtnis beeinträchtigt(16)
- Zur Änderung der Funktionen des PFC durch den bei Stress sehr erhöhten Noradrenalinspiegel siehe unter 1.1. Aufmerksamkeitsprobleme
Alle genannten Symptome treten auch bei AD(H)S auf, jedoch nicht bei allen Betroffenen.(17)
1.4. Denkblockaden
Denkblockaden sind ein Stresssymptom.(5)(13)
Zur Änderung der Funktionen des PFC durch den bei Stress sehr erhöhten Noradrenalinspiegel siehe unter 1.1. Aufmerksamkeitsprobleme. Die Abschaltung des PFC durch sehr hohe Noradrenalin- und Dopaminspiegel bei starkem Stress blockiert
- das analytische Denkvermögen
- Entscheidungsprozesse
Denkblockaden sind ein typisches AD(H)S-Symptom.
1.5. Grübeln; Gedanken konzentrieren sich auf den Stressor
Grübeln ist ein Stresssymptom.(8)
- bei AD(H)S: Gedankenkreisen
- bei AD(H)S: Zwang als häufige Komorbidität
1.6. Verschlechterte Eigenwahrnehmung bis zur Erholungsunfähigkeit
- Geringe emotionale Selbststeuerung, Spontaneität der Gefühle oder Vermeiden von Gefühlen (coolness, emotionale Dysregulation) ist ein Stresssymptom.(18)
- bei AD(H)S: nicht genießen können
- bei AD(H)S und Prokrastination: Aversion gegen Achtsamkeit / verringerte Achtsamkeit
- siehe auch: Alexithymie unter Gefühle
1.7. Verzögerungsaversion / Delay Aversion
Verzögerungsaversion ist ein Stresssymptom. Sie wird als Impulsivitätsreaktion verstanden. Sie korreliert mit Impulsivität bei Stress, bei Frauen zugleich mit steigender Herzrate.(19)(20)
Stressverringernde Maßnahmen verringern zugleich die Verzögerungsaversion.(21)
Ausdrucksformen:
- Ungeduld
- Nicht warten können
Tritt bei AD(H)S identisch auf.
Obwohl nicht in den Symptomlisten von ICD 10 / DSM IV enthalten, ist Verzögerungsaversion eines der Kernsymptome von AD(H)S.
1.8. Delay Discounting / Abwertung späterer Belohnung
Delay Discounting ist ein Stresssymptom. Dies wird auch Discounting of Delayed Rewards, Temporal Discounting oder Reward Prediction Error (RPE) bezeichnet.(21)(22)(18)
Belohnungen, die sofort erfolgen, werden im gleichen Maße bevorzugt wie von Menschen ohne Stress.
Belohnungen, die zeitlich entfernt sind, werden als unattraktiver betrachtet als von Menschen ohne Stress.
Delay Discounting hat verschiedene Ausdrucksformen:
1.8.1. Prokrastination
1.8.2. Suchttendenzen
1.8.3. Unordnung
1.8.4. Selbstregulationsfähigkeit beeinträchtigt
Selbstregulationsfähigkeit ist ein noch größerer Prädikator (Vorhersageindikator) für beruflichen Erfolg als Intelligenz.
1.9. Entscheidungsprobleme
Entscheidungsprobleme sind bekannte Stresssymptome.(21)(23)(24)
bei AD(H)S identisch
- ADHS: impulsive, nicht durchdachte, spontane Entscheidungen
- ADS: Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen
2. Verhalten
2.1. Erhöhte lokomotorische Aktivität (Bewegungsdrang, Bewegungsunruhe)
Hyperaktivität ist ein Stresssymptom.(25)(26)(27)
Eine erhöhte lokomotorische Aktivität ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.(28)(29)
Bei ADHS heisst dieses Symptom Hyperaktivität (tritt vornehmlich bei Kindern auf).
2.2. Unruhe
(Innere) Unruhe(5) und Rastlosigkeit(5)(6)(27)(14) sind Stresssymptome.
Innere Unruhe ist ein typisches Symptom für den nahenden Endzustand eines Burnouts.(30)
Bei ADHS: inneres Getriebensein, immer etwas tun müssen (vornehmlich Erwachsene)
2.3. Aggressionen
Aggression ist ein Stresssymptom.(31)(6)
Bei ADHS (mit Hyperaktivität) tritt Aggression häufig als Komorbidität auf.
2.4. Antriebslosigkeit
Antriebslosigkeit ist ein Stresssymptom(8)(5)(6)
Antriebslosigkeit ist ein typisches Symptom für den nahenden Endzustand eines Burnouts.(30)
Bei AD(H)S: Dysphorie bei Inaktivität
2.5. Sozialer Rückzug
Sozialer Rückzug ist als typisches Symptom von schwerem Stress bekannt.(6)(8)
Eine Einschränkung der sozialen Kontakte bei Stress wird darauf zurückgeführt, dass(32)(18)
- keine positive oder sogar negative Resonanz erwartet wird (Vermeidung oder Aggression, siehe den Beitrag zu Rejection Sensitivity)
- das Sicherheits- und Kontrollbedürfnis zu groß ist (zu große Nähe, Ambivalenz, Nähe-Distanz-Pendel)
Ein erhöhtes Rückzugsverhalten ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.(28)(29)
Eine zunehmende Einschränkung sozialer Kontakte ist ein typisches Symptom für einen Burnout.(30)
Bei AD(H)S ist sozialer Rückzug häufig und geht bis zur sozialen Phobie.
2.6. Leistungsfähigkeit beeinträchtigt
Bei schwerem Stress ist die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.(6)(13)(14)
Behinderung von Anstrengung, wegen mangelnder Zufriedenheit durch Erfolg oder fehlender Erwartung von Erfolg (Antriebslosigkeit, Wegschalten, Verweigerung) sind Stresssymptome.(18)
Leichte Erschöpfbarkeit, Kraftlosigkeit und Tagesmüdigkeit sind typische Symptome für den nahenden Endzustand eines Burnouts.(30)
Tritt bei AD(H)S identisch auf.
2.7. Medikamenten- / Nikotin- / Alkoholmissbrauch (Sucht)
Medikamenten- / Nikotin- / Alkoholmissbrauch (Sucht) ist ein Stresssymptom(6)(8)
Rauchen korreliert mit Stress.(22)
Bei AD(H)S:
- deutlich erhöhte Quote an Rauchern
- häufige Komorbidität Sucht
2.8. Risikantere Entscheidungen
Risikantere Entscheidungen sind ein Stresssymptom.(33)
Tritt bei ADHS (mit Hyperaktivität) identisch auf:
- Risikoaffinität
- spontane, unüberlegte Entscheidungen
2.9. Impulsivität
Impulsivität ist ein Stresssymptom.(21)
Tritt bei ADHS (mit Hyperaktivität) identisch auf.
2.10. Sexuelle Probleme / Libidoverlust (kein AD(H)S-Symptom)
Sexuelle Probleme / Libidoverlust sind ein Stresssymptom(5)(6)(8)
Eine Unterdrückung der Libido ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.(28)(29)
Sexuelle Probleme oder Lustlosigkeit sind keine typischen AD(H)S-Symptome, kommen bei AD(H)S jedoch vor.
Bei AD(H)S wird eine gestörte Sexualität eher als häufige Komorbidität genannt.(34) Sexualität wird weiter als Suchtgegenstand und Mittel zum Spannungsabbau bei AD(H)S erwähnt.(35) Eine Studie fand bei AD(H)S-Betroffenen weniger sexuelle Befriedigung, mehr sexuelles Verlangen, mehr sexuelle Dysfunktion und riskanteres sexuelles Verhalten.(36)
Die Anzahl der Sexualpartner bei AD(H)S ist typischerweise erhöht, der erste Sex findet im Durchschnitt früher statt als bei Nichtbetroffenen. Ein Rückgang der Libido wird zuweilen in Verbindung mit Medikamentierung bei AD(H)S(37) oder Depressionen genannt.
3. Emotionale Symptome
3.1. Stimmungsschwankungen (häufig traurig / depressiv)
Stimmungsschwankungen sind ein Stresssymptom.(14)
Häufige Traurigkeit ist als Stresssymptom bekannt.(8)
Häufiges deprimiert sein / Depressionen sind ebenso Stresssymptome.(15)(5)(6)(5)(14)
Verzweiflung ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.(38)(29) Lärm oder Filme lösen dagegen selten cortisolergen Stress aus.
Bei AD(H)S: Dysphorie bei Inaktivität als Hauptsymptom; daneben tritt echte Depression häufig als Komorbidität auf.
3.2. Selbstwertprobleme
Selbstwertprobleme sind typische Symptome bei schwerem Stress.(32)(18)
- niedriger Selbstwert
- Selbsthass
- suizidale Tendenz
- Schuld und Scham
Dies gilt ebenso für Lustlosigkeit,(5)(6) die man als Äquivalent der Dysphorie bei Inaktivität und dem Gefühl, deprimiert zu sein betrachten könnte.(39)(6)
Insbesondere eine als unkontrollierbar wahrgenommene Bedrohung des Selbstwertes führt zu Cortisolausschüttung.(40)(41)
Minderwertigkeits- und Versagensgefühle sind typische Symptome für den Endzustand eines Burnouts.(30)
Bei AD(H)S: emotionale Dysregulation ist ein typisches Symptom.
3.3. Reizbarkeit
Eine häufige Gereiztheit ist ein Stresssymptom.(5)(6) Gereiztheit ist ein typisches Symptome für den nahenden Endzustand eines Burnouts.(30)
Bei AD(H)S und extravertierter Persönlichkeit (ADHS): häufig
3.4. Ärger / Wut
Ärger / Wut sind bekannte Stresssymptome.(6)
Bei AD(H)S und extravertierter Stressphänotypik (ADHS): häufig
3.5. Lustlosigkeit/Motivationsprobleme
Lustlosigkeit/Motivationsprobleme sind häufige Stresssymptome.(5)(6)(14) Lustlosigkeit wird hier als emotionale Seite der Antriebslosigkeit dargestellt.
Zu Antriebslosigkeit siehe oben unter 2.4.
Motivations- und Antriebsprobleme sind bei AD(H)S häufig.
3.6. Gefühl der Überforderung
Überforderungsgefühl ist ein Stresssymptom.(5)(6)
Bei AD(H)S tritt dies ebenfalls häufig auf.
3.7. Angst/Ängstlichkeit
Eine erhöhte Ängstlichkeit ist ein Stresssymptom.(6)(27)(14)
Verstärkte Ängstlichkeit, erhöhte Furchtkonditionierbarkeit sowie erhöhte Vorsicht in unbekannten Umgebungen, im Offenfeld, im elevated plus maze und bei Konflikten sind eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.(42)(29)
Bei AD(H)S ist Ängstlichkeit häufig erhöht, besonders bei ADS. Angststörungen sind eine häufige Komorbidität von AD(H)S und können sich aus einem unbehandelten AD(H)S entwickeln.
3.8. Erhöhte Sensibilität
Eine erhöhte Sensibilität ist ein Stresssymptom.(43)(14)
AD(H)S beinhaltet stets eine (zumindest partielle) Hochsensibilität.
3.8.1. Schreckhaftigkeit
Verstärkte Schreckreaktionen sind eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.(28)(29)
3.8.2. Erhöhte Wachheit / Aufmerksamkeit
Erhöhte Wachheit und Aufmerksamkeit ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.(28)(29)
3.8.3. Erhöhte akustische Wahrnehmung
Eine erhöhte akustische Wahrnehmung ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.(28)(29)
3.8.4. Reizüberflutung
Reizüberflutung ist ein Stresssymptom.(43)
Erhöhte Sensibilität kann auch als Hochsensibilität bezeichnet werden.
Bei AD(H)S: zu weit offener Reizfilter.
3.9. Alexithymie (verringerte Gefühlswahrnehmung)
- Verringerte Wahrnehmung der eigenen Gefühle(44)
- Geringe emotionale Selbststeuerung, Spontaneität der Gefühle oder Vermeiden von Gefühlen (coolness, emotionale Dysregulation)(18)
- Gefühlsverflachung (bei bestehen bleibender Kränkbarkeit) ist ein typisches Symptom für den Endzustand eines Burnouts.(30)
Im Gegensatz zu vielen anderen hier genannten Symptomen scheint Alexithymie kein unmittelbar neurophysiologisch vermitteltes Symptom darzustellen, sondern eher eine häufige Folge eines unsicher-vermeidenden Bindungsstils zu sein bzw. mit diesem einherzugehen.
Gefühlsarmut / innere Leere / Alexithymie ist bei AD(H)S ein mögliches Symptom.
3.10. Frustrationsintoleranz
Frustrationsintoleranz ist ein typisches Symptom für den Endzustand eines Burnouts.(30)
Frustrationsintoleranz ist ein typisches AD(H)S-Symptom.
3.11. Leichtere Kränkbarkeit
Eine erhöhte Kränkbarkeit ist ein typisches Symptom für den Endzustand eines Burnouts.(30)
Eine verstärkte Kränkbarkeit ist ein sehr häufiges AD(H)S-Symptom. Wir bezeichnen es dort als Rejection Sensitivity.
4. Körperliche Symptome
Somatische Beschwerden könnten die einzige Stressart sein, die bei AD(H)S-Betroffenen signifikant geringer auftritt als bei Nichtbetroffenen.(45) Dieser Umstand wäre höchst erstaunlich und ohne genauere Erforschung und Erklärung nicht einleuchtend. Auf Schlafstörungen trifft dies bekanntlich nicht zu. Unsere eigenen Untersuchungen deuten jedoch – zu unserem eigenen Erstaunen – ebenfalls darauf hin, dass bei erwachsenen AD(H)S-Betroffenen die somatischen Stresssymptome deutlich unterrepräsentiert sind. Ausnahmen bestehen nur bei Schlafstörungen (sehr deutlich) und Erschöpfungszuständen und Muskelspannung (noch deutlich). Alle anderen somatischen Stresssymptome sind dagegen (noch deutlich) geringer als bei Nichtbetroffenen.
4.1. Schlafstörungen
Schlafstörungen sind ein Stresssymptom.(46)(29)(6)(8)(27)(14)
Erhöhte Wachheit und verringerter Tiefschlaf ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.(28)(29)
Als Stresssymptom werden auch häufige Alpträume genannt.(8)(27)
Schlafstörungen treten bei AD(H)S sehr häufig auf.
4.2. Muskelzuckungen
Muskelzucken ist ein Stresssymptom.(8)(5)
Bei AD(H)S: häufig ähnliche Muskelzuckungen wie ein leichte Form von restless legs beim einschlafen
4.3. Erhöhte Muskelspannung
Eine erhöhte Muskelspannung ist ein Stresssymptom.(6)(47)(27)
Erhöhter Muskeltonus kann z.B. zu Rückenschmerzen bis hin zu Wirbelblockaden führen.
Im Kampf schätzt ein erhöhter Muskeltonus vor Verletzungen.
4.4. Erhöhte Schmerzempfindlichkeit
Eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit ist ein Stresssymptom.(14)
4.5. Erschöpfungszustände
Erschöpfungszustände sind ein Stresssymptom.(6)
4.6. Herz-Kreislauf Beschwerden
Herz-Kreislauf-Beschwerden sind ein Stresssymptom.(5)(6)(27)
ADHS (weniger ADS) korreliert häufig mit erhöhtem Blutdruck und einer Anfälligkeit für Herzbeschwerden.
4.7. Appetitlosigkeit / Heisshunger
Essstörungen sind ein Stresssymptom.(6)(8)(28)(29)(14)
Appetitlosigkeit ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.(28)(29)
Adipositas (Fettsucht) tritt bei AD(H)S mindestens doppelt so häufig auf wie bei Nichtbetroffenen.
Essstörungen sind bei AD(H)S-Betroffenen bis zu 8 mal so häufig wie bei Nichtbetroffenen.
Mehr hierzu im Beitrag ⇒ AD(H)S, Übergewicht und Essstörungen.
4.8. Kopfschmerzen
Kopfschmerzen sind ein bekanntes Stresssymptom.(5)(6)(8)(27)
4.9. Bauchschmerzen
Bauchschmerzen sin ein häufiges Stresssymptom,(6)(8) vor allem bei Kindern.
Übelkeit ist ebenfalls als Stresssymptom bekannt.(27)
4.10. Häufige Erkältungen
Häufige Erkältungen sind ein Stresssymptom.(5)
Eine erhöhte Infektanfälligkeit ist ein typisches Symptome für den nahenden Endzustand eines Burnouts.(30)
Stresshormone (Adrenalin, CRH, ACTH) sind in der Lage, für eine bestimmte Zeit das Immunsystem künstlich anzukurbeln. Für die Gattung des Homo sapiens war es schlicht überlebensförderlich, wenn in Situationen der Not, in denen das Überleben mit hohem Aufwand erkämpft werden musste, nicht gerade einfache (vermeidbare) Krankheiten auftraten. Die Stresshormone Adrenalin und CRH bewirken deshalb eine (zeitlich begrenzte) entzündungsfördernde Erhöhung der Aktivität des Immunsystems.
Diese Erhöhung ist jedoch zum einen Kräfte raubend und führt zum zweiten in der ersten Stresspause dazu, dass der Körper sich nun die erforderliche Regeneration nimmt und die aktive Krankheitsbekämpfung angeht – z.B. durch Fieber und andere Mechanismen, mit denen der Körper sich gegen Krankheitserreger schützt.
Dies ist der Grund, warum viele Menschen im Laufe der ersten Urlaubswoche krank werden – wenn der Stress nachlässt.
Cortisol hat neben seinen Stresssymptom-vermittelnden Wirkungen zugleich die Aufgabe, die Stressreaktion zu beenden (indem es die am Anfang der Stresskette ausgeschütteten Hormone hemmt und damit seine eigene Ausschüttung zeitlich begrenzt). Cortisol verringert zugleich die entzündungsfördernde Wirkung von Adrenalin und CRH und fördert stattdessen andere Immunreaktionen, die sich vornehmlich gegen Bakterien und Parasiten richten. Je nach dem, in welcher Richtung die Stresssysteme aus dem Gleichgewicht geraten sind, können überschießende Entzündungen (z.B. der Darmschleimhaut bei morbus crohn oder der Haut bei Neurodermitis) oder überschießende Immunreaktionen gegen externe Erreger (z.B. Allergien) auftreten.
4.11. Zunehmende Atemfrequenz
Hecheln ist ein Stresssymptom.(48)(6)(49)
Eine erhöhte Atemfrequenz ist nicht als AD(H)S-Symptom bekannt.
Zuletzt aktualisiert am 03.01.2021 um 00:31 Uhr