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2Eine sorgfältige Diagnose von ADHS bedarf stets einer Differentialdiagnostik auf andere Störungen, die gleiche oder ähnliche Symptome auslösen können.
Differentialdiagnose bedeutet, sicherzustellen, dass die Symptome nicht (auch) durch andere Ursachen oder Störungen verursacht werden und folglich eine andere Behandlung erfordern.
Bei der Differentialdiagnostik ist zugleich zu beachten, welche Störungen typische Komorbiditäten von ADHS sind. Beispielsweise können Depressionen (bestimmte) Symptome von ADHS ebenfalls verursachen. Depressionen treten häufig komorbid zu ADHS auf.
Ist eine Störung eine typische Komorbidität von ADHS, und ist die Belastung durch die komorbide Störung nicht extrem beeinträchtigend, wird ein erfahrener Therapeut den Behandlungsfokus zunächst auf das ADHS selbst legen, da durch eine erfolgreiche Behandlung des ADHS die komorbid auftretenden Störungen häufig ebenfalls zurückgehen oder ganz remittieren (verschwinden) können. Zudem ist jede dritte behandlungsresistente Depression in Wirklichkeit die bloße Folge einer unerkannten ADHS (Überlastungsdepression).
Depressionen beispielsweise können mit verschiedenen Medikamenten behandelt werden. Manche Antidepressiva sind zugleich (in geringerer Dosierung) bei ADHS wirksam. Ebenso werden Stimulanzien wie Methylphenidat oder Amphetaminmedikamente auch gegen Depressionen eingesetzt. Andere (SSRI) können insbesondere eine ADHS-I-Symptomatik verstärken. Vor einer massiven Behandlung von ADHS-komorbiden Depressionen mit herkömmlichen Antidepressiva sollte daher die Wirkung von bei ADHS wirksamen Antidepressiva in einer ADHS-typischen Dosierung in Betracht gezogen werden.
Bei einer Depressionsdiagnostik ist wiederum die typische ADHS-Symptomatik der Dysphorie bei Inaktivität zu beachten, die keine Depression darstellt, sondern ein originäres ADHS-Symptom ist. ⇒ Depression und Dysphorie bei ADHS
1.2. ADHS (ASS, OCD) – homogene Störungsbilder oder rein dimensionale Gruppierung?¶
Eine Untersuchung versuchte, 238 Betroffenen, die unterschiedliche Symptome von ADHS, ASS und OCD zeigten oder gesunde Kontrollen waren, anhand der Cortexdicke in 76 Cortexregionen homogenen Störungsbildgruppen zuzuordnen. Dies erfolgte mittels eines maschinellen Lernens (schwache KI). Es konnten keine homogenen Gruppen gebildet werden.1
Dies deutet darauf hin, dass die individuellen Unterschiede zwischen den Betroffenen eines Störungsbilds grösser sind als die Gemeinsamkeiten.
1.3. Komorbidität: der Unterschied zur Differentialdiagnose¶
Während Differentialdiagnostik bedeutet, zu überprüfen, ob die Symptome, die (hier:) auf ADHS hindeuten, nicht in Wirklichkeit von einem anderen Problem herrühren könnten, dass also kein ADHS besteht, bedeutet Komorbidität, dass jemand, der an einer Störung (hier: ADHS) leidet, zugleich (zusätzlich) von einer weiteren Störung betroffen ist.
Komorbidität zu ADHS heißt also, dass (hier:) ADHS eindeutig festgestellt ist und zusätzlich zu ADHS weitere Probleme bestehen.
Viele Störungen haben sehr typische Komorbiditäten – so auch ADHS, sodass es im Rahmen einer sauberen Anamnese stets erforderlich ist, diese einmal abzuprüfen. ⇒ ADHS – Komorbidität
Die meisten für ADHS typischen Komorbiditäten können mit ADHS gemeinsame Genvarianten oder die gemeinsame Ursache einer frühkindlichen Stressbelastung haben, die auf eine für die jeweilige (Ko-)Morbidität spezifische Gendisposition trifft. ⇒Wie ADHS entsteht: Gene + Umwelt
33,3 % aller Deutschen und 38,8 % aller EU-Bürger leiden (innerhalb von 12 Monaten) an einer psychischen Störung. Männer und Frauen sind ungefähr gleich häufig betroffen, jedoch mit unterschiedlichen Störungsbildern. Am häufigsten ist die Altersgruppe von 18 bis 34 Jahren betroffen.2
Von diesen 33,3 % leiden wiederum 1/3 (also insgesamt 11,1 % aller Deutschen) an mehr als nur einer Störung. In diesen Fällen besteht eine offene Komorbidität von mehreren Störungen aus verschiedenen Diagnosegruppen. Die Komorbidität hinsichtlich verschiedener Einzeldiagnosen aus derselben Gruppe ist nochmals deutlich höher.
Komorbiditäten nehmen mit dem Alter zu.2
Zum Vergleich der bei den unten genannten Prävalenzwerten (Häufigkeit des Auftretens): ADHS hat eine Prävalenz bei
Kinder und Jugendliche zusammen 5,29 %
laut internationaler Meta-Langzeit-Analyse von 102 internationalen Studien mit n = 171.000 Probanden3
Damit entspräche die Lebenszeitprävalenz von ADHS in etwa der von Diabetes.6
Friedmann berichtet, dass die Lebenszeitprävalenz von ADHS in den USA von 7,8 % in 2003 auf 11 % in 2011 gestiegen sei.5
Dies ergibt sich nicht aus einem Anstieg von ADHS, sondern dass ADHS heute besser erkannt und sicherer diagnostiziert wird.
Eine akute und subjektiv bedrohliche Stresslage kann bei ansonsten gesunden Menschen die gesamte ADHS-Symptomatik hervorrufen.
Alle ADHS-Symptome sind Stresssymptome. Daher können alle Symptome durch “normalen” schweren Stress, also durch eine situationsbedingt angemessene, aber starke Stresswahrnehmung bei gesunden Menschen ausgelöst werden.
Mit Ende der belastenden Situation endet bei gesunden Menschen die Symptomatik vollständig.
Besteht jedoch ein ADHS, ist das Stressregulationssystem durch genetische Ursachen oder ein Zusammentreffen einer genetischen Disposition und einer zu langen, zu intensiven (meist frühkindlichen) Stressbelastung dauerhaft geschädigt (⇒Entstehung von ADHS), sodass die Stresssymptome fortan auch bei geringsten (oder gar keinen) Belastungssituationen fortbestehen und die Stresssysteme bei geringen Belastungssituationen überreagieren können (ADHS-HI) oder die Stresssysteme zu früh hoch und wieder herunterfahren (ADHS-I). ⇒ ADHS als chronifizierte Stressregulationsstörung.
In einer Differentialdiagnostik ist daher im ersten Schritt festzustellen, ob akute Umstände bestehen, die derart belastend sind, dass sie die Symptome hervorrufen können, beispielsweise:
Prävalenz Hochbegabung: IQ 120 und mehr: 8,98 %, IQ 130 und mehr: 2,28 %
Hochbegabung ist keine Störung. Dennoch können aus unerkannter Hochbegabung Symptome erwachsen, die in Art und Zusammenstellung nahezu identisch zu den ADHS-Symptomen sind.
2.1.2.1. Stressreaktion unerkannt Hochbegabter als Außenseiter¶
Hochbegabte haben abweichende Interessen, denken “anders”, haben andere Werte und reagieren anders. Je geringer die soziale Kompetenz ist, mit der Betroffene ihr anders sein überbrücken können, desto seltsamer finden andere Kinder sie. Dies kann ablehnende Reaktionen bis hin zu Mobbing auslösen. Doch auch ohne Mobbing kann sich das “anders fühlen” und das “nicht dazu gehören” (das ist nicht nur ähnlich, sondern identisch wie bei ADHS-Betroffenen) und das Fehlen von Freunden zu einem so massiven Stress steigern, dass sich die ADHS-typischen Stresssymptome bilden können.
Betroffene Kinder sind dann zappelig, stören im Unterricht, machen den Klassenkasper (ADHS-HI-ähnlich) oder schalten innerlich ab, träumen sich weg (ADHS-I-ähnlich).
Neben den möglichen Stresssymptomen von gemobbten Außenseitern (zu denen unerkannt Hochbegabte aufgrund ihres Andersseins durchaus zählen können) gibt es allerdings noch weitere Ähnlichkeiten zwischen ADHS und Hochbegabung, die nicht durch Stress verursacht sind.
2.1.2.2. Ähnlichkeiten einzelner typischer Traits bei HB und ADHS¶
Hochbegabung bewirkt nicht nur ein schnelleres Denken, sondern korreliert häufig mit typischen Traits (“Charaktereigenschaften”). Viele dieser Traits ähneln Eigenschaften, die häufig bei ADHS-Betroffenen beobachtet werden. ⇒ Hochbegabung und ADHS
Wir hatten vermutet, dass die beeindruckende Übereinstimmung der in der ADHS-Fachliteratur beschriebenen positiven Eigenschaften von ADHS und der in der Hochbegabten-Fachliteratur beschriebenen typischen Charaktertraits von Hochbegabten daraus resultiert, dass ADHS nahezu immer und Hochbegabung sehr häufig mit Hochsensibilität korreliert. Wir nahmen an, dass es sich um Charaktertraits handelt, die nicht aus ADHS oder Hochbegabung selbst resultieren, sondern dass diese ihre eigentliche Wurzel in der gemeinsamen Hochsensibilität haben.
Neuere Daten (auch des ADxS.org-Symptomtests, n = 2000, Stand Juli 2020) zeigen jedoch keine Korrelation zwischen Hochbegabung und Hochsensibilität.
Hochbegabten wie ADHS-Betroffenen wird aus der jeweiligen Fachliteratur zugeschrieben:
vornehmlich intrinsisch motivierbar (extrinsisch/durch äußeren Druck nur schwer motivierbar)
Fähigkeit zum Hyperfokussieren
Langeweile und Konzentrationsstörungen bei uninteressanten oder monotonen Aufgaben (bis hin zum unterperformen und überhöhter Fehlerquote)
Ungeduld
Tendenz, andere zu unterbrechen
Ablehnen von Autoritäten (Autorität wird nur qua Kompetenz, nicht qua Rang anerkannt)
bei manchen: Schwierigkeit bei Entscheidungsfindung (zu viele Möglichkeiten und zu berücksichtigende Fakten); vornehmlich bei Menschen, die ihre Stressreaktionen internalisieren, weniger bei Menschen, die Stress nach außen ableiten
Smalltalkaversion
Diplomatiedefizit
Aversion gegen Menschenmengen
hohe Bedeutung von Wahrheit, Gleichheit, Gerechtigkeit
von anderen oft als schräg oder seltsam wahrgenommen zu werden.
Diese (natürlich nicht bei jedem HB, aber eben bei HBs gehäuft auftretenden) Traits sollten bei der Diagnostik daher genau auf ihre Ursache hin untersucht werden.
Unerkannte Hochbegabung ist nicht leicht erkennbar. Nicht alle Hochbegabte haben besondere Fähigkeiten. Viele Hochbegabte lehnen eine solche Klassifizierung für sich selbst sogar nachdrücklich ab, weil sie sich nicht so wahrnehmen. Hier gilt es den Unterschied zwischen Begabung = Anlage und Fähigkeit = Umsetzung der Begabung zu beachten. Viele Hochbegabte brauchen eine geeignete Förderung, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Zudem liegen nicht alle Begabungen in schulisch relevanten Bereichen. Rechengenies oder die Variante des wissensdurstigen Hochbegabten werden naturgemäß leicht als Hochbegabte erkannt.91011
Hochbegabung ist selbstverständlich kein zwingender Grund dafür, sich als Außenseiter zu fühlen und/oder für ADHS-ähnliche Symptome zu entwickeln. Meist sind diejenigen betroffen, die ihr Anderssein nicht durch ausreichende Sozialkompetenz kompensieren können.
Alle genannten Prävalenzen sind lediglich ein grober Anhaltspunkt, um die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Komorbidität sichtbar zu machen. Und ebenso natürlich ist nicht jedes Kind, das ADHS hat, hochbegabt.
Minderbegabung und deren Folgen für Lern-Leistungsverhalten und reaktive Verhaltensstörungen (bei Über- / Unterforderung) können wie ADHS wirken. ADHS tritt bei Minderbegabung häufiger auf.11 Prävalenz Minderbegabung: IQ 80 und weniger: 8,98 %, IQ 70 und weniger: 2,28 %
Bei einer bestehenden Minderbegabung (Intellectual Disability) scheinen die DSM-V-Kriterien nur bedingt zur ADHS-Diagnostik geeignet. Insbesondere sollen die Hauptsymptome des DSM-V bei Minderbegabten auch aus der Minderbegabung selbst resultieren können. Eine Untersuchung konnte mittels DSM-V unter Minderbegabten nur 46 % der ADHS-Betroffenen korrekt diagnostizieren. Durch zusätzliche Kriterien – die die Autoren indes nicht nennen – soll die Diagnosegenauigkeit von ADHS unter Minderbegabten auf 82 % gesteigert worden sein.12
Eine Studie fand, dass der Verbal Fluency Task bei Minderbegabung eine niedrigere phonologische und semantische Flüssigkeit zeigte als bei ADHS-Betroffenen und eine niedrigere semantische Flüssigkeit als bei Legasthenikern.13
Ein noch altersentsprechend hohes Aktivitätsniveau, insbesondere bei jüngeren Kindern, kann ein ADHS-ähnliches Symptombild zeigen.1411
Ein (sehr) hohes Aktivitätsniveau bei (sehr) kleinen Kindern kann altersbedingt sein. Dies geht mit der Entwicklung des Gehirns zurück (was zur Beschreibung von ADHS als Entwicklungsverzögerung des Gehirns passt, wenn das Aktivitätsniveau deutlich über dem üblichen altersgemäßen Maß liegt). Manche Kinder brauchen in bestimmten Entwicklungsphasen zudem einfach mehr Zeit als andere. Dies ist keine Störung, sondern eine individuelle Eigenheit, wie sie jeder Mensch hat. Warme Zuwendung und geduldige Förderung, verbunden mit reichlich Gelegenheit zum ausagieren des motorischen Bewegungsdrangs sind hier die sinnvollsten Reaktionsweisen.
Sortierung nach Prävalenz (Auftretenshäufigkeit) absteigend. Die Prävalenz benennt die Häufigkeit der Störung selbst, nicht die Häufigkeit oder Wahrscheinlichkeit von ADHS bei dieser. So ist die Prävalenz von Mangelerscheinungen recht hoch, der Einfluss ihrer Behebung auf ADHS-Symptome jedoch nicht durchschlagend.
2.3.1. Folgen von Schlafstörungen (Schlafstörungen: Kinder 47,1 %; Erwachsene: 0,6 bis 7,8 %)¶
Die Jahresprävalenz von Schlafstörungen in Deutschland lag 2008 bei 0,6 % (15 bis 19 Jahre) bis 6,6 % (ab 60 Jahre) bei Männern und 0,8 % (15 bis 19 Jahre) bis 7,8 % (ab 60 Jahre) bei Frauen.15
Schlafprobleme bei ADHS sind extrem häufig:
70 – 80 % der ADHS-betroffenen Kinder leiden an Schlafproblemen
20 – 30 % der ADHS-Betroffenen Erwachsenen leiden an Schlafproblemen
Eine chinesische Studie an 23.791 Schulkindern fand, dass 68,7 % der Kinder mit ADHS eine schlechte Schlafqualität hatten, gegenüber 47,1 % der Kinder ohne ADHS.16
Bei Schlafproblemen und ADHS ist es schwierig, Ursache und Wirkung auseinanderzuhalten. ADHS verursacht sehr häufig Schlafstörungen und Schlafstörungen verursachen häufig ADHS-ähnliche Symptome.
Bei einer ADHS-Diagnose sollten komorbid bestehende Schlafstörungen stets mit besonderem Vorrang behandelt werden. Zudem muss bei Medikamenten gegen Schlafprobleme deren mögliche negative Auswirkung auf ADHS-Symptome beachtet werden, genauso wie Medikamente gegen ADHS daraufhin geprüft werden müssen, dass diese Schlafprobleme nicht verstärken. Mehr zur Behandlung von Schlafproblemen bei ADHS: ⇒ Behandlung von Schlafproblemen bei ADHS
Vigilanzstörungen bei Beeinträchtigungen der Schlaf-Wach-Regulation1718
Folgen eines Schlafapnoe-Syndroms11
“Das Obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) ist die häufigste schlafbezogene Atemstörung. Die Prävalenz liegt bei Männern bei ca. 4 % und bei Frauen bei ca. 2 %. Eine Obstruktive Schlafapnoe (OSA) ist sogar noch häufiger und erreicht insbesondere bei der Betrachtung von Subgruppen auffällig hohe Zahlen. So ergibt sich bei Patienten mit Diabetes mellitus oder arterieller Hypertonie eine Prävalenz von ca. 36 %, bei adipösen Patienten eine Prävalenz von 50 % und bei Patienten mit therapierefraktärer arterieller Hypertonie eine Prävalenz von 83 %. Dabei gehen Schätzungen davon aus, dass 80 % der männlichen und 90 % der weiblichen Patienten mit einem Schlafapnoe Syndrom nicht diagnostiziert sind und damit auch nicht behandelt werden.”19
Atemaussetzer im Schlaf von Kindern können kognitive Belastungen auslösen, die Symptome verursachen, die ADHS gleichen.20
Gemeinsame Symptome von Schlafproblemen und ADHS:24
motorische Hyperaktivität, körperliche Unruhe
Konzentrationsprobleme
Aufmerksamkeitsprobleme
ADHS-Symptome, die für Schlafprobleme untypisch sind:
Innere Unruhe (bei atypischer Depression typisch, weniger bei melancholischer Depression)
Impulsivität
hoher Redefluss (Logorrhö, Polyphrasie)
Gedankenjagen, Gedankenkreisen
schnelle Stimmungsschwankungen
Dysphorie bei Inaktivität
Symptome von Schlafproblemen, die für ADHS untypisch sind:
Schläfrigkeit
(Tages-)Müdigkeit
2.3.2. Postkommotionelles Syndrom (Folgen einer Gehirnerschütterung) (11 bis 80 %)¶
Weiterer Name: Post-Concussion-Syndrom
Prävalenz: vermutlich bei 1 / 10 Patienten mit mildem Schädelhirntrauma25
Eine Gehirnerschütterung ist die leichteste Form eines Schädel-Hirn-Traumas. In den USA wird für Gehirnerschütterung eine Inzidenz von 1,15 % angenommen (3,8 Mio / 331 Mio). Damit läge die Inzidenz des Postkommotionellen Syndroms bei ca. 0,115 % / Jahr.
Die Prävalenz liegt zwischen 11 und 80 %.26
Bei unverletzten jugendlichen Sportlern scheint ADHS das Postkommotionelle Syndrom nachzuahmen. ADHS-Betroffene berichten mehr Symptome eines Postkommotionellen Syndroms als Nichtbetroffene.27 Eine weitere Studie berichtet von verlängerten Zeiten bis zur Erholung von einer Gehirnerschütterung bei ADHS.28
Eine Studie fand keine Häufung von ADHS bei 12-/13-jährigen Sportlern mit einer Gehirnerschütterung.29
Ein Vitamin D3-Mangel scheint zugleich bei ADHS sehr häufig zu sein.32 Eine D3-Gabe insbesondere im Herbst / Winter ist empfehlenswert.
D3 benötigt zur Aufnahme Fett, d.h. eine Einnahme erfordert, dass die Präparate Fett beinhalten oder eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme. Ein Glas Milch sollte hierzu bereits genügen.
bei Kindern unter fünf Jahren (Disease Control Priorities in Developing Countries 2006).
Ostasien/Pazifik: 7 %
Osteuropa und Zentralasien: 10 %
Lateinamerika und Karibik: 33 %
Mittelost- und Nordafrika: 46 %
Subsahara-Afrika: 50 %
Südasien: 79 %
Zinkmangel zeigt sich u.a. durch einen Mangel an T- und B-Lymphozyten
Zinkmangel geht oft mit Vitamin-A-Mangel einher
Zink ist am Ada Repair-Protein beteiligt. Dieses repariert (demethyliert) methylierte Phosphatlinker in der DNA durch Übertragung der Methylgruppe auf den Cysteinat-S36
Die Prävalenz von Eisenmangel ist schwer bestimmbar, da es nur wenige zuverlässige epidemiologische Daten zu diesem Thema gibt, und die zudem mit verschiedenen verwandten pathologischen Entitäten wie Anämie, Eisenmangelanämie und isoliertem Eisenmangel ohne Anämie zusammenhängen.
Veränderungen der Stimmung und des emotionalen Verhaltens
Eisenmangel wirkt sich auf den Dopaminstoffwechsel aus:37
Bei Säuglingen und jungen Erwachsenen mit Veränderungen im mesolimbischen Signalweg könnte dies besonders schädlich sein [30]. Eisen ist an den dopaminergen Signalwegen und der dopaminergen Neurotransmission beteiligt.
Eisenmangel in der Substantia nigra könnte eine verringerte Tyrosinhydroxylase-Aktivität und damit eine beeinträchtigte Dopamin-Synthese bewirken.
Der SERT beeinflusst die dopaminerge Signalgebung
durch seine Modulation der intrazerebralen Eisenhomöostase. Die SERT-abhängige Abnahme der intrazerebralen Eisenkonzentration beeinflusst die dopaminerge und noradrenerge Neurotransmission, weil Eisen für die Umwandlung von Phenylalanin zu L-Tyrosin und L-Tyrosin zu L-Dopa erforderlich ist und somit die Dopaminsynthese mit reguliert.
durch die (reversible) Abnahme der Dichte dopaminerger D2-Rezeptoren und präsynaptischer DAT, die die präsynaptische Wiederaufnahme sicherstellen.
Bei ADHS-betroffenen Erwachsenen liegt die Prävalenz von Substanzmissbrauch bei 33,5 % .39 Das Risiko für Substanzmissbrauch unter Erwachsenen mit ADHS in den USA ist 1,7 bis 7,9-fach erhöht.40
Die Prävalenz für Substanzmissbrauch unter deutschen Erwachsenen betrug 2019 (12-Monats-Prävalenz und Lebenszeitprävalenz):41
Cannabis: 7,1 % / 28,3 %
Kokain / Crack: 1,1 % / 4,1 %
Ecstasy: 1,1 % / 3,9 %
Amphetamine: 1,2 % / 3,8 %
Methamphetamin / Crystal Meth: 0,2 % / 0,8 %
Rauchen (mind. 20 Zigaretten/Tag), Erwachsene:42
Unter wegen Alkoholabhängigkeit stationär behandelten Patienten fand eine Studie eine ADHS-Prävalenz von 20,5 %.44
Liegt neben ADHS zugleich aggressives und oppositionell-aufsässiges Verhalten und niedriges Selbstwertgefühl vor, ist die Wahrscheinlichkeit eines Substanzmissbrauchs signifikant erhöht, während bei jugendlichen ADHS-Betroffenen ohne diese zusätzlichen Symptome kein häufigerer Substanzmissbrauch festgestellt werden konnte.4546
Ein Substanzmissbrauch dürfte nach unserer Einschätzung sehr viel häufiger eine Folge von ADHS als Ursache für ein ADHS-Symptom-Vollbild sein. In selteneren Fällen besteht er komorbid. Eine Behandlung mit Stimulanzien beseitigt bei ADHS sehr häufig die Suchtneigung. Moderne Darreichungsformen von Stimulanzien-Medikamenten sind für den Missbrauch als Droge kaum geeignet (z.B. Elvanse: an Lysin gebundene Prodrug von Amphetamin, das erst im Darm ganz langsam zum Wirkstoff umgewandelt wird).
Im Continuous Performance Test zeigten ADHS-Betroffene im Vergleich zu den Substanzmissbrauch-Betroffenen mehr Reaktionen auf das richtige Timing.47
In Berlin erfüllten 5,0 %der 15- bis 64-jährigen Befragten die Kriterien für eine Alkoholabhängigkeit nach DSM-IV (Männer: 6,4 %, Frauen: 3,5 %).48
In Deutschland liegt die Prävalenz für Spielsucht bei 0,31 %, die Prävalenz für problematisches Spielverhalten bei 0,56 %.49
Bei einer Komorbidität von ADHS und Sucht besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass ADHS die kausale Ursache der Sucht ist und nicht Sucht die Ursache von ADHS. Dies zeigte sich zumindest bei Rauchen, Cannabis und wohl auch Alkohol.50
Bei erhöhten Gen-Risiko-Scores für ADHS (polygenic risc scores, PRS) fand eine Studie zugleich eine um 20 % erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Sucht. Es ergaben sich keine Unterschiede hinsichtlich der Intensität der Sucht (Gebrauch, Missbrauch, Abhängigkeit) oder der Art der Suchtstoffe (Alkohol, Cannabis, andere illegale Drogen). Umgekehrt erklärte der ADHS-PRS nur 0,2 % der Suchtwahrscheinlichkeit im Vergleich zu anderen Risikofaktoren.51
Eine Untersuchung zeigte bei schwer Süchtigen eine ADHS-Prävalenz von 16,7 % im Vergleich zu 2,5 % in der Kontrollgruppe.52
Noch signifikanter war, dass 53 % der schwer Süchtigen ein sozialgestörtes Verhalten in der Kindheit bzw. Adoleszenz (bis 15 Jahre), gemessen am SKID-II, aufwiesen (Kontrollprobanden mit 2,5 %).53 Eine frühere Störung des Sozialverhaltens (OR = 35.1) im Vergleich zu einem kindlichen hyperkinetischen Verhalten (OR = 5.7) stellt mit Abstand den größeren Risikofaktor für eine schwere Sucht dar.54
Dies deutet für uns darauf hin, dass Sucht vorwiegend bei ADHS-HI und weniger bei ADHS-I eine Rolle spielt.
Bei der Präferenz der Suchtmittel deutet sich ein häufigerer Konsum von Cannabisprodukten unter Menschen mit (früherem) hyperkinetischen Verhalten an. Für Opiate, Kokain, Amphetamine, Sedativa und Halluzinogene scheint es keinen signifikanten Unterschied zu geben.55
Ein gemeinsames Auftreten von hyperkinetischem und sozial gestörtem Verhalten ist zwar mit einem frühen Erstkonsum von illegalen Drogen assoziiert, statistisch konnte jedoch lediglich ein früherer und vermehrter Konsum von Nikotin nachgewiesen werden.56
Dauerhafter Missbrauch von dopaminergen Drogen (Kokain, Amphetamine) führt zu langanhaltender Herunterregulierung des Dopaminniveaus. Entzugserscheinungen entsprechen dann der ADHS-Symptomatik. 57 Vor diesem Hintergrund fragt sich, ob ADHS-Medikamente (Stimulanzien), die bekanntlich keine Rauschwirkung haben, nicht beim Entzug dopaminerger Drogen hilfreich sein könnten. ADHS-Betroffene mit komorbider Kokainsucht zeigten bei Behandlung mit Stimulanzien eine erhebliche Verringerung des Suchtverhaltens.58
Gemeinsame Symptome von Sucht / Substanzmissbrauch und ADHS:24
Impulsivität
(innere) Unruhe, motorische Hyperaktivität
Konzentrationsprobleme
hoher Redefluss (Logorrhö, Polyphrasie)
ADHS-Symptome, die für Sucht / Substanzmissbrauch untypisch sind:
Gedankenjagen, Gedankenkreisen
Aufmerksamkeitsprobleme
Dysphorie bei Inaktivität
Stimmungsschwankungen
Symptome von Sucht / Substanzmissbrauch, die für ADHS untypisch sind:
Substanzmissbrauch:
übermäßiger Konsum eines Stoffes, auch wenn schwerwiegende Folgen vorliegen
Sucht / Abhängigkeit:
übermäßiger Konsum bis zur Abhängigkeit von der Droge
sehr schwer zu stoppen
2.3.7. Schilddrüsenprobleme (kumuliert 7 bis 14 % bei Frauen, 2,75 bis 3,5 % bei Männern)¶
Siehe hierzu auch Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder- und Jugendärzte e.V., Stand 2014.11
vermehrtes Angstempfinden bis hin zur Ängstlichkeit
(extreme) Schreckhaftigkeit
Schwierigkeit zu entspannen
Schlafstörungen
Weitere, nicht ADHS-typische Symptome können sein:61
Schwitzen
Herzrasen
Vorhofflimmern
(starkes) Zittern
Durchfall
starker Gewichtsverlust
Müdigkeit
Schwäche
zusätzlich auftretende Psychose
2.3.7.2. Schilddrüsen-Unterfunktion / Hypothyreose (ab 60 Jahre ca. 2 %)¶
Ab 60 Jahren sind ca. 2 % der Bevölkerung von Schilddrüsen-Unterfunktion betroffen.17
ADHS-ähnliche Symptome können aus Schilddrüsenunterfunktion resultieren62
Hypothyreose wird mit zunehmendem Alter häufiger (meist Folge von Hashimoto-Autoimmunthyreoiditis).
Schilddrüsenunterfunktion entwickelt sich häufig langsam, weshalb Symptome schwer erkennbar sind.
Gesunde 4-jährige Kinder mit Schilddrüsen-stimulierendem Hormonspiegel im oberen Normbereich weisen ein höheres ADHS-Risiko auf als Kinder mit niedrigem freiem Thyroxinspiegel. Schilddrüsenerkrankungen sind bei Frauen häufiger als bei Männern. Da bei ADHS weiter eine mögliche Assoziation mit einer Schilddrüsenhormon-Rezeptorunempfindlichkeit besteht (siehe unten), sollte eine Rolle der Schilddrüsenhormone bei der Entstehung und der Erscheinung von ADHS bei Frauen und Mädchen genauer untersucht werden.63
Hashimoto (Struma lymphomatosa Hashimoto) ist eine Autoimmunstörung, die eine Schilddrüsenunterfunktion bewirkt62
Die Prävalenz von Hashimoto in Deutschland beträgt ca. 5 bis 10 %. Mit zunehmendem Lebensalter steigen Prävalenz und Inzidenz. Frauen in der 3.-5. Lebensdekade sind in etwa 10 bis 20-Mal häufiger betroffen als Männer.64
Weitere, nicht ADHS-typische Symptome können sein:61
Müdigkeit
im Extremfall: Wahnvorstellungen / Suizidgedanken
Gewichtszunahme
verlangsamter Herzschlag
verlangsamte Reflexe
verminderte Libido.
Es wird berichtet, dass eine Nebenniereninsuffizienz (eine abgeschwächte Cortisolproduktion durch die Nebenniere) häufig zu einer Schilddrüsenschwäche führe. Eine Behandlung der Schilddrüse mit Thyroxin verstärke dann die Cortisolanforderung an die Nebenniere. Wenn die Nebenniere jedoch bereits so geschwächt sei, dass die erhöhte Cortisolproduktion sie völlig überfordert, könne ein Zusammenbruch der Nebenniere die Folge sein, was die Cortisolproduktion noch weiter verringere, weshalb vor einer Thyroxinbehandlung die Nebenniere berücksichtigt und behandelt werden solle.65
Bei ADHS-HI liegt häufig eine abgeschwächte Cortisolstressantwort vor. *⇒ Cortisol und andere Stresshormone bei ADHS *Dies könnte ein Zeichen einer leichten Nebennierenschwäche sein. Diese dürfte indes häufig durch eine Hypophysenschwäche aufgrund einer CRH-Rezeptor-Downregulation entstehen. Zur Abgrenzung von einer Nebenniereninsuffizienz siehe ⇒ Hypocortisolismus (Nebennierenrindeninsuffizienz) in diesem Beitrag.
Ein Zusammenbruch der Nebenniere durch eine Therapie mit Thyroxin wird bei ADHS jedoch nicht als typisch berichtet.
Die β-Schilddrüsenrezeptoren (TRβ) in der Hypophyse steuern die Herunterregulierung des schilddrüsenstimulierenden Hormons (TSH), was zu einer verminderten Produktion der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) führt.
Schilddrüsenhormonresistenz (RTH) / Schilddrüsenhormon-Aktionsdefekt (THAD) ist ein insgesamt seltenes, vererbbares Syndrom, aber das häufigste Syndrom mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Schilddrüsenhormonen.66
Mutationen im β-Gen des Schilddrüsenrezeptors (Thrb, früher nur RTH genannt) können die Fähigkeit der Rezeptoren, T3 zu binden, beeinträchtigen.67
Es besteht eine Dysbalance zwischen
der Resistenz von Geweben, die vorwiegend die Schilddrüsenhormonrezeptor-β-Isoformen 1 und 2 exprimieren und
einer Überstimulation von Geweben, die hauptsächlich die Schilddrüsenhormonrezeptor-α-Isoform exprimieren
Bei funktionsfähigen Rezeptoren bilden die mutierten Rezeptoren Homo- und Heterodimere, denen die Fähigkeit fehlt, an genomischen Response-Elementen zu wirken. Das Ergebnis dieser dominant negativen Wirkung ist, dass TSH nicht herunterreguliert wird (Schilddrüsenhormonresistenz (RTH)).
THRB-Mutations-Schilddrüsenhormonresistenz hat folgende typische Symptome:
normale6869 oder erhöhte Werte von Triiodthyronin/freiem Thyroxin und nicht unterdrücktem schilddrüsenstimulierendem Hormon6669
deutet darauf hin, dass dem TRβ-Rezeptor nachgeschaltete Mechanismen für die Manifestation der Verhaltensphänotypen bei beiden Störungen verantwortlich sein könnten
THRA-Mutations-Schilddrüsenhormonresistenz hat folgende typische Symptome:66
geistige Retardierung unterschiedlichen Grades
Kleinwuchs mit verminderter subischialer Beinlänge
chronische Verstopfung
Bradykardie
2.3.8. Restless-Legs-Syndrom (Kinder 2 %, Erwachsene 5 bis 10 %)¶
Restless Legs korreliert mit ADHS-Symptomen.1718
Ein intensiver Zuckerkonsum kann – insbesondere bei Personen, die Zucker nicht gut vertragen – ein Zucken in den Gliedmaßen (vor allem in den Beinen) verursachen, das ähnlich wie eine milde Form von Restless legs wirken und beim Einschlafen hinderlich sein kann.
Bei Restless legs wird eine geringere Häufigkeit von D4.7R vermutet, während diese Genvariante bei ADHS häufiger ist.73
Bei Restless legs ist häufig eine Behandlung mit L-Dopa kurzfristig hilfreich, kann langfristig jedoch nachteilig sein.
Weiter wird eine Behandlung mit D4-Agonisten erörtert.73
2.3.9. Pränatale Schädigung durch Alkohol, FAS (0,8 bis 8,2 %)¶
Prävalenz: 0,8 bis 8,2 % aller Geburten, wobei rund 10 % aller Fälle die vollständige Symptomatik entwickeln.74 Langzeitstudien an Kindern mit FAS (Fetales Alkohol Syndrom) fanden bei 47,2 %75, 67,6 %76 oder 70 %77 auch ADHS.
Rund 15 bis 30 % aller Mütter trinken während der Schwangerschaft weiter Alkohol.74 Die Gefährdung der Ungeborenen dabei ist erheblich.
Dieses Problem wird zugleich als eine mögliche Ursache von ADHS betrachtet.78 Das Risiko von ADHS unter FAE/FAS-Betroffenen war 10-fach erhöht.79
Differentialdiagnostik FAS und ADHS
Symptome von FAS allein (nach Wikipedia; schwarz und mager), auch bei ADHS (fett):
Körperlicher Bereich
Wachstumsstörungen, Minderwuchs, Untergewicht
Vergleichsweise kleiner Kopfumfang (Mikrozephalie), Minderentwicklung des Gehirns (Mikrozephalie)
Im Profil flach wirkendes Mittelgesicht mit flacher Oberkieferregion, fliehendem Kinn (Mikrognathie) und einer kurzen, flachen Nase (Stupsnase) mit anfangs nach vorn zeigenden Nasenlöchern (Steckdosennase)
Schmales (Ober-)Lippenrot (fehlender Cupido-Bogen) und wenig modulierte, flache oder fehlende Mittelrinne (Philtrum) zwischen Nase und Oberlippe
Kleine Zähne, vergrößerter Zahnabstand
Besonders geformte und tief ansetzende Ohren
Vergleichsweise kleine Augen mit schmalen, teils herabhängenden Augenlidern (Ptosis)
Sichelförmige Hautfalte an den inneren Randwinkeln der Augen (Epikanthus medialis)
Gaumenspalten können durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft hervorgerufen werden
Organischer Bereich, körperliche Fehlbildungen
Sprechstörungen
*(ADHS selbst zeigt keine oder nur schwache Sprechstörungen, aber häufige Komorbidität Teilleistungsstörungen; Sprechstörungen sind bei ADHS selten und eher untypisch)
Ess- und Schluckstörungen, oft fehlendes oder übermäßiges Hungergefühl
*(bei ADHS Appetitlosigkeit eher Folge von Medikation; Übergewicht aber durchaus häufigere Komorbidität von ADHS)
Schwierigkeit im Verstehen von abstrakten Dingen und logischen Zusammenhängen
Probleme mit der Erfassung von Begriffen wie bald, vorher, nachher, demnächst, übermorgen.
Probleme im mathematischen Bereich, z.B. Schätzen von Zahlen, Verständnis der Uhrzeit und Umgang mit Geldwerten*
*(Bei ADHS allenfalls Dyskalkulie als komorbide Teilleistungsstörung)
Krampfanfälle, Epilepsie
Emotionale Instabilität, Schwankungen von Ausgeglichenheit, Stimmungen und Gefühlsäußerungen
Häufig lang anhaltende Temperamentsausbrüche
Hyperaktivität
Hyperexzitabilität (Übererregbarkeit des zentralen Nervensystems)*
*(Bei ADHS: Hochsensibilität)
Über- oder Untersensibilität bezogen auf oft selbst leichte Schmerz-, Temperatur-, Berührungsreize usw.*
*(ADHS: Hochsensibilität)
Unter- oder Überreaktionen auf taktile Reize*
*(ADHS: Hochsensibilität)
Vertrauensseligkeit (z. B. mit fremden Personen mitgehen)
Aggressivität* und Destruktivität
*(ADHS selbst nicht, aber häufige Komorbidität)
Überdurchschnittlich lange Reaktionszeiten (ADHS nicht, eher überdurchschnittlich wechselnde Reaktionszeiten)
Unaufmerksamkeit, leichte Ablenkbarkeit bis hin zur Reizüberflutung durch diverse Umgebungsreize (Lichter, Farben, Geräusche, Bewegungen, Menschen usw.)
Verhaltensauffälligkeiten
Motorische Koordinationsschwierigkeiten durch Entwicklungsverzögerungen der Fein- und Grobmotorik und mangelhafte Auge-Hand-Koordination („Tollpatschigkeit“)
Problembewältigungsschwierigkeiten* (immer wieder gleiche Herangehensweisen ohne Variablen)
*(bei ADHS eher Desorganisation durch häufiges Vergessen von Details, aber auch beeinträchtigtes Lernen)
Ungeduld und Spontaneität einerseits, Entscheidungsschwierigkeiten andererseits
Dissoziales und oppositionelles Verhalten* *(Nicht bei ADHS selbst, hier aber häufiger komorbides Oppositionelles Defizitverhalten. Dissoziales Verhalten bei ADHS auch als Komorbidität wenig typisch)
Nichterkennen von Konsequenzen
Schwierigkeiten, sich in soziale Bezüge angemessen einzugliedern und sich darin wohlzufühlen*
*(Bei ADHS-HI wegen innerer Anspannung und Bewegungsdrang, bei ADHS-HI und ADHS-I wegen Reizüberflutung, die zu Erschöpfungs- und Überlastungssysmptomen führt; häufig auch Sozialphobie, bei ADHS-I wegen Rückzugs- und Wegträumtendenzen)
Ignoranz gegenüber verbalen Anweisungen, unkooperatives und oppositionelles Verhalten bei verbal ausgesprochenen Grenzsetzungen (Nichtakzeptanz von „Nein“)
*(Bei ADHS eher Überhören, Vergessen oder in Begeisterung darüber hinweggehen. Kein systematisches Ignorieren wie bei FAE).
Unempfänglichkeit oder Unverständnis gegenüber nonverbalen Signalen durch Gestik, Mimik und Körpersprache anderer Menschen
Sinngemäßes Verständnis von Anweisungen, aber Unvermögen zur angemessenen Ausführung*
*(Bei ADHS trotzdem anders, eher organisatorische Unfähigkeit aus Verplantheit, Schusseligkeit, Vergesslichkeit als umfassendes Unvermögen)
Oft ängstlich-besorgte und chronisch frustrierte Einstellung
Kinder mit Hydrocephalus haben ein knapp dreifaches Risiko für ADHS.83
Im Alter tritt Hydrocephalus häufig komorbid mit Alzheimer und vaskulärer Demenz auf.
Phenylketonurie-Betroffene zeigen häufig Symptome von ADHS, wobei die Subtypen mit Hyperaktivität zu überwiegen scheinen.8485868788
Phenylketonurie (PKU) ist eine rezessive Störung des Phenylalanin-Stoffwechsels aufgrund von Mutationen des Phenylalanin-Hydroxylase-Gens). PKU führt zu einem signifikanten Überschuss an Phenylalanin (Hyperphenylalaninämie). Da Phenylalanin und Tyrosin durch dieselben Transporter durch die Blut-Hirn-Schranke gelangen, und diese Transporter eine höhere Affinität für Phenylalanin haben, gelangt bei einem Phenylalaninüberschuss im Blut zu wenig Tyrosin ins Gehirn. Tyrosin ist ein Vorstoff für Dopamin, aus dem weiter Noradrenalin und Adrenalin entsteht. Daher führt ein Phenylalaninüberschuss im Blut zu einem Dopamin-, Noradrenalin-, und Adrenalinmangel im Gehirn.89 Daneben bewirkt ein Phenylalaninüberschuss Veränderungen des zerebralen Myelins und der Proteinsynthese sowie reduzierte Spiegel von Serotonin im Gehirn bewirkt.90ADHS und Phenylketonurie haben mithin die Gemeinsamkeit eines Dopaminmangels.8691
Eine Behandlung mit Sapropterin verbesserte in einer pharmafinanzierten Studie bei Phenylketunorie die ADHS-Symptomatik.92
2.3.14. Folgen schwerer Gehirninfektionen (kumuliert 0,05 % bis 0,16 %)¶
Gehirninfektion mit entzündlicher Veränderung durch eingedrungene Mikroorganismen. Enzephalitis zerstört die Zellen in der Substantia nigra, die Dopamin herstellen.
Die Betroffenen der Enzephalitisepedemie 1914 bis 1917 zeigten im weiteren Verlauf typische Symptome von ADHS. Kinder entwickelten hyperaktive Motorik, Erwachsene Parkinsonsymptome.
Die Symptome sind Folgen des Dopaminmangels, wie er für ADHS kennzeichnend ist. Diese Symptome konnten in Tierexperimenten als Folge einer gestörten Dopaminproduktion reproduziert werden.95
Sauerstoffmangel während der Geburt ist eine der Hauptursachen des frühkindlichen Hirnschadens (FKHS).
Führte in Tierexperimenten zum Absterben Dopamin produzierender Zellen in der Substantia nigra und dadurch zu einem Dopaminspiegelrückgang um bis zu 70 %.96 Hypoxämie geht mit Adenosinüberschuss einher. Adenosin hemmt Dopamin.
2.3.14.3. Bakterielle Infektionen (kumuliert 0,01 % bei Frauen, 0,12 % bei Männern)¶
Hirnabszesse: 0,3–1,3 /100.000 pro Jahr (0,0003 % bis 0,0013 %)
lokale Infektion des Hirngewebes. Beginnt als fokale Enzephalitis (Hirnphlegmone, „Zerebritis“). Entwickelt sich im weiteren Verlauf langsam zu einer Eiteransammlung mit Bindegewebskapsel
Syphilis (Prävalenz 11,5 / 100.000 (0,115 %) bei Männern, 0,9/100.000 (0,009 %) bei Frauen)
Weitere Namen: Von-Recklinghausen-Krankheit, Morbus Recklinghausen, Neurofibromatose Recklinghausen, periphere Neurofibromatose Prävalenz von etwa 1:3500 (0,029 %) eine der häufigsten erblichen neurologischen Erkrankungen. Neurofibromatose Typ 1 zeigt Fehlbildungen der Haut und des zentralen Nervensystems. Neurofibromatosen sind Nerventumore.
Unter 128 Neurofibromatose Typ 1 - Betroffenen (53,1 % Mädchen) fand sich bei 28,9 % (37/128) ein ADHS, darunter 20 ADHS-C, 15 ADHS-I und 2 ADHS-HI.
Weitere Komorbiditäten der Neurofibromatose Typ 1 waren Makrozephalie (Kopfumfang über 2 SDs über dem Altersdurchschnitt, 37,5 %), Kopfschmerzen (18,6 %), kognitive Beeinträchtigungen (7,8 %), motorische Defizite (6,2 %) und Epilepsie (4,68 %). Im MRT fanden sich T2-gewichtete Hyperintensitäten in den Basalganglien und/oder im Kleinhirn (70,5 %), Gliome des Sehnervs (25,8 %), plexiforme Neurofibrome (9,3 %), Chiari-Malformation Typ 1 (6,7 %), Arachnoidalzysten (5 %), Gliome des zentralen Nervensystems (3,1 %).98
Diagnosekriterien - mindestens 2 der folgenden Symptome:99
Sechs oder mehr Café-au-lait Flecken (CAL) > 5 mm Durchmesser präpubertär und > 15 mm postpubertär.
Freckling in Achselhöhle oder Leistenregion.
Zwei oder mehr Neurofibrome jedes Typs oder ein plexiformes Neurofibrom (PNF)
Gliom der Sehbahn
Zwei oder mehr Irisknötchen, die durch Spaltlampenuntersuchung identifiziert werden, oder zwei oder mehr choroidale Anomalien (CAs), die als unregelmäßige helle Knoten durch optische Kohärenz Tomographie (OCT) bzw. Nahinfrarot-Bildgebung (NIR Imaging) nachgewiesen werden.
Spezifische knöcherne Läsionen wie Keilbeindysplasie, anterolaterales Bowing der Tibia oder Pseudarthrose der langen Röhrenknochen.
Eine heterozygote pathogene (=krankheitsverursachende) NF1-Variante mit einer Allelfrequenz von 50 % in normalem Gewebe wie den Leukozyten.
2.3.16. Velokardiofaziales Syndrom (22q11DS) (0,01 bis 0,05 %)¶
Weitere Namen: CATCH 22, Cayler kardiofaziales Syndrom, Di George-Syndrom, DiGeorge-Sequenz, Mikrodeletion 22q11.2, Monosomie 22q11, Sedlackova-Syndrom, Sphrintzen-Syndrom, Syndrom der konotrunkalen Anomalie mit Gesichtsdysmorphie, Takao-Syndrom
Morbus Addison: Prävalenz: 4/100.000 (0,004 %).
Schwächere Formen sind deutlich häufiger.
Da bei ADHS (bei ADHS-HI wie bei ADHS-I) der basale Cortisolspiegel leicht verringert ist, könnte man ADHS als sehr schwache Nebenniereninsuffizienz (Nebennierenschwäche) bezeichnen.
2.3.17.2. Hypercortisolismus (Cushing-Syndrom) (0,0002 bis 0,0008 %)¶
Prävalenz: 8/1.000.000 bei Männern (0,0008 %), 2/1.000.000 bei Frauen (0,0002 %)104
ACTH-abhängige Form (80 % der Fälle)
Mikro- oder Makroadenom des Hypophysen-Vorderlappens produziert ACTH (= Morbus Cushing)
(meist maligne) Tumore außerhalb der Hypophyse (häufig Bronchialkarzinome) als Ursache für ektope ACTH-Herstellung
ACTH-unabhängige Form (20 % der Fälle)
Überproduktion von Glucocorticoiden (Cortisol) und Mineralocorticoiden durch Nebennierenrinde
Moyamoya tritt besonders häufig in Japan auf. Prävalenz
Weltweit: 1 / 1.000.000 bis 9 / 1.000.000 (0,0001 % bis 0,0009 %)105
Japan: 1 / 30.000 bis 1 / 9.500 (0,0033 % bis 0,0105 %)
Inzidenz Japan: 1 / 280.000 bis 1 / 89.000
Moyamoya ist eine Verengung oder ein Verschluss von Hirn-Arterien, die zu einer relativen Blutarmut (Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke) im Gehirn führen. Es bilden sich viele kleine kompensatorische Gefäße als Umgehungskreisläufe aus.
Moyamoya kann mit zu ADHS verwechselbaren Symptomen einhergehen.106
Ein Hamartom ist eine tumorartige, gutartige Gewebeveränderung aufgrund von fehlerhaft differenziertem bzw. versprengtem Keimgewebe. Ein hypothalamisches Hamartom kann eine Vielzahl von Hormonen produzieren und neben ADHS-Symptomen, Conduct disorder, Oppositionellem Defizitverhalten, antisozialem Verhalten, Wutanfälle, intellektueller Regression, kognitiven Störungen auch verfrühte Pubertät, Adipositas und Epilepsie auslösen. 60 % der von einem hypothalamischem Hamartom Betroffenen entwickeln externalisierende Störungen (insbesondere bei Jungen und bei Epilepsie), 30 % internalisierende Störungen.108109MPH kann ein durch ein hypothalamisches Hamartom ausgelöstes ADHS deutlich verbessern, ebenso wie eine Behandlung mit einem Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Analogon.110 Bei schweren Fällen könnte eine stereotaktische Laseroperation hilfreich sein.111
Weitere Namen: Bioelektrischer Status epilepticus im Schlaf, CSWS, CSWS-Syndrom, ESES-Syndrom, Epileptische Enzephalopathie mit kontinuierlichen Spike-Wave-Entladungen im Slow-Wave-Schlaf Prävalenz: unbekannt. Orphane Störung (selten).115
Epilepsie mit kontinuierlichen Spike-Wave-Entladungen im Schlaf (continuous spike-wave during sleep, CSWS) ist eine seltene epileptische Enzephalopathie bei Kindern. Charakteristisch sind Krampfanfälle, elektroenzephalographische Muster eines Status epilepticus im Schlaf (ESES) und kognitive Entwicklungsregression.116
ESES geht mit ADHS-ähnlichen Symptomen einher. In einer Studie zeigte eine Behandlung mit ACTH eine verringerte die ADHS-Symptomatik im Mittel um 67 %.117 Eine weitere Studie derselben Autoren fand ähnliche Verbesserungen durch ACTH bei ADHS und bei Stottern.118
2.3.25. Traumatische oder raumfordernde zerebrale Störungen / sonstige psychoorganischen Syndrome mit zerebraler Schädigung und/oder psychisch-geistiger Retardierung¶
Verengung der Atemwege (Synonyme: Bronchokonstriktion, Bronchienverengung, Bronchialverengung und Bronchialobstruktion): z.B. Atemnot (Atemlosigkeit, Dyspnoe), Asthma, Bronchospasmus
Das Bachmann-Bupp-Syndrom (BABS) ist gekennzeichnet durch:122
ausgeprägte Alopezie
globale Entwicklungsverzögerung im mittleren bis schweren Bereich
Hypotonie
unspezifische dysmorphe Merkmale
Verhaltensauffälligkeiten
ASS
ADHS
Fütterungsprobleme
Haar
in der Regel bei Geburt vorhanden
kann spärlich sein
kann unerwartete Farbe haben
fällt in den ersten Lebenswochen in großen Büscheln aus
Krampfanfälle zu Beginn der späteren Kindheit (selten)
Schallleitungsschwerhörigkeit (selten)
Abnormale Metaboliten des Polyamin-Stoffwechsels (einschließlich erhöhter N-Acetylputrescin-Werte) deutet auf BABS hin.
Diagnose durch molekulargenetische Tests auf heterozygote pathogene de-novo-Variante des ODC1-Gens.
Eine Haploinsuffizienz des CAPRIN1-Gens ist eine autosomal-dominante Störung, die mit Funktionsverlust-Varianten im Zellzyklus-assoziierten Protein 1 (CAPRIN1) verbunden ist.
Das CAPRIN1 Protein reguliert den Transport und die Translation neuronaler mRNAs, die für die synaptische Plastizität entscheidend sind, sowie mRNAs, die Proteine kodieren, die für die Zellproliferation und -migration in verschiedenen Zelltypen wichtig sind.
CAPRIN1-Varianten mit Funktionsverlust gingen mit folgenden Symptomen einher:123
Benzodiazepine17128129
Benzodiazepine vermindern die Aktivität des Locus coeruleus und reduzieren damit den Transport von Noradrenalin zu anderen Gehirnteilen.130 Die Störung der Noradrenalinproduktion des Locus coeruleus ist zugleich ADHS-typisch.
Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) SSRI (namentlich Citalopram und Escitalopram) stehen im Verdacht, die Wirkung der Dopaminwiederaufnahmetransporter zu erhöhen.131. Überaktive Dopaminwiederaufnahmetransporter sind eine mögliche Ursache, um den die ADHS-Symptome auslösenden Dopaminmangel (vor allem im Striatum) zu bewirken, indem sie das präsynaptisch ausgeschüttete Dopamin bereits wieder aufnehmen, bevor es seine Kommunikationswirkung an der Postsynapse erbringen konnte. ⇒ ADHS – Neurotransmitter – Botenstoffe
Prävalenz: 22,9 % aller Frauen, 9,7 % aller Männer innerhalb eines Jahres.211 Prävalenz bei Mädchen unter 18 Jahren: 7,85 %.132
Angststörungen bestehen komorbid bei 25 % der ADHS-Betroffenen,133 16,7 % der ADHS-betroffenen Kinder und 27,2 % der ADHS-Betroffenen Erwachsenen.14 Andere Quellen nennen 15 % bis 35 %134 bzw. 35,6 % bei Erwachsenen in England 2007.135
Gemeinsame Symptome von Angststörungen und ADHS:24
Innere Unruhe
Konzentrationsprobleme
Aufmerksamkeit verringert
Stimmungsschwankungen
Schlafprobleme
ADHS-Symptome, die für Angststörungen untypisch sind:
hoher Redefluss (Logorrhö, Polyphrasie)
Gedankenjagen, Gedankenkreisen
Impulsivität (untypisch für ADHS-I)
Symptome von Angststörungen, die für ADHS untypisch sind:
Fatigue
Muskelspannung
Angstzustände bei ADHS können teilweise die Impulsivität und die Reaktionshemmungsdefizite verringern, die Arbeitsgedächtnisdefizite verschlimmern und scheinen sich von reinen Angstzuständen qualitativ zu unterscheiden. Komorbide Angst bei ADHS hat offenbar abweichende Ausdrucksformen:134137
Prävalenz:
Lebenszeit: 10 % bis 17 %139
unter 18 Jahren: Mädchen 2,54 %, Jungen 1,10 %.140
Affektive Störungen werden bei 27,9 % der ADHS-betroffenen Kinder und bei 57,9 % der ADHS-betroffenen Erwachsenen beschrieben14. Weiter wird eine Prävalenz von 37,1 % für Stimmungsinstabilität und 29,9 % für Depression bei Erwachsenen in England 2007 genannt.141
12 % bis 50 % der Kinder mit ADHS leiden zugleich an einer Depression, was 5 Mal häufiger ist als bei Kindern ohne ADHS.134 Eine Studie an jungen erwachsenen Depressions-Betroffenen berichtet eine ADHS-Lebenszeitprävalenz von 25,9 %,142 was ebenfalls rund das fünffache ist.
Die Lebenszeitprävalenz einer Major Depression beträgt 15 %143; Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer, also Frauen 20 %, Männer 10 %.
Bei Kindern mit ADHS tritt eine emotionale Dysregulation vor einer komorbid eintretenden Depression auf.144145 Dies verwundert nicht, da emotionale Dysregulation ein originäres ADHS-Symptom ist, während Depression als komorbide Störung hinzutreten kann. Gleichwohl scheint das Maß der emotionalen Dysregulation bei Kindern mit ADHS die Wahrscheinlichkeit einer späteren Depression zu moderieren.146
Eine Depression ist abzugrenzen von einer bloßer Dysphorie bei Inaktivität, die ein typisches Symptom von ADHS ist und keine Depression darstellt. Eine Behandlung mit Antidepressiva wäre hier fehlerhaft.
Siehe hierzu unter ⇒ Depression und Dysphorie bei ADHS in diesem Kapitel.
Impulsivität (untypisch für ADHS-I, untypisch für melancholische Depression)
Symptome von Depression, die für ADHS untypisch sind:
dauerhafte depressive Stimmung (auch bei Dingen, die eigentlich interessieren)
Stimmungstief morgens (melancholische Depression)
Stimmungstief abends (atypische Depression)
Gewichtsverlust (bei ADHS allenfalls als Nebenwirkung von Stimulanzien)
Verringertes Interesse an Aktivitäten (bei ADHS eher Rückzug aufgrund von erhöhter Sensiblität oder Sozialphobie)
Suizidale Gedanken
Bei ADHS-Betroffenen tritt eine Depression typischerweise Jahre nach dem Auftreten der ADHS-Symptome hinzu.148 In diesem Fall muss neben der bestehenden Depression unbedingt auch das zu Grunde liegende ADHS behandelt werden, das häufig die Ursache der Depression darstellt. Andernfalls würde mit der Depression lediglich ein Folgesymptom von ADHS behandelt.149148137
Rund 34 % aller behandlungsresistenten Depressionen liegt ein bis dahin unerkanntes ADHS zugrunde.
Prävalenz: 3,1 % aller Frauen, 2,8 % aller Männer innerhalb eines Jahres2
Bipolare Störung ist insbesondere durch einen Wechsel zwischen depressiver und manischer Symptomatik gekennzeichnet. Die Wechsel können in unterschiedlicher Geschwindigkeit erfolgen. Nicht immer erfolgt ein Wechsel in ein Vollbild der manischen Episoden.
ADHS tritt bei Bipolar-Betroffenen überdurchschnittlich häufig auf, die Komorbidität mit ADHS ist allerdings wohl schwächer als in Bezug auf andere psychische Störungen.134
In einer Reaktionstest-Untersuchung zeigten ADHS- wie Bipolar-Betroffene eine signifikant erhöhte Variabilität seltener langsamer Reaktionen als Kontrollen, während Bipolar-Betroffene im Vergleich zu ADHS-Betroffenen und Kontrollen eine signifikant erhöhte Geschwindigkeit und Variabilität typischer Reaktionen im Flanker-Task zeigten.150
2.5.3.2.1. Depressive Episode der bipolaren Störung¶
Die gemeinsamen und unterschiedlichen Symptome von depressiver Episode der bipolaren Störung und ADHS entsprechen denen von Depression und ADHS.
Probleme zu entspannen (ADHS-HI, Bipolar in manischer Phase)151
Regulierung der eigenen Erregung.Innere Unruhe, Rastlosigkeit151
ADHS-Symptome, die für manische Episoden untypisch sind:
Dysphorie nur bei Inaktivität
Symptome von Bipolar die für ADHS untypisch sind:
Wechsel zwischen depressiven und manischen Phasen
Bei ADHS sind Stimmungsschwankungen eher durch Trigger ausgelöst (reaktiv) und vergehen bei Ablenkung schnell wieder, während bipolare manische Phasen eher durchgängiger und langanhaltender sind.152
Zyklothymia (Cyclothymie) ist ein schneller Wechsel von Stimmungen, ohne die Intensität der Symptome einer Bipolaren Störung zu erreichen. Zyklothymia hat eine Prävalenz von 13 % in der Allgemeinbevölkerung.
Zyclothymia wurde bei 75 % aller Bipolar-Betroffenen gefunden und tritt bei ADHS und Depression deutlich erhöht auf.153
2.5.4. Umschriebene Entwicklungsstörungen (Teilleistungsstörungen) nach ICD-10 (ca. 10 bis 15 % (?))¶
Teilleistungsstörungen sollen (vor allem beim ADHS-I-Subtyp ohne Hyperaktivität) eine häufige Komorbidität sein. Dyspraxie ist dagegen eine rein motorische Entwicklungsstörung, die eher mit ADHS-HI (ohne Unaufmerksamkeit) verwechselt wird.
Dyspraxie wird auch das “Syndrom des tollpatschigen Kindes” oder “Syndrom des ungeschickten Kindes” bezeichnet. Dyspraxie ist eine Entwicklungsstörung, die das ganze Leben lang anhält. Dyspraxie tritt sehr häufig komorbid zu ADHS oder ASS auf.
Kinder mit Dyspraxie zeigen keine Abweichungen bei der Intelligenz.
Ca. 30 % der Kinder mit Dyspraxie haben zugleich eine verbale Entwicklungsverzögerung = verbale Dyspraxie.158
Verbale Dyspraxie ist eine Störung der Planung der Sprechmotorik. Die Sprachorgane sind nicht beeinträchtigt (Zunge, Stimmbänder).
Probleme der Planung der Sprechbewegungen
Schwierigkeiten, die richtigen Wörter zur richtigen Zeit in der richtigen Reihenfolge auszusprechen.
häufiges Husten oder Verschlucken bei der Nahrungsaufnahme
Abfolge von saugen, schlucken und atmen erschwert
hohe Speichelproduktion bei Nahrungsumstellung von Brei auf feste Mahlzeiten
Sprachentwicklung deutlich verzögert
deutlich späterer Beginn, zu sprechen
anfangs nur wenige „Lall-Laute“
später häufig Vokalsprache ohne Konsonanten („Oaaaa“, „Eeea“).
häufig zugleich Probleme mit Grobmotorik (siehe motorische Dyspraxie)
stolpern
sich anstossen, viele blaue Flecken
Lernschwierigkeiten
lesen
buchstabieren
Die Risikofaktoren für die Entstehung von Dyspraxie sind bislang noch ungeklärt. Wie bei ADHS scheinen Umwelteinflüsse während Schwangerschaft und Geburt das Risiko zu erhöhen.
Inwieweit sich der Begriff der Entwicklungsbezogenen Koordinationsstörungen von demjenigen der Umschriebenen Entwicklungsstörungen motorischer Funktionen und Developmental coordination disorder (DCD) unterscheidet, ist unklar.
Es soll unterschiedliche Subtypen mit sechs Hauptsymptomgruppen geben:
generelle Instabilität / leichtes Zittern
verminderter Muskeltonus
erhöhter Muskeltonus
Unfähigkeit, eine gleichmäßige Bewegung auszuführen, bzw. einzelne Bewegungselemente in eine Gesamtbewegung zu verbinden
Unfähigkeit, schriftliche Symbole zu bilden
Schwierigkeiten bei der visuellen Perzeption, verbunden mit der Entwicklung der Augenmuskeln
Betroffene von Entwicklungsbezogenen Koordinationsstörungen sollen zu 50 % auch ADHS haben.
Das Risiko von ADHS ist auch bei Kindern von 4 bis 5 Jahren mit einer Developmental coordination disorder erhöht. Allerdings scheint die DSM-5-Skala hier seltener zu greifen.159
Die Komorbidität von ADHS und Lernstörungen wird zwischen 10 % und 90 % angegeben.134
Lernstörungen sollen mit ADHS-I häufiger als mit ADHS-HI korrelieren.160 Bei ADHS-Betroffenen sollen Schreibstörungen doppelt so häufig sein wie Lese-, Rechen- oder Rechtschreibstörungen.161
Prävalenz: 10 % aller erwachsenen Frauen und 5 % aller erwachsenen Männer erleiden eine posttraumatische Belastungsstörung.1718
60 % aller Männer und 50 % aller Frauen haben mindestens ein potentiell traumatisierendes Erlebnis im Leben.163
Hiervon erleiden eine PTBS (PTSD):
Schlafprobleme sind bei ADHS wie bei PTBS häufig. Bei PTBS entstehen diese oft in den ersten 2 Wochen nach dem traumatisierenden Ereignis und sind häufig von persistierenden Alpträumen geprägt,165 was für ADHS ebenfalls nicht typisch ist. Bei ADHS bestehen die Schlafstörungen dagegen meist bereits lebenslang.
Die Subskala “Posttraumatische Belastungsstörung” der Child Behavior Checklist (PTSD-CBCL) kann PTBS von ADHS gut unterscheiden.166
Prävalenz: 1 % im Grundschulalter (unterschiedlicher Schweregrad), 15 % im Grundschulalter (incl. leichter und vorübergehende Formen).168
Tic-Störungen liegen bei 9,5 % der ADHS-betroffenen Kinder vor.14
31 %169 bis 55 %170 der Kinder mit Tic-Störungen zeigen auch ADHS.
Prävalenz: unter Studierenden in Deutschland 3,9 % (2019) bis 7,8 % (2020, Corona-Lockdown-Jahr)171
Internetsucht wurde durch eine Studie in zwei Subtypen unterschieden: einen Subtyp, der mit Impulsivität und ADHS-HI korrelierte und einen anderen Subtyp, der mit Zwanghaftigkeit korrelierte.172
2.5.8. Störung des Sozialverhaltens / Conduct Disorder (1,5 % bis 5 %)¶
Conduct Disorder wird in der Regel von komorbiden Störungen begleitet. Häufig sind:173
ADHS
Oppositionelle Trotzstörung (ODD)
Angststörung (insbesondere bei Jugendlichen)
Depression (insbesondere bei Jugendlichen)
Prävalenz: im Grundschulalter ca. 1,5 %, bei Jugendlichen ca. 5 %.174
Eine oppositionelle Störung soll bei 46,9 % der ADHS-betroffenen Kinder vorliegen, Störungen des Sozialverhaltens bei weiteren 18,5 %.14 Komorbidität zwischen ADHS-HI und der Störung des Sozialverhaltens wird je nach Studiendesign und Richtung des Zusammenhangs mit 15 bis 85 % der Fälle angegeben, insgesamt somit 4,7 fach häufiger als bei Nichtbetroffenen.175
Oppositionelles Trotzverhalten und andere Sozialstörungen werden von einzelnen Fachleuten als Subtyp von ADHS (Rage-Typ) betrachtet. Wir vermuten darin eher eine eigene Störung, die eine hohe Komorbidität zu ADHS hat.
Abgrenzung zu ADHS: Aggression bei (rein) ADHS-Betroffenen reaktiv, Verteidigungsmotiv, keine Schädigungsabsicht.112176 Aggressivität entsteht bei ADHS-Betroffenen häufig aus einer Fehleinschätzung der Situationen, wonach sie sich (vermeintlich zu recht) verteidigen. ADHS-Betroffene zeigen also eine reaktive und keine proaktive Aggressivität.177
Prävalenz Borderline: 1 % – 3 %178 bis 5 %179180 Bei psychiatrischen Patienten steigt die Prävalenz auf 11 %, bei stationären Patienten auf bis zu 50 %.181
75 % der Borderline-Betroffenen sind Frauen.
Bei Borderline wird neben einer Symptomähnlichkeit zu ADHS häufig ein komorbides Auftreten von ADHS festgestellt.182183 Eine Studie thematisiert die Frage, ob eine der Störungen (ADHS oder Borderline) sich mit der Zeit zu einer der anderen Störung wandeln kann. Scheinbar kommt ADHS dabei eher als vorausgehende und Borderline eher eine im Erwachsenenalter nachfolgende Störung in Betracht. Als wesentlicher Unterschied der Umwelteinflüsse wurde die bei Borderline erhöhte Anzahl traumatischer Kindheitserlebnisse berichtet.184 Dies, wie auch die weiter unten beschriebene unterschiedliche genetische Disposition, sprechen gegen eine regelmäßige Entwicklungsfolge zwischen den beiden Störungen. Gleichwohl kennen wir Einzelfälle, in denen wir eine Entwicklung von ADHS zu einem späteren Borderline bzw. ein späteres hinzutreten von Borderline für eine plausible Erklärung des Symptombildes halten.
Da Borderline mit einer genetischen Disposition auf dem MAO-A-Gen einhergeht, welche zugleich mit Aggressionen und Verhaltensstörungen einhergeht, dürfte Borderline vor allem mit ADHS-HI und kaum mit ADHS-I gemeinsam auftreten. ADHS ähnelt im Verlauf (früher Beginn, überdauernde Verhaltensmuster und mögliche Fortdauer im Erwachsenenalter) einer Persönlichkeitsstörung.185
Es gibt Stimmen, die ADHS-HI (mit Hyperaktivität) und Borderline als ein durch Symptomintensität variiertes Kontinuum betrachten. Hallowell berichtet von einem ADHS-HI-Typ mit Borderlineanklängen.186 Wir sehen ebenfalls eine auffällige Verwandtschaft bis zu einer für Laien starken Verwechselbarkeit, gehen jedoch davon aus, dass die bei Borderline hinzutretende Aggressivität durch Gene vermittelt wird, die für ADHS nicht typisch sind. Wie die korrelierenden Genvarianten zeigen, ist ADHS von einem Defizit von Dopamin und Noradrenalin im dlPFC und Striatum geprägt, während bei Borderline eher ein normaler Dopaminspiegel im PFC und ein Überschuss an Dopamin im Striatum besteht (siehe unten).
Borderline und ADHS haben eine sehr ähnliche Symptomatik, die leicht verwechselt wird, und eine hohe Komorbidität. Etwa 50 % der Borderline-Betroffenen leiden auch an ADHS.
Der bei Borderline beschriebene “innere Druck” (der bis zu selbstverletzendem Verhalten führen kann) ist bei ADHS ebenfalls bekannt.
Abgrenzung der Symptomatik von ADHS und Borderline:187
Die bisherige Annahme, dass ADHS und Borderline sich durch den Zeitpunkt des Auftretens (ADHS früher, Borderline später) unterscheiden, wird zwischenzeitlich in Frage gestellt.183
Der BPFSC-11 scheint gut in der Lage zu sein, Borderline und ADHS zu differenzieren.188
bei ADHS-HI/ADHS-C deutlich stärker als bei Borderline
Hohe Impulsivität bei Borderline soll auf ADHS-HI-Komorbidität hindeuten.
andere Ansicht: hohe aggressive Impulsivität ein Endophänotyp von BPD.192 Dies halten wir für wahrscheinlicher, da DAT 9R, das Gen, das bei Borderline für aggressiv-Impulsives Verhalten in Verdacht steht, nicht mit ADHS assoziiert ist. (siehe unten).
Eine Untersuchung fand bei ADHS und Borderline eine erhöhte selbstberichtete Impulsivität, aber nur bei ADHS eine erhöhte Handlungsimpulsivität193
Borderline: Impulsivität nur auf negative Affekte, ADHS: Impulsivität auch in Bezug auf positive Affekte194
emotionale Dysregulation ist bei Borderline ist noch stärker ausgeprägt als bei ADHS. ADHS-Betroffene haben eine bessere Nutzung von adaptiven kognitiven emotionalen Strategien als Borderlinebetroffene.195 Alle Emotionen werden erheblich intensiver (und in belastender Intensität) wahrgenommen als bei Nichtbetroffenen.180
Auch bei Borderline tritt die Verhaltensdysregulation nicht in neutralen Lebensumständen auf, sondern lediglich in stressbesetzten Momenten.190
Aufmerksamkeitsstörungen
bei ADHS häufig bei zu geringem Arousal (fehlende Aktivierung / Stimulierung)189
bei BPS häufiger bei Spannungsanstieg als dissoziatives Phänomen185
Borderline: keine Aufmerksamkeitsprobleme bei langweiligen Dingen, ADHS: Aufmerksamkeitsprobleme insbesondere bei langweiligen Dingen194
Borderline zeigt häufig eine verlängerte REM-Phase und Albträume (im Schnitt jede 2. Nacht).165 Albträume sind für ADHS untypisch.
Einschlafstörungen, verkürzte Schlafdauer, geringe Schlafeffizienz mit subjektiv weniger erholsamem Schlaf sind bei Borderline häufig,165 ebenso wie bei ADHS.
Einschlafschwierigkeiten bei Borderline sollen sich gut mit Clonidin verbessern lassen.165 Wahrscheinlich könnte auch Guanfacin hilfreich sein.
Eine Untersuchung fand bei ADHS und Borderline eine erhöhte selbstberichtete Impulsivität, aber nur bei ADHS eine erhöhte Handlungsimpulsivität193
Verlangsamung der Reaktionszeit,196 wobei andere Untersuchungen auch verkürzte Reaktionszeiten bei ADHS feststellten
Symptome von Borderline, die für ADHS untypisch sind:
selbstschädigendes / selbstverletzendes Verhalten
Impulsives Verhalten als Reaktion auf intensive negative Gefühle (“negative urgency”)193 ist eines der unterscheidungskräftigsten Symptome, das Borderline kennzeichnet.197
z.B. ritzen (dennoch ist nicht jedes selbstverletzende Verhalten Borderline)
Selbstverletzungen verringern bei Borderline-Betroffenen die nach einem Stresstest sehr hohe subjektive Stressbelastung und objektive Amygdalaaktivität (durch Erhöhung der Konnektivität in frontal-limbischen Gehirnregionen, die die Amygdalaaktivität dämpfen), während sie bei Nichtbetroffenen die (niedrigere) Stressbelastung und objektive Amygdalaaktivität weiter erhöhen.180
Schwarz-weiss denken
Grautöne, ein sowohl-als-auch, vermittelnde Positionen sind schwer wahrnehmbar und schwer erträglich.
In Diskussionen neigen Betroffene dazu, extreme Positionen einzunehmen. Für Gesprächspartner kann sich das so anfühlen, also würde der Betroffene wie von einem Stück Seife herunterrutschen – entweder links oder rechts, aber keine mittlere sowohl-als-auch oder vermittelnde Position einnehmen können.
Bei komorbidem ADHS + Borderline sollen insbesondere stärker ausgeprägt sein:183
Impulsivität (als bei ADHS allein)
Symptome der Regulierung von Merkmalen und Emotionen (als bei Borderline allein)
Bei Kindern und Jugendlichen erhöhen bestimmte Charaktereigenschaften das Risiko einer späteren Borderlinestörung:181
affektive Instabilität
negative Affektivität
negative Emotionalität
unangemessene Wut
schlechte emotionale Kontrolle
Impulsivität
Aggression
Borderline-Betroffene unterscheiden sich von Betroffen anderer Persönlichkeitsstörungen vornehmlich durch eine ausgeprägte histrionische sowie durch häufigere narzisstische, bipolare / zyklothyme oder aggressive Ausprägung. Es besteht eine höhere Labilität in Bezug auf Wut und Angst sowie eine größere Oszillation des Auftretens zwischen Depression und Angst. Das Maß der Intensität der Emotionswahrnehmung ist überraschenderweise nicht höher. Zwanghafte, schizoide und ängstlich-vermeidende Ausprägungen sind dagegen seltener. Diese Ergebnisse sind geschlechtsunabhängig.198
Dopaminerge Substanzen (Stimulanzien) können bei Borderline impulsives und aggressives Verhalten provozieren.192 Dies deutet auf einen Dopaminüberschuss bei Borderline hin, was sich vom Dopamindefizit bei ADHS unterscheidet.
Dies deckt sich mit Untersuchungsergebnissen, nach denen Borderline mit der DAT1-Genvariante 9/9 und 9/10 korreliert, die eine geringere DAT-Expression im Striatum verursachen, sodass aufgrund des geringeren Dopaminabbaus durch DAT mit einem höheren Dopaminspiegel im Striatum zu rechnen ist.199
Eine ADHS-Behandlung mit Stimulanzien ist auch bei komorbidem Borderline möglich194
Die 9-repeat Variante des DAT1 Gens bewirkt einen Dopaminüberschuss im synaptischen Spalt, weil die Dopamintransporter das Dopamin dann nur unzureichend präsynaptisch wiederaufnehmen. DAT 9R ist mit Affektiven Störungen und Borderline assoziiert.200
Borderline korreliert häufiger mit199
DAT1 9/9 (OR = 2,67)
DAT1 9/10 (OR = 3,67)
HTR1A G/G (OR = 2,03)
Das Risiko für Borderline erhöht sich für Träger der Genvariantenkombinationen199
DAT1 9/10 und HTR1A G, G (OR = 6,64)
DAT1 9/9 und C/G (OR = 5,42).
ADHS ist nicht mit DAT1 9R assoziiert, sondern mit DAT1 10/10, die eine erhöhte DAT-Ausprägung im Striatum bewirkt, was mit einem erhöhten Dopaminabtransport und daher mit einem verringerten Dopaminspiegel im Striatum einhergeht. Dies erklärt nun, warum Stimulanzien, die den Dopamin- und Noradrenalinspiegel im PFC und Striatum erhöhen, bei ADHS gut wirken, während sie bei Borderline kontraproduktiv sein können.
5 HTTPLR und 5-HT2c sind zwei weitere Kanditdatengene bei Borderline.201
Borderline-Betroffene verfügen möglicherweise über mehr regionale μ-opioide Rezeptoren in einigen Gehirnregionen und über weniger regionale μ-opioide Rezeptoren in anderen Gehirnregionen. Die emotionale Dysregulation (Traurigkeit) soll mit der Abweichung der μ-opioiden Rezeptoren gegenüber Nichtbetroffenen korrelieren.202
Antipsychotika bewirken bei BPD signifikante, jedoch kleine Verbesserung der kognitiven Wahrnehmungssymptome, der Stimmungslabilität und der globalen Funktionen. Ausgeprägter ist die Wirkung in Bezug auf Wut / Zorn. Sie haben keinen signifikanten Einfluss auf Verhaltensimpulsivität, Depression und Angst.203
Eine Studie an n = 17.532 Patienten mit BPD fand bei unterschiedlichen Behandlungsformen:204
das Risiko einer psychiatrischen Rehospitalisierung
Prävalenz: Lebenszeitprävalenz von 1 bis 3 %,205206 nach anderen Quellen 4,2 % aller Frauen, 3,5 % aller Männer innerhalb eines Jahres.2
Mädchen unter 18 Jahren: Prävalenz 0,96 %, Jungen 0,63 %.140
Olfaktorische Störungen (Störungen des Geruchsempfindens) sind bei ASS und Zwangsstörungen häufig, nicht jedoch bei ADHS.207
Abgrenzung zu ADHS: Aggression bei (rein) ADHS-Betroffenen reaktiv, Verteidigungsmotiv, keine Schädigungsabsicht 112176 Aggressivität entsteht bei ADHS-Betroffenen häufig aus einer Fehleinschätzung der Situationen, wonach sie sich (vermeintlich zu recht) verteidigen. Wir sehen darin einen Zusammenhang zu Rejection Sensitvity als überschiessende Empfindlichkeit auf vermeintliche oder tatsächliche Zurückweisung / Kränkbarkeit. ADHS-Betroffene zeigen also eine reaktive und keine proaktive Aggressivität.177
Gemeinsame Symptome von antisozialer Persönlichkeitsstörung und ADHS:24
Impulsivität (untypisch für ADHS-I)
schnelle Stimmungsschwankungen
ADHS-Symptome, die für antisoziale Persönlichkeitsstörung untypisch sind:
Innere Unruhe (bei atypischer Depression typisch, weniger bei melancholischer Depression)
Konzentrationsprobleme
Aufmerksamkeitsprobleme
Dysphorie bei Inaktivität
hoher Redefluss (Logorrhö, Polyphrasie)
Gedankenjagen, Gedankenkreisen
Symptome von antisozialer Persönlichkeitsstörung, die für ADHS untypisch sind:
Die Lebenszeitprävalenz liegt bei ca. 1 %.60
Mädchen unter 18 Jahren: Prävalenz 0,76 %, Jungen 0,48 %.140
Schizophrenie ist hochgradig erblich (wie ADHS ca. 80 %)209 und entwickelt sich in der Regel erst nach der Jugend. Üblicherweise gehen jedoch Vorstufen aus der Kindheit voraus, die nicht der Schizophrenie selbst ähneln, sondern genetisch Schizophrenie zu indizieren scheinen.210
Die Negativ-Symptome von Schizophrenie beruhen auf Dopaminmangel. Sie ähneln den ADHS-Symptomen.
Die Positiv-Symptome beruhen dagegen auf einer übermäßige subkortikalen präsynaptischen Dopaminübertragung (Dopaminhypothese). Diese wird zwar durch antipsychotische Dopamin-D2-Rezeptor-Antagonisten verringert, bei Schizophrenie scheinen jedoch D2-/D3-Rezeptoren nur sehr gering erhöht und DAT überhaupt nicht verändert zus ein, so dass andere Medikamentierungsansätze sinnvoller sein dürften.211
Der übermäßige subkortikale Dopaminantrieb beruht wahrscheinlich auf Veränderungen der kortikalen Funktion, insbesondere der Verringerung der kortikalen NMDA-Rezeptor-vermittelten Glutamatsignalisierung, die die kortikale Dopamin- und GABA-Funktion beeinträchtigt. Diese kortikalen Veränderungen bewirken vermutlich die kognitiven Beeinträchtigungen und negativen Symptomen der Schizophrenie.209
Auch bei Schizophrenie wird ein Zusammenwirken von genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen als Ursache angenommen. Als Umwelteinflüsse für Schizophrenie wurden emotionale Traumata, sozialer Stress oder halluzinogene Drogen festgestellt. ⇒ Gene + frühkindlicher Stress als Ursache anderer psychischer Störungen
Das bei Schizophrenie (als eines von 50 oder mehr Kandidatengenen) involvierte COMT rs4680 verstärkt den Abbau von Dopamin und Noradrenalin, indem es ein aktiveres und thermisch stabileres COMT-Enzym bildet.212 Dies bewirkt höhere schizotypische Symptome.
Dies lässt sich mit der neuere Dopaminhypothese vereinbaren, nach der die Positivsymptome von Schizophrenie nicht durch einen allgemein erhöhten Dopaminspiegel im frontalen Cortex (und im Nucleus accumbens, einem Teil des Striatums), sondern durch eine erhöhte Aktivität (firing rate) des mesolimbischen Systems verursacht werden, die wiederum durch einen Dopaminmangel im ventralen Tegmentum hervorgerufen oder beeinflusst werden.212
Schizophrenie und Aufmerksamkeit:
Sensibilität für sensorische Stimulation erhöht112
Prävalenz ASS: ca. 0,9 %213
Wieviele ASS-Betroffene auch ADHS-Symptome zeigen, ist offen. Eine Metaanalyse von 23 Artikeln fand für ASS ohne intellektuelle Beeinträchtigung Ergebnisse von 2,6 bis 95,5 %.214 Einzelne Quellen gehen davon aus, dass rund 42 %215 bis 50 %216194 aller ASS-Betroffenen auch an ADHS leiden.
Ein Review kam zu dem Ergebnis, dass ADHS und ASS ein Kontinuum sein könnten.217
Wahrscheinlich haben ADHS und Autismus gemeinsame neurologische/genetische Wurzeln.218
Tiefgreifende Entwicklungsstörung Prävalenz: ca. 0,6 %213
Rett-Syndrom59 Prävalenz: 0,006 % (Ein Betroffener Mensch unter 10000 bis 17000 Menschen)219213
Betrifft nur Mädchen
Symptome des Rett-Syndroms:219
Stereotypien der Hände (washing movements)
teilweises autistisches Verhalten
Demenz
verringertes Kopfwachstum
epileptische Anfälle (späteres Stadium)
Spastiken (späteres Stadium)
Apraxien
Muskelschwund
Bewegungsstörungen im Bereich des Thorax
Sozialverhalten und Spielentwicklung stark gehemmt
Sozialinteresse besteht weiter
ASS wie ADHS zeigen eine Downregulation von Neuroligin-Genen, die bei ASD noch ausgeprägter war.220
.
Differentialdiagnostik zu ADHS:
Kinder mit ASS hatten 15 oder mehr der 30 Symptome (Durchschnitt: 22 = 73 %) der Checklist for Autism Spectrum Disorder symptoms, während Kinder mit ADHS im Durchschnitt 4 Symptome hatten (13,3 %), keines davon 15 oder mehr. ADHS-Symptome waren dagegen bei Kindern mit ASS weit verbreitet.221 ADHS-betroffene Kinder zeigten erhöhte Werte im Social Responsiveness Scale (SRS), die jedoch nicht an die Werte von ASS-Betroffenen heranreichten.222
Unaufmerksamkeit eher aufgrund zu großer Detailorientierung bei ASS (gegenüber einem Übersehen von Details bei ADHS)194
Konzentration bricht bei Störung von Routinen zusammen bei ASS (gegenüber fehlender Routinen und schnellem springen zwischen verschiedenen Dingen bei ADHS)
Unerwartetes wird eher als unangenehme Irritation und Störung der eigenen Struktur gesehen (denn als willkommene Abwechslung bei ADHS)
Routinen aufgrund eigenem Bedürfnis nach Struktur (gegenüber mühsames angewöhnen von Routinen, um Struktur nicht zu sehr zu verlieren bei ADHS)
Hohe Schwierigkeiten in sozialen Situationen aufgrund innerer Unsicherheit, wie sich richtig zu verhalten ist (gegenüber Anecken durch unbedachte Verhaltensweisen bei ADHS)
Schwierigkeiten, soziale Spielregeln zu erfassen (gegenüber Schwierigkeiten, die gut erfassten sozialen Spielregeln einzuhalten bei ADHS)
Hohe Detailverliebtheit sprengt Zeitrahmen für Tätigkeiten (gegenüber Projektabbrüchen aufgrund Interessenwechsel bei ADHS)
Braucht Ordnung für eigene innere Struktur, findet in Unordnung eher Dinge wieder (gegenüber Ordnung aufgrund anderer Prioritäten nicht halten können bei ADHS)
Abweichung vom Plan führt zu Irritation (gegenüber häufiger Abweichungen vom Plan aufgrund eigener Spontanität und Impulsivität)
reduzierte Flexibilität (gegenüber eher gering beeinträchtigter Flexibilität bei ADHS)
Konzentration kann bei längeren und repetitiven Aufgaben aufrecht erhalten werden (gegenüber Schwierigkeiten bei Aufrechterhaltung von Konzentration bei monotonen langweiligen Aufgaben bei ADHS)
Motorische Unruhe eher in unruhigen Situationen zum abreagieren (gegenüber motorischer Unruhe in ruhigen Situationen zum stimulieren bei ADHS)
Motorische Unruhe eher aus Aversion gegen etwas = weglaufen (gegenüber aus Interesse an etwas = hinlaufen bei ADHS)
Lockere Gespräche oder Smalltalk unbeliebt, da eigene Denkstrukturen durchkreuzt werden; zuweilen Kompensation durch strikte Gesprächsführung (bei ADHS nicht vorhanden)
Fehlendes Gefühl für Situation und Stimmung (bei ADHS vorhanden)
Unterbrechen anderer selten (wie ADHS-I, anders als ADHS-HI / ADHS-C)
In einem eher dunklen, völlig reizarmen Raum warten zu müssen ist eine eher angenehme Vorstellung (bei ADHS-HI / ADHS-C sehr unangenehm; bei ADHS-I beides möglich)
Bei ASS scheint die intracorticale Bahnung (Fazilitation) unbeeinträchtigt, während bei ASS mit komorbidem ADHS die intracorticale Bahnung gestört zu sein scheint. Dies könnte einen Biomarker darstellen, um ASS und ADHS zu unterscheiden.224
Bahnung ist neurophysiologisch die Förderung eines Reflexes oder einer Nervenzellen-Aktivität durch das Absenken der Reizschwelle für die Weiterleitung des Aktionspotentials einer Nervenzelle. Bahnung entsteht hauptsächlich bei wiederholter Erregung derselben Nerven-Bahnen oder durch die Summierung unterschwelliger Reize.225
ASS wie ADHS zeigten gegenüber Kontrollen langsamere orientierende Reaktionen auf relativ unerwartete räumliche Zielstimuli, was bei ASS mit höheren Amplituden der Pupillenerweiterung einherging. ADHS zeigte kürzere cue-evozierte Pupillenerweiterungs-Latenzen als ASS und Kontrollen.226
Mehrere Untersuchungen befassten sich mit Unterschieden zwischen ASS und ADHS:
geringeres verbales Verständnis bei ASS als bei ADHS227
schlechtere emotionale Selbstregulation bei ASS229
ASS zeigt wie Legasthenie Defizite in der globalen Bewegungsverarbeitung, anders als ADHS. ASS und Legasthenie zeigen eine signifikant niedrigere Flimmerverschmelzungsfrequenz als gesunde Kontrollen oder ADHS-Probanden.230
ADHS im Vergleich zu ASS:
schlechteres Arbeitsgedächtnis typisch für bei ADHS, weniger für ASS227229
Planungs- und Organisationsprobleme (die maßgeblich durch das Arbeitsgedächtnis bestimmt werden) typisch für ADHS, weniger für ASS229
Inhibitionsprobleme typisch für ADHS, weniger bei ASS229
weniger Punkte im Digit Span bei ADHS als bei ASS227
schlechtere graphomotorische Verarbeitung bei ADHS227
ADHS wie ASS zeigen strukturelle Anomalien im PFC, im Kleinhirn und in den Basalganglien. Betroffene mit komorbider ASS und ADHS zeigten keine signifikanten Unterschiede in den Volumina des PFC, des Kleinhirns oder den Basalganglien. Sie wiesen jedoch signifikant geringere Volumina des linken postzentralen Gyrus auf, jedoch nur Kinder, nicht aber Jugendliche.231
Ein Review verglich die katecholaminerge und cholinerge Neuromodulation bei ASS und ADHS. Die Autoren kanmen zu dem Ergebnis:232
Stimulanzien eine praktikable Behandlungsoption für eine (möglicherweise genetisch definierte) ASS-Subgruppe sein könnten
eine Störung des Kleinhirns (Cerebellum) ist bei ASS viel häufiger als bei ADHS
in beiden Fällen könnte dies eine Noradrenalin- oder Acetylcholin-gesteuerte Behandlungsoption eröffnen
ein Defizit des kortikalen Salienznetzwerks ist in Untergruppen von ASS wie ADHS beträchtlich
Biomarker wie die Augenblinzelrate oder pupillometrische Daten können Wirksamkeit einer gezielten Behandlung eines dem zugrunde liegenden Defizits mittels Dopamin, Noradrenalin oder Acetylcholin vorhersagen, bei ADHS wie bei ASS
ASS sei von hoher Aggression und Risikoverhalten gekennzeichnet. Darüber hinaus sei ASS überdurchschnittlich häufig bei Kindesmissbrauch involviert.233 Aggression und Hochrisikoverhalten sind auch Kennzeichen des ADHS-HI-Subtyps.
Ein Reviewartikel fand bei ADHS ca. verdoppelte, bei ASS ca. halbierte Noradrenalinwerte im Blut, im Vergleich zu Nichtbetroffenen. Der Serotoninblutspiegel war dagegen bei bei ASS um das vierfache erhöht, bei ADHS um mehr als das vierfache verringert.234
2.5.16. Fragiles X – Syndrom (0,22 % (Männer) bis 0,66 % (Frauen))¶
Prävalenz: 1/150 (0,66 %) Frauen, 1/456 (0,22 %) Männern in den USA235
Quelle1117
PDD ist gekennzeichnet durch schwere Defizite im Sozialverhalten und in der Kommunikation, sowie durch repetitive und stereotype Interessen und Verhaltensweisen. Es bestehen häufig Komorbiditäten zu verminderter Intelligenz, ADHS, Aggression und Zwangsstörungen.236
Wilson Disease (Prävalenz: 1 von 30.000 Menschen, 0,0033 %) geht mit überhöhten Kupferspiegeln einher.
Betroffene von Wilson Disease zeigen mit ADHS verwechselbare Symptome.237
Wilson Disease geht mit einem ATP7B-Gendefekt einher und zeigt einen Kupferüberschuss.
Obwohl Dopamin-β-Hydroxylase, die Dopamin zu Noradrenalin umwandelt, hierfür von Kupfer abhängig ist, scheint diese bei Wilsons Disease nicht involviert zu sein.
Als Monoamin-Neurotransmitterstörungen werden genetische Defekte an Transportern oder Defizite an Vorstoffen, Cofaktoren oder Abbauenzymen von Monoaminen (z.B. Dopamin) bezeichnet.238
Symptome eines schweren Dopamindefizits können sein:239
Symptome eines schweren Serotonindefizits können sein:239
Temperaturprobleme
Schwitzen
Dystonie
Um Defizite von Vorstoffen und spezifische spezifische Stoffwechseldefekte aufzuspüren ist die Messung von Pterinen (insbesondere Biopterin und Neopterin) im Urin hilfreich:
Es gibt (selten) Menschen ohne oder mit sehr stark verringerten DAT. Diese zeigen indes weitere Symptome, die nicht ADHS-typisch sind (z.B. frühkindliche Parkinson-Dystonie) und werden daher selten mit ADHS und eher mit Cerebralparese fehldiagnostiziert. Viele Betroffene sterben bereits als Teenager.243 Ein Überschuss an extrazellulärem Dopamin führt durch Aktivierung von präsynaptischen D2-Autorepezptoren zu einer verminderten Produktion von Dopamin (und damit zu einer verringerten Einlagerung von Dopamin in die Vesikel) sowie zu einer Downregulierung oder Desensibilisierung von Dopaminrezeptoren, wodurch ein Mangel an phasischem Dopamin und ein Dopaminwirkmangel entsteht.238
Vorwiegend milieubedingte Verhaltensauffälligkeiten meint beispielsweise mangelnde Zuwendung und Anregung, körperliche und/oder seelische Misshandlung, Medienabusus, intrafamiliäre Koflikte und Geschwisterkonflikten11
Nach unserem Verständnis entspricht diese Beschreibung dem umweltbedingten Ursachenanteil der meisten psychischen Störungen wie ADHS, Depressionen, Angststörungen, Borderline etc., die sämtlich entstehen können, indem umweltbedingte Ursachen, meist Stresserfahrungen in den ersten 6 Lebensjahren, eine bestehende genetische Disposition mittels epigentischer Veränderung dauerhaft manifestieren. Vorwiegend milieubedingte Verhaltensauffälligkeiten sind daher ungeeignet, eine eigenes Störungsbild zu definieren. ⇒ Wie ADHS entsteht: Gene oder Gene + Umwelt ⇒ Gene + frühkindlicher Stress als Ursache anderer psychischer Störungen
Rehder (2006): Anorganische Chemie für Biochemiker, Skriptum zur Vorlesung im 4. Semester für den Studiengang Biochemie/Molekularbiologie an der Universität Hamburg, Seite 27 ↥
Hässler, Irmisch: Biochemische Störungen bei Kindern mit AD(H)S, Seite 88, in Steinhausen (Hrsg.) (2000): Hyperkinetische Störungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, 2. Aufl., Kohlhammer ↥
Dreher: ADHS im Erwachsenenalter (Download 06.01.2020) unter Verweis auf ADDitude. Stategies and Support for ADHD & LD: 3. Your doctor diagnoses your ADHD as Bipolar Mood Disorder (BMD), Seite 5. ↥