ADHS ist durch eine erhöhte Reaktionszeitvarianz in Reaktionstests gekennzeichnet. Die erhöhte Reaktionszeitvarianz unterscheidet ADHS deutlich von anderen psychischen Störungen wie Angst, PTBS, ODD, CD und typischen Entwicklungsstörungen.
Eine langsamere Reaktionszeit und eine größere Standardabweichung der Reaktionszeit können auf eine geringere Dekodiergenauigkeit des Gehirns zurückzuführen sein. Die Reaktionszeitvarianz ist besonders hoch bei ADHS-Betroffenen, die viele commisson errors machen. Zudem korrelieren erhöhte Cortisolausschüttungen mit einer erhöhten Varianz in der Antwortzeit.
ADHS zeigt eine spätere und verringerte Verlangsamung der Reaktionszeit nach Fehlern im Vergleich zu Nichtbetroffenen. Eine erhöhte Reaktionszeit und Reaktionszeitvarianz scheinen zudem mit einer hohen Verfügbarkeit von Dopaminrezeptoren zu korrelieren, was mit einem verringerten Dopaminspiegel einhergeht.
Es gibt Hinweise auf eine kürzere Reaktionszeit bei ADHS, insbesondere bei SCT. In einer Studie konnten die Reaktionszeit auf ein Stop-Signal, der Prozentsatz der fehlgeschlagenen Antwort-Hemmungen und die Standardabweichung der Reaktionszeit bis zum “Go”-Versuch (SDRT) ADHS-Betroffene und Nichtbetroffene erfolgreich unterscheiden. Die Ex-Gauß-Zerlegung der Reaktionszeit-Verteilung zeigte, dass sowohl ein größeres Tau als auch ein größeres Sigma die Ergebnisse für die SDRT beeinflussten. Die traditionellen Maße der hemmenden Kontrolle waren indes gleichwertige, wenn nicht sogar bessere Prädiktoren für den ADHS-Status als die ex-Gaußschen Parameter.
15.1. Reaktionszeitvarianz bei ADHS erhöht¶
ADHS ist gekennzeichnet von einer erhöhten Varianz der Reaktionszeit in Reaktionstests. Die erhöhte Reaktionszeitvariabilität soll insbesondere mit Problemen anhaltender Aufmerksamkeit korrelieren, was jedoch umstritten ist. Eine langsamere Reaktionszeit und eine größere Standardabweichung der Reaktionszeit scheint auch die Folge einer geringeren parieto-okzipitalen multivariaten Dekodiergenauigkeit zu sein, die etwa 240-340 ms nach Beginn der visuellen Suche auftrat.
Offenbar ist die Reaktionszeitvarianz bei der Gruppe von ADHS-Betroffenen, die besonders viele commisson errors (falsch-positive Fehler) machen, besonders hoch. Erhöhte Cortisolantworten auf einen Stressor korrelierten mit einer erhöhte Varianz in der Antwortzeit. Erhöhte Cortisolstressantworten sind beim ADHS-I-Subtyp sehr häufig und für den ADHS-HI-Subtyp untypisch.
Weiter wurde von einer späteren und verringerten Verlangsamung der Reaktionszeiten nach Fehlern als bei Nichtbetroffenen berichtet.
Erhöhte individuelle Reaktionsvarianz ist ein Zeichen von erhöhtem neuralem Rauschen. MPH verbessert dies. Neurales Rauschen wird durch arrhythmische Signale im Cortex repräsentiert, die als “1/f-Rauschen” im EEG messbar sind. Dopaminmangel verschlechtert den Signal-Rauschabstand. ADHS ist von verringerten Dopaminspiegeln im PFC und Striatum gekennzeichnet. Stimulanzien wie z.B. MPH heben den Dopaminspiegel dort an. Ein bis zum optimalen Maß steigender Dopaminspiegel verbessert den Signal-Rauschabstand.
Erhöhte Reaktionszeit und erhöhte Reaktionszeitvariabilität scheinen mit einer hohen Verfügbarkeit von Dopaminrezeptoren („leere Rezeptoren“) zu korrelieren, was mit einem verringerten tonischen Dopaminspiegel einhergeht.
Das Symptom der erhöhten Reaktionszeitvarianz unterscheidet ADHS zudem signifikant gegenüber anderen psychischen Störungen wie
- Angst
- Distress disorders (körperliche Stressstörungen, PTBS)
- Oppositionelles Trotzverhalten (ODD)
-
Störung des Sozialverhaltens (Conduct Disorder, CD)
- typische Entwicklungsstörungen
Wir testen derzeit einen Reaktionstest, um zu erforschen, ob die Reaktionszeitvariabilität zur ADHS-Diagnostik verwendet werden kann. Hier startet der ADxS.org – ADHS-Reaktionstest.
15.2. Reaktionszeitverkürzung bei ADHS?¶
Mehrere Untersuchungen und Berichte deuten auf eine kürzere Reaktionszeit bei ADHS hin. Nach Barkley sei insbesondere bei SCT (Sluggish Cognitive Tempo) die Reaktionszeit durchgehend verringert.
Nach einer anderen Untersuchung unterscheiden sich die Reaktionszeiten von ADHS-Betroffenen und Nichtbetroffenen nicht, jedoch sehr wohl die Sorgfaltsleistung.
Eine weitere Untersuchung von ADHS-Betroffenen wurde festgestellt, dass Träger des DRD4-7R-Gen-Polymorphismus, der einer der Hauptkandidaten für erhöhte Sensibilität und ADHS ist, entgegen aller Erwartung keine schlechteren Reaktionszeiten als Nichtbetroffene hatten, wohl aber Träger anderer DRD4-Polymorphismen. Andere berichten von einer abweichenden audiovisuellen multisensorischen Verarbeitung.
Eine Untersuchung fand eine Korrelation von verlängerten Reaktionszeiten mit ADHS-I.