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1. Motorische Symptome von ADHS

Inhaltsverzeichnis

1. Motorische Symptome von ADHS

Hyperaktivität ist ein häufiges Symptom von ADHS, aber nicht alle ADHS-Betroffenen sind hyperaktiv. Bei Kindern äußert sich Hyperaktivität durch ständiges Zappeln, Aufstehen oder Herumlaufen. Bei Erwachsenen nimmt die Hyperaktivität ab, aber es können immer noch Bewegungsunruhe und bestimmte Verhaltensweisen wie Fingertrommeln und Nägelkauen auftreten. Die motorische Hyperaktivität kann sich im Laufe der Zeit verringern, während innere Unruhe bestehen bleibt oder in nun sichtbarer wird. Es wird diskutiert, ob innere Unruhe ein separates Symptom ist und ob es mit Antriebsproblemen zusammenhängt.

Hyperaktivität und innere Unruhe sind auch Stresssymptome. Stresshormone wie CRH können eine Bewegungsunruhe verursachen. Grobmotorische Probleme wie Ungeschicklichkeit und Koordinationsprobleme sind häufig bei ADHS-HI und ADHS-C. Feinmotorische Probleme wie eine schlechte Handschrift und Schwierigkeiten bei feinmotorischen Aufgaben können ebenfalls auftreten. Es ist unklar, ob feinmotorische Probleme durch ADHS-Medikation verbessert werden können.

Die Daten des ADxS.org-Symptomtests zeigten, dass die motorische Hyperaktivität im Alter abnahm, während innere Unruhe und Aufmerksamkeitsprobleme weiterhin bestehen blieben.

1.1. Hyperaktivität

Motorische Hyperaktivität ist ein sehr häufiges Symptom von ADHS. Hyperaktivität ist jedoch kein zwingendes Symptom von ADHS. Es gibt ADHS-Betroffene, die sehr an ihren Symptomen leiden, die weder als Kind hypermotorisch noch als Erwachsene voll innerer Unruhe waren / sind.

1.1.1. Motorische Hyperaktivität als ADHS-Symptom

Eine motorische Überaktivität ist ein Charakteristikum von ADHS-HI und ADHS-C. Beim Subtyp ADHS-I (überwiegende Aufmerksamkeitsprobleme) ist Hyperaktivität schwächer ausgeprägt.1
Hyperaktivität lässt in der Adoleszenz häufig nach. Die Fachliteratur beschreibt, dass sich Hyperaktivität bei Erwachsenen meist in eine Form ständiger innerer Unruhe umwandele. Dies wird zu diskutieren sein.

Das Zappeln und ständige Bewegen könnte als innere Korrektur der Vigilanz (innere Grundspannung) und des zu niedrigen Dopaminspiegels verstanden werden. Bewegung erhöht den Dopaminspiegel.23 Zappel-Betroffene, die gezwungen werden, stillzusitzen, geben (noch) häufiger falsche Antworten, als wenn sie sich bewegen dürfen.2 Ebenso erhöht Sport vor der Schule (zum ausreagieren der motorischen Unruhe) die Lernerfolge.2

1.1.2. Erscheinungsformen von motorischer Hyperaktivität

  • bei Kleinkindern:
    • ausgedehnte kindliche Trotzphase
    • ggf mit übermäßigen veritablen Wutanfällen
  • bei Kindern:
    • ständiges Zappeln mit Händen und Füßen oder Herumrutschen auf dem Stuhl (DSM IV/5)
    • steht in der Klasse und anderen Situationen, in denen Sitzen bleiben erwartet wird, häufig auf (DSM IV/5)
    • läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist (bei Jugendlichen oder Erwachsenen kann dies auf ein subjektives Unruhegefühl beschränkt bleiben) (DSM IV/5)
    • hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen (DSM IV/5)
    • ist häufig „auf Achse“ oder handelt oftmals, als wäre er/sie „getrieben“ (DSM IV/5)
    • redet häufig übermäßig viel (DSM IV/5; in ICD-10 als Impulsivitätsmerkmal gewertet). Sprechdurchfall ist auch bei manchen Erwachsenen noch festzustellen
  • bei Erwachsenen:
    • Hyperaktivität (äußerlich/körperlich) lässt bei Erwachsenen bis zu 60 % nach4
    • körperliche Unruhe bei Erwachsenen ggf. nur noch in geringerem Maß
      • Fusswippen mit hoher Frequenz (oder Impuls dazu, der bewusst unterdrückt wird)5
      • Fingertrommeln (oder Impuls dazu, der bewusst unterdrückt wird)5
      • Nägel kauen6
      • Lippen beißen
      • Beine verknoten / um Stuhlbein schlingen, um Bewegung zu begrenzen6

1.1.3. Altersbedingtes Nachlassen von motorischer Hyperaktivität

Die Daten des ADxS.org-Symptomtests zeigen folgende Veränderungen in den Altersgruppen:

Altersgruppe motorische Hyperaktivität Innere Unruhe Aufmerksamkeitsprobleme
5- 9 Jahre (n = 9) 0,70 0,80 0,75
10 – 14 Jahre (n = 15) 0,72 0,68 0,83
15 – 19 Jahre (n = 48) 0,45 0,62 0,81
20 – 29 Jahre (n = 373) 0,49 0,70 0,81
30 – 39 Jahre (n = 492) 0,49 0,74 0,83
40 – 49 Jahre (n = 301) 0,46 0,74 0,78
50 – 59 Jahre (n = 158) 0,46 0,72 0,80
60 – 75 Jahre (n = 32) 0,42 0,74 0,72
Männer (n = 630) 0,52 0,73 0,81
Frauen (n = 823) 0,45 0,72 0,80

Stand Juni 2020. Die angegebenen Werte geben die Stärke der Symptome relativ zueinander wieder.
Limitierungen der Aussagekraft:

  • Es sind wenige Datensätze mit Probanden unter 20 Jahren und deutlich zu wenige Datensätze mit Probanden unter 10 Jahren für eine belastbare Aussage vorhanden.
  • Es erfolgte keine Trennung nach ADHS-I und ADHS-HI, sodass das (zufällige) Verhältnis von ADHS-I zur ADHS-HI bei kleinen Gruppengrößen die Daten verzerren kann.
  • Es wurden lediglich die Datensätze ausgewertet, bei denen der Symptomtest Hinweise auf ein bestehendes ADHS fand.
  • Es handelt sich um einen nicht validierten Online-Selbsttest (Screening).

Die Daten stehen in Übereinstimmung mit der These, dass Aufmerksamkeitsprobleme bei Kindern bis 15 Jahren noch nicht vollständig ausgeprägt sind und dass motorische Hyperaktivität im Erwachsenenalter nachlässt. Sie deuten jedoch darauf hin, dass sich Hyperaktivität nicht in Innere Unruhe umwandelt, sondern dass Innere Unruhe auch bei Kindern besteht und sich lediglich weniger stark zurückbildet als Hyperaktivität. Nach der Rückbildung der motorischen Hyperaktivität scheint die Innere Unruhe lediglich besser sichtbar zu werden.

Die innere Unruhe, das stetige Gedankenkreisen (Rumination), könnte man als den “kleinen Bruder” der Hyperaktivität bezeichnen.

Innere Unruhe als eigenständiges Symptom neben Hyperaktivität?

Eine interessante Überlegung ist, ob die nach den Daten möglicherweise bereits bei Kindern bestehende Innere Unruhe aufgrund der Tatsache, dass diese sich anders als Hyperaktivität nicht oder nur wenig zurückzubilden scheint, darauf hinweisen könnte, dass Innere Unruhe ein von Innerer Unruhe / Innerem Getriebensein abzugrenzendes Symptom darstellen könnte.
Vom ursprünglichen (möglichen) Nutzen der Stresssymptome aus gedacht (ursprünglich = bevor die Menschen sesshaft wurden), könnte es hilfreich gewesen sein, wenn Kinder in einer Gefahrensituation eine erhöhte Bewegungsbereitschaft entwickeln, damit sie in Gefahrensituationen zusammen mit der Gruppe besser fliehen können. Erwachsene profitieren von einer Hyperaktivität weniger, denn sie sind es, die die Stressoren bekämpfen müssen. Beim Kampf gegen Stressoren ist ein erhöhter Bewegungsdrang nicht mehr so wichtig wie bei Kindern (die zum Kampf gegen die Stressoren wenig beisteuern können), dagegen tritt in den Vordergrund, alles zu tun, um den Stressor zu bekämpfen und keine Ruhe zu geben, bis die Gefahr bewältigt ist.

Eine Parallele hierzu ist, dass Aufmerksamkeitsprobleme bei Erwachsenen ebenfalls deutlich abnehmen oder sogar ganz remittieren können (wenn auch seltener bzw. schwächer als Hyperaktivität und Impulsivität),7 ohne dass bei diesen ein Wandel in ein anderes Symptombild beschrieben würde. Unsere Daten zeigen jedoch allenfalls nur eine sehr schwache Abnahme von Aufmerksamkeitsproblemen bei Erwachsenen.

Zweifelhaft ist, ob Innere Unruhe / Inneres Getriebensein möglicherweise eher unter eine Überschrift “Antriebsprobleme” passen und dort den Gegenpart zu Antriebslosigkeit darstellen könnte, so wie Ablenkbarkeit (zu leichtes Wechseln des Aufmerksamkeitsfokus) und Taskwechselprobleme / Hyperfokus (erschwertes Wechseln des Aufmerksamkeitsfokus) innerhalb des Überbegriffs “Aufmerksamkeitsprobleme” Gegenparts bilden. Dagegen spricht, dass Antriebslosigkeit stark mit ADHS-I und weniger mit ADHS-HI korreliert, während Ablenkbarkeit und Taskwechselprobleme mit ADHS-HI und ADHS-I gleichermaßen korrelieren.

1.1.4. Hyperaktivität als Stresssymptom

Hyperaktivität, Zappeligkeit ist bei schwerem Stress als typisches Symptom bekannt, ebenso, dass sich bei Stress die Gedanken auf den Stressor konzentrieren (Gedankenkreisen, Rumination).
Stresssymptome sind:

  • Unruhe89
    Innere Unruhe ist ein typisches Symptom für den nahenden Endzustand eines Burnouts.10
  • Rastlosigkeit1112
  • Bewegungsunruhe13

Das Stresshormon CRH, das in der ersten Stufe der HPA-Achse durch den Hypothalamus ausgeschüttet wird, vermittelt unmittelbar einen Bewegungsdrang. Eine erhöhte lokomotorische Aktivität ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.141516139

Symptome, die durch Stresshormone selbst unmittelbar vermittelt werden, können gleichwohl auch ADHS-spezifischen Symptome sein. Chronischer Stress wie ADHS vermitteln ihre Symptome durch Dopamin- und Noradrenalinmangel im Gehirn.

1.2. Grobmotorische Probleme bei ADHS

Grobmotorische und feinmotorische Störungen sollten von motorischer Hyperaktivität getrennt betrachtet werden.

Erscheinungsformen:

  • Ungeschicklichkeit
    • häufig anstoßen/hängen bleiben
  • viele Unfälle (Ungeschick trifft auf Hektik)
    • häufige Verletzungen (insb. ADHS-HI)
    • blaue Flecken
  • Koordinationsprobleme (Dyskoordination)
    • z.B. Rad fahren lernen erst mit 6 Jahren
    • z.B. Schwierigkeiten beim Gleichgewicht halten oder beim Einbeinstand17
  • Schwierigkeiten der Kraftdosierung

Die ersten Daten aus dem ADxS.org-Online-Symptomtest (Stand Oktober 2018) deuten darauf hin, dass grobmotorische Probleme bei ADHS-HI mit Hyperaktivität weitaus häufiger auftreten als beim ADHS-I-Subtyp. Untersuchungen belegen den Zusammenhang zwischen grobmotorischen Problemen und Hyperaktivität/Impulsivität.18

1.3. Feinmotorische Probleme bei ADHS

Grobmotorische und feinmotorische Störungen sollten von motorischer Hyperaktivität getrennt betrachtet werden.

Erscheinungsformen:

  • krakelige Handschrift19
    • überproportional zunehmend bei Diktat unter Zeitdruck20
  • Bilder sauber ausmalen fällt Kindern schwer20
  • Feinmechanik ist schwierig (z.B. glatte Schnitte mit Schere, kleine Schrauben einsetzen)

Feinmotorische Probleme sind bei ADHS-HI wie bei ADHS-I in etwa gleich häufig.19

Interessanterweise scheinen feinmotorische Probleme zwar durchaus häufig zu sein bei ADHS, jedoch berichten uns eher wenige Betroffene, dass die Handschrift unter ADHS-Medikation besser geworden ist.


  1. Diamond (2005): Attention-deficit disorder (attention-deficit/hyperactivity disorder without hyperactivity): A neurobiologically and behaviorally distinct disorder from attention-deficit (with hyperactivity), Development and Psychopathology 17 (2005), 807–825, S. 819

  2. Studie des MIND Institute der Universität California, zitiert nach Winkler in http://web4health.info/de/answers/adhd-menu.htm

  3. http://helga-simchen.info/Thesen-zu-ADS

  4. Barkley, Benton (2010): Das große Handbuch für Erwachsene mit ADHS

  5. Krause, Krause (2014): ADHS im Erwachsenenalter, S. 61

  6. Krause, Krause (2014): ADHS im Erwachsenenalter, S. 61

  7. Mick, Faraone, Biederman (2004): Age-dependent expression of attention-deficit/hyperactivity disorder symptoms, Psychiatr Clin N Am 27 (2004) 215–224

  8. Dr. Rolf Merkle, Diplom-Psychologe: Stress – was versteht man darunter?

  9. Gruber: Fragebögen zur Stressdiagnostik; Fragebogen 1: Streß-Folgen

  10. Prof. Dr. med. Volker Faust: Erschöpfungsdepression; Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln; PSYCHIATRIE HEUTE; Arbeitsgemeinschaft Psychosoziale Gesundheit

  11. Merkle (2013): Stress – was versteht man darunter?

  12. Hebold (2004): Stress und Stressverarbeitung bei Kindern und Jugendlichen, in: Schluchter, Tönjes, Elkins (Hrsg.), Menschenskinder! Zur Lage von Kindern in unserer Gesellschaft. Band zur Vortragsreihe des Humanökologischen Zentrums der BTU Cottbus, Seite 86

  13. Edel, Vollmöller (2006): ADHS bei Erwachsenen, Seite 113

  14. Rensing, Koch, Rippe, Rippe (2006): Mensch im Stress; Psyche, Körper Moleküle, Seite 96, Seite 151

  15. Egle, Joraschky, Lampe, Seiffge-Krenke, Cierpka (2016): Sexueller Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung – Erkennung, Therapie und Prävention der Folgen früher Stresserfahrungen; 4. Aufl., S. 45

  16. Arborelius, Owens, Plotsky, Nemeroff (1999): The role of corticotropin-releasing factor in depression and anxiety disorders. J Endocrinol 1999; 160: 1–12, Seite 5 zitiert nach Egle, Joraschky, Lampe, Seiffge-Krenke, Cierpka (2016): Sexueller Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung – Erkennung, Therapie und Prävention der Folgen früher Stresserfahrungen; 4. Aufl. S. 46

  17. Cook, Kelshaw, Caswell, Iverson (2019): Children with Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder Perform Differently on Pediatric Concussion Assessment. J Pediatr. 2019 Aug 30. pii: S0022-3476(19)30956-4. doi: 10.1016/j.jpeds.2019.07.048.

  18. Jansen, Philipsen, Dalin, Wiesmeier, Maurer (2018): Postural instability in adult ADHD – A pilot study. Gait Posture. 2018 Oct 17;67:284-289. doia: 10.1016/j.gaitpost.2018.10.016.

  19. Mokobane, Pillay, Meyer (2019): Fine motor deficits and attention deficit hyperactivity disorder in primary school children. S Afr J Psychiatr. 2019 Jan 22;25:1232. doi: 10.4102/sajpsychiatry.v25i0.1232. eCollection 2019.

  20. Krause, Krause (2014): ADHS im Erwachsenenalter, S. 85

Diese Seite wurde am 25.07.2023 zuletzt aktualisiert.