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1. Prokrastination – was ist das?
2. Prokrastination bei AD(H)S das häufigste Symptom
3. Prokrastination in der wissenschaftlichen Forschung
Prokrastination korreliert deutlich und konsistent mit den Eigenschaften Impulsivität, task aversiveness, task delay, Selbstwirksamkeit (self-efficacy) und Gewissenhaftigkeit mit ihren Facetten Selbstkontrolle, Ablenkbarkeit, Organisation und Leistungsmotivation. Neurotizismus, Widerstandsgeist und Sensation seeking zeigten dagegen schwache Korrelationen.(1)(2)
Diese Ergebnisse decken sich (mit Ausnahme von Impulsivität) im Wesentlichen mit den Daten des ADxS.org-Online-Symptomtests (Stand Juni 2020, n = 1.889). Diese zeigen eine stärkere Korrelation von Prokrastination (bei AD(H)S) mit internalisierender Stressphänotypik (ADS, 0,33) als mit externalisierender Stressphänotypik (ADHS, 0,13). In Bezug auf die AD(H)S-Einzelsymptome korrelierte Prokrastination vor allem mit Organisationsproblemen (0,64), Antriebs- und Konzentrationsproblemen (je 0,58), Ablenkbarkeit (0,52), Leistungsunfähigkeit (0,49), Zeitproblemen (0,48), Frustrationsintoleranz (0,45), Anhedonie (0,40), Lernschwierigkeiten (0,39), Impulsivität und Ungeduld (je 0,34) und Taskwechselproblemen (0,33).
Andere Quellen beschreiben Prokrastination als Auswirkung einer mangelhaften Selbststeuerungsfähigkeit bei gleichzeitiger Bevorzugung kurzfristiger Belohnungen.(3)
Ohne in ihren Veröffentlichungen das Thema AD(H)S auch nur zu erwähnen, zählen die hier zitierten Autoren etliche AD(H)S-Symptome auf, wie Ablenkbarkeit, Selbststeuerungsprobleme, Organisationsprobleme oder Belohnungsaufschubaversion. Dies alles deutet auf einen starken Zusammenhang zwischen Prokrastination und AD(H)S hin.
Wenn Prokrastination eine Vermeidung unangenehmer Aufgaben darstellt (im Sinne einer Abwertung von deren Relevanz, entsprechend einer Abwertung von entfernteren Belohnungen), ist dies der Ausfluss einer veränderten Motivation und eines verringerten Antriebs. Dies könnte durch Dopaminmangel im Striatum induziert sein.
Prokrastination korreliert negativ mit einer subjektiv positiven Zukunftsperspektive und korreliert positiv mit einer gegenwartsbezogenen hedonistischen und fatalistischen Einstellung.(4) Die negative Einschätzung der Zukunftsperspektive könnte als eigene Ausdrucksform des Symptoms der geringeren Wertschätzung von Genuss oder von entfernterer Belohnung verstanden werden.
Prokrastination korreliert weiterhin negativ mit Achtsamkeit, also gegenwartsorientierter Wahrnehmung.(5). Achtsamkeitsübungen sind eine bei AD(H)S sehr hilfreiche Therapieform, die das subjektive Wohlbefinden steigern, Stress abbauen und den Serotoninspiegel langfristig anheben kann.
Ein weiterer faszinierender Aspekt von Prokrastination ist, dass es ADHS-Betroffenen wesentlich leichter fällt, diejenige Tätigkeit, die sie für sich selbst nicht ausüben können, für einen anderen auszuüben. Dies geht so weit, dass Passig, Lobo als Copingstrategie für Prokrastination empfehlen, dass Betroffene die von Ihnen prokrastinierten Tätigkeiten gegenseitig füreinander erledigen.(6)
Diese auf den ersten Blick sehr verwunderlich erscheinende Vorgehensweise könnte sich nachvollziehbar und schlüssig durch die besondere Affinität von ADHS-Betroffenen zum (dopaminerg gesteuerten) Zugehörigkeitsmotiv erklären.(7)
Zuletzt aktualisiert am 27.12.2020 um 13:32 Uhr