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2. Die 5 dopaminergen Systeme des Gehirns

Inhaltsverzeichnis

2. Die 5 dopaminergen Systeme des Gehirns

Das Gehirn beinhaltet etliche Kommunikationssysteme, mittels derer bestimmte Gehirnareale untereinander Informationen austauschen (ähnlich wie Autobahnen innerhalb des gesamten Straßennetzes) und die jeweils bestimmte Neurotransmitter nutzen.
Fünf dieser Kommunikationssysteme basieren auf einem Informationsaustausch mittels Dopamin (dopaminerge Pfade):1

  • mesolimbisches System (2.2.)
  • mesokortikales System (2.3.)
  • mesostriatales (nigrostriatales) System (2.4.)
  • tuberoinfundibuläres System (2.5.)
  • inzertohypothalamisches System (2.6.)

Daneben besteht noch das dopaminerge System der Retina, über das helles Tageslicht die Dopaminsynthese in der Retina steuert (2.7.1.), was wiederum den circadianen Rhythmus beeinflusst, sowie dopaminerge Zellen im Riechkopben (2.7.2.).

Einige Stimmen bezweifeln die funktionelle Unterscheidung zwischen mesokortikolimbischem und nigrostriatalem Weg,2 z.B. aufgrund von Hinweisen auf eine Steuerung von Belohnung und Aversion durch die Substantia Nigra pars compacta, was darauf hindeutet, dass diese Struktur eine Rolle bei der Belohnung spielt, obwohl sie nicht Teil des mesokortikolimbischen Systems ist, das als Verstärkungssystem verstanden wird.3

Innerhalb der verschiedenen Dopaminsysteme kodieren Dopaminspiegeländerung in einzelnen Gehirnregionen unterschiedliche Verhaltensweisen.
Beispielsweise findet sich bei Ratten, die durch ein Labyrinth laufen, ein stetiger Anstieg des Dopaminspiegels im Striatum, der sein Maximum am Ausgang des Labyrinths hatte.4 Möglicherweise kodiert dies die Zeitabschätzung bis zur erwarteten Belohnung.
Ein hoher Dopaminspiegel in der (beidseitigen) Insula reduziert dagegen die Bereitschaft, Anstrengungen zu unternehmen, um Belohnungen zu erhalten. Der Insula wird die Funktion zugeschrieben, die Kosten einer Anstrengung zu bewerten.5

2.1. Dopaminneuronen im Gehirn

Dopaminneuronen können durch Feststellung ihrer Tyrosinhydroxylase-Immunreaktivität identifiziert werden:6

  • Mäuse: 21.000 bis 30.000 TH-positive Neuronen
  • Ratten: 45.000 TH-positive Neuronen
  • Primaten: 160.000 bis 320.000 TH-immunreaktive Neuronen
  • menschliches Mittelhirn: 400.000 bis 600.000 TH-positive Neuronen (Dopaminneuronen)7
    • knapp 600.000 bei Vierzigjährigen
    • rund 350.000 bei Sechzigjährigen

Die meisten dopaminergen Neurone sind Projektionsneurone, deren lange und weitverzweigte Fortsätzen mehr als hunderttausend Synapsen ausbilden und dadurch zeitgleich ganze Zellgruppen in vielen unterschiedlichen Hirnregionen beeinflussen können. Daher haben sie sehr starken Einfluss auf neuronale Prozesse und Verhalten.7 Humane Dopamin-Neuronen der Substantia nigra sollen über eine Million Synapsen bilden und eine Axon-Gesamtlänge von mehr als 4 m haben können8 und dementsprechend mehrere Jahr benötigen, um auszuwachsen. Dementsprechend bewirken Gehirnentwicklungsstörungen häufig Störungen im dopaminergen System.7

Dopaminerge Nervenzellen finden sich:9

  • im ventralen Mittelhirn (überwiegend), daneben auch im ventralen Diencephalon
    • 90 % aller dopaminergen Zellen7
    • Substantia nigra, A9
      • Pars reticulata
      • Pars compacta (enthält mehr als 70 % aller Dopaminneuronen)7
    • VTA, A10
    • Nucleus retrorubricus, A8
  • im Telencephalon
    • insgesamt nur wenige tausend DA-Neuronen je Hemisphäre7
    • in der glomerulären Schicht des Riechkolbens, A16
    • in der amakrinen Zellpopulation der Netzhaut, A17
  • im Zwischenhirn
    –> Hemmung der Prolaktin-Produktion
    • hypothalamischer Nucleus arcuatus, A12
    • subparafaszikulärer Thalamuskern, A11
      –> Innervation des superioren Olivary-Komplex und des inferioren Colliculus im Hirnstamm, A13 (Regulation der auditorische Verarbeitung)
  • im Mittelhirn
    • in der rostralen Hälfte des periaquäduktalen Grau (Substantia grisea periaquaeductalis, zentrales Höhlengrau) des Mittelhirns findet sich bei Primaten eine sehr kleine dopaminerge Zellgruppe, die Aaq genannt wird7

Die Spezifizierung, Differenzierung und Reifung dopaminerger Neuronen im ventralen Mittelhirn ist ein komplexer Prozess, beeinflusst durch verschiedene Mechanismen, wie:9

  • Neurulation
  • Proliferation
  • Differenzierung von Vorläuferzellen
  • Migration
  • Bildung von Synapsen
  • Bildung neuronaler Schaltkreisen

Diese Mechanismen, die an der Steuerung der dopaminergen Funktionen beteiligt sind, werden durch externe Signale gesteuert, wie

  • Morphogene
  • Wachstumsfaktoren
  • Aktivierung spezifischer Genkaskaden
  • Aktivierung zellulärer Interaktionen

2.2. Das mesolimbische System

Teil des dopaminergen Fokussierungs-, Verstärkungs- und Motivationssystems (zuweilen auch Mesencephales dopaminerges System oder mesolimbokortikales System genannt; weiterer Teil: das mesokortikale System).1011
Das mesolimbische, das mesokortikale und das nigrostriatale Dopaminsystem besteht aus dopaminergen Neuronen mit sehr langen Axonen, die weit entfernt liegende Regionen des Gehirns adressieren.12

Das mesolimbische Dopaminsystem umfasst dopaminerge Neuronen im ventralen Tegmentum (VTA) des Mittelhirns, in denen Dopamin gebildet wird, das projiziert wird zum:1314

  • Nucleus accumbens im ventralen Striatum
  • Hippocampus (Teil des limbischen Systems)
  • Amygdala (Teil des limbischen Systems)
  • Septum

Das limbische System steuert das emotionale Erleben, dessen Ausdruck (Lust / Unlust) und die Belohnungsverarbeitung.
Dopaminmangel im oder Verletzungen des Nucleus accumbens bewirken eine verringerte Fähigkeit zum Belohnungsaufschub.15
Dopamin steuert im mesolimbischen System motorische Verhaltensabläufe im Kontext von Belohnung (Annäherung an begehrte Dinge) und Reaktion auf neuartige Reize.16

Fehlfunktionen des mesolimbischen Systems:

  • bei ADHS:
    • Probleme der Verstärkungsmechanismen17
    • Belohnungs-Aufschub-Aversion (Abwertung späterer Belohnung)13
    • Verzögerungsaversion, Ungeduld17
    • Frustrationstoleranz verringert13
    • Hyperaktivität, insbesondere in neuen Situationen1718
    • Impulsivität1718
    • Störungen der Verhaltensinhibition/Verhaltensunterdrückung17
    • wechselhaftes Verhalten17
    • Störung der Daueraufmerksamkeit17
  • bei Schizophrenie aufgrund Dopaminüberschuss:
    • akustische Halluzinationen (Positivsymptom)19
    • Denkstörungen (Positivsymptom)20

Aktivierung durch21

  • zentrale Stimulanzien
    • Nikotin
    • Apomorphin
    • Amphetamine
    • Kokain
  • gemischt inhibierend-stimulierende bzw. euphorisierende Substanzen
    • Alkohol
    • Cannabis
    • Opioide

2.3. Das mesokortikale System

Zweiter Teil des dopaminergen Fokussierungs-, Verstärkungs- und Motivationssystems (zuweilen auch Mesencephales dopaminerges System genannt; erster Teil: das mesolimbische System).11

Das mesolimbische, das mesokortikale und das nigrostriatale Dopaminsystem besteht aus dopaminergen Neuronen mit sehr langen Axonen, die weit entfernt liegende Regionen des Gehirns adressieren.12
Es umfasst Verbindungen vom VTA im Brodmann-Areal 10 des Mittelhirnes, in dem Dopamin gebildet wird, zum221113

  • PFC
    • bei ADHS die wichtigste mesokortikale Gehirnregion
  • orbitofrontalen Cortex (OFC)
  • ventralen Gyrus cinguli

wo die Dopaminfreisetzung erfolgt.

Fehlfunktionen des mesokortikalen Systems:

  • Bei ADHS:
    • Unteraktivierung des frontalen Systems (Dopaminmangel im PFC)13
    • Einschränkungen der Exekutivfunktionen1713
      • Schlechte Verhaltensplanung
    • Aufmerksamkeitsstörungen13
      • gestörte Orientierungsreaktionen17
      • gestörte Blickfolgebewegungen17
      • verringerte zielgerichtete Aufmerksamkeit17
    • kognitive Defizite18
  • bei Schizophrenie durch Dopaminmangel hier:
    • Aufmerksamkeitsstörungen (Positivsymptom)23
    • Affektverflachung (Negativsymptom)23
    • Alogie (Denkstörung mit Sprachverarmung, Spracharmut und verlängerter Antwortzeit)23
    • Apathie = Teilnahmslosigkeit, mangelnde Erregbarkeit (nicht sexuell)23
    • Anhedonie24
      Anhedonie (Genussunfähigkeit, verringerte Freudeempfindung) ist auch bei ADHS häufig.

Dopaminmangel im mesokortikalen System führt zu Dopaminüberschuss im nigrostriatalen System, was weitere Hyperaktivität und Impulsprobleme verursacht.25

Aktivierung durch11

  • zentrale Stimulanzien
    • Nikotin
    • Apomorphin
    • Amphetamine
    • Kokain
  • gemischt inhibierend-stimulierende bzw. euphorisierende Substanzen
    • Alkohol
    • Cannabis
    • Opioide

Nur das ADHS-Symptom der mangelnden Inhibition der exekutiven Funktionen wird dopaminerg durch die Basalganglien (Striatum, Putamen) verursacht, während die mangelnde Inhibition der Emotionsregulierung noradrenerg durch den Hippocampus verursacht wird.26 Daher dürfte ersteres einer dopaminergen Behandlung besser zugänglich sein, während Emotionsregulierung und Affektkontrolle besser noradrenerg zu behandeln sein dürften. Dies deckt sich mit unserer Erfahrung, dass Atomoxetin die emotionale Dysregulation bei ADHS besser optimiert als Stimulanzien.

Mesokortikale DA-Neuronen haben im Vergleich zu mesolimbischen oder nigrostriatalen Dopamin-Neuronen

  • höhere tonische Feuerrate272829
    • mesopräfrontale Dopamin-Neuronen hatten mittlere Entladungsraten von 9,3 Spikes/s und intensive Burst-Aktivität
    • mesocinguläre Dopamin-Neuronen 5,9 Spikes/s und intensive Burst-Aktivität
    • mesopiriforme Dopamin-Neuronen 4,3 Spikes/s und mäßige Burst-Aktivität
    • nigrostriatale Dopamin-Neuronen 3,1 Spikes/s und mäßige Burst-Aktivität
  • häufigeres Burst Firing302829
  • höhere Dopaminumsatzrate (2 bis 4-fach)312829
  • eine stark verringerte Ansprechbarkeit auf DA-Agonisten und -Antagonisten2829
  • eine fehlende Toleranz gegenüber der Wirkung von chronisch verabreichten DA-Antagonisten2829
  • eine selektive Aktivierung durch Stress32, z.B. Fußschocks28
  • verringerte Entwicklung von durch Depolarisation induzierter Inaktivität auf chronische Antipsychotika-Gabe29
  • Dopaminsynthese
    • keine Dopaminsynthese32
    • Synthese hängt in Mittelhirn-DA-Neuronen ohne Autorezeptoren (Mesopräfrontal und Mesocingular) stärker von der Verfügbarkeit des Prodrugs Tyrosin ab, als bei Neuronen mit Autorezeptoren29
  • D2-Autorezeptoren
    • keine D2-Autorezeptoren32
    • viel weniger oder keine D2-Autorezeptoren auf DA-Neuronen, die in PFC und ACC projizieren29

2.4. Das nigrostriatale System

Es umfasst dopaminerge Nervenzellen in der Substantia nigra pars compacta, die in die Basalganglien / in das dorsale Striatum (Nucleus caudatus, Putamen) projizieren,13 und ist hauptsächlich mit der motorischen Kontrolle33 und der Auswahl von Aktionen verbunden.34
Bei ADHS ist das dorsale Striatum die wichtigste nigrostriatale Gehirnregion.
Das mesolimbische, das mesokortikale und das nigrostriatale Dopaminsystem besteht aus dopaminergen Neuronen mit sehr langen Axonen, die weit entfernt liegende Regionen des Gehirns adressieren.12 Humane Dopamin-Neuronen der Substantia nigra könnten mehr als eine Million Synapsen bilden und eine axonale Gesamtlänge von mehr als 4 m haben.8

Die dopaminergen Neurone der Substantia Nigra pars compacta „überfluten“ mit ihrem dichten Netzwerk die Zielregionen im dorsalen Striatum mit Dopamin.7 Im Striatum bilden dopaminerge Fasern alle 4 μm en passant Synapsen. Bei einer Halbwertszeit von etwa 75ms kann Dopamin bis zu 12 μm von seiner Freisetzungsstelle entfernt diffundieren.35

Fehlfunktionen des nigrostriatalen Systems:

  • Bei ADHS:
    • Hyperaktivität
      • aufgrund dopaminerger Überaktivität im nigrostriatalen System, verursacht durch ein Dopamindefizit im mesokortikalen Dopaminsystem, das Aufmerksamkeitsprobleme vermittelt3613
      • anderer Ansicht: Hyperaktivität eher Symptom von Defiziten des mesolimbischen Systems37
    • Impulsivität
      • aufgrund dopaminerger Überaktivität im nigrostriatalen System, verursacht durch ein Dopamindefizit im mesokortikalen Dopaminsystem, das Aufmerksamkeitsprobleme vermittelt36
      • anderer Ansicht: Hyperaktivität eher Symptom von Defiziten des mesolimbischen Systems37
    • Störungen der Bewegungsmodulation / der Feinmotorik17
    • Beeinträchtigtes nondeklaratives (impliziten) Lernen17
    • Gedächtnisprobleme17
    • Probleme der Verhaltensinhibition17
    • kognitive Defizite18
  • Bei Chorea Huntington:
    • Hyperkinetische Bewegungsstörungen38
  • Ticstörungen38
  • Bei Parkinson durch Dopaminmangel oder bei Blockade von Dopaminrezeptoren durch Antipsychotika in diesem Bereich:
    • Tremor
    • Rigor (Muskelstarre, Muskelsteifheit)
    • Hypokinese (Bewegungsarmut; Verlangsamung der Bewegungen, eingeschränkte Mimik)
    • Akinese

2.5. Das tuberoinfundibuläre System

Das tuberoinfundibuläre Dopaminsystem umfasst Verbindungen vom Nucleus arcuatus und Hypothalamus zum Hypophysenvorderlappen.39
Anders als die Dopaminaufnahme im mPFC, Nucleus accumbens und Nucleus Caudatus / Putamen, die dort mit der Menge der vorhandenen Dopaminrezeptoren korreliert, ist die Dopaminaufnahme des neuroendokrinen tuberoinfundibulären Dopaminsystems geringer und langsamer und entspricht jener der Amygdala.40
Das tuberoinfundibuläre System und das inzertohypothalamische Dopaminsystem haben mittellange Axone.41

2.5.1. Dopamin und Prolaktin

Dopamin hemmt die Ausschüttung von Prolaktin.

  • Dopaminmangel, z.B. durch blockierte Dopaminrezeptoren im tuberoinfundibulären System, erhöht folglich die Prolaktin-Ausschüttung aus der Hypophyse, der 2. Stufe der HPA-Achse.
  • Prolaktin hat einen circadianen Rhythmus
    • maximale Spiegel während des non-REM-Schlafs
    • großer Einfluss auf den Schlaf. (70 bis 80 % der ADHS-Betroffenen leiden an Schlafstörungen.)
  • Prolaktin ist ein Regulator der emotionalen Stressreaktion. Bei akuten und chronischen physischen und psychischen Stresssituationen42 und bei Angst43 ist Prolaktin deutlich erhöht.
  • Umgekehrt löst ein hoher Prolaktinwert emotionale Instabilität und Angstwahrnehmung aus.
  • Prolaktin wird auch beim Orgasmus ausgeschüttet.
  • Prolaktin erhöht das Risiko von Brustkrebs.42

Erhöhte Prolaktinwerte (z.B. aufgrund von Dopaminmangel) bewirken:42

  • Depressive Verstimmung / Depressionen
  • Antriebsarmut
  • allgemeine Müdigkeit
  • Erschöpfungszustände
  • Konzentrationsstörungen
  • Schlafstörungen
  • Stimmungsschwankungen
  • Angstzustände
  • Panikattacken
  • Unruhe
  • Nervosität
  • Reizbarkeit
  • Schmerzempfindlichkeit
  • soziale Fähigkeiten eingeschränkt
  • Novelty Seeking / Sensation Seeking verringert
  • Wesensveränderungen

Zusammen mit den Symptomen des Dopaminmangels im mesokortikalen System (Anhedonie = leichte Depression, Antriebsarmut) und des daraus folgenden Dopaminüberschusses im nigrostriatalen System (Hyperaktivität, Impulskontrollstörungen) deckt diese Aufzählung nahezu die gesamten typischen ADHS-Symptome ab.
Dies erklärt mit, wieso die den Dopaminhaushalt regulierenden Stimulanzien die ADHS-Symptome so hervorragend behandeln können.

Sonstige Wirkung von Prolaktin:

Beeinflussung der Homöostase:44

  • Regulation der humoralen und zellulären Immunantwort sowie bei Autoimmunerkrankungen (Immunmodulation)
  • erhöht den Wassertransport durch die Brustzellmembran, Natriumresorption im Dünndarm.
  • Förderung der Gefäßneubildung

Beeinflussung des zentralen Nervensystems:44

  • Aktivierung dopaminerger Zellen
    • dadurch Selbstregulationskreis
  • Stimulation des Appetits
  • anxiolytisch (angstlösend)
  • Stress reduzierend
  • Regulation der Oxytocin produzierenden Nervenzellen
  • Stimulation der Myelinisierung im Gehirn

2.6. Das inzertohypothalamische System

Im inzertohypothalamischen Dopaminsystem finden sich die dopaminergen Neuronen im Hypothalamus in den katecholaminergen Arealen A13 und A14. Diese senden ihre dopaminergen Signale an die Hypothalamuskerne (PVN) und den medialen präoptischen Bereich. Das inzertohypothalamische Dopaminsystem steuert verschiedene Funktionen wie Ernährung, Erektionsfähigkeit und Sexualverhalten.45
Das tuberoinfundibuläre System und das inzertohypothalamische Dopaminsystem haben mittellange Axone.41

Eine systemische Gabe von Dopamin-Agonisten durch Mikroinjektion in den paraventrikulären Nukleus des Hypothalamus (PVN) bewirkt bei männlichen Ratten mittels Dopamin-D2-Rezeptor-Aktivierung eine Peniserektion. Bei Mikroinjektion in den medialen präoptischen Bereich erleichtern sie das Kopulationsverhalten. Es handelt sich um eine Aktivierung des inzertohypothalamischen dopaminergen Systems, dessen Neuronen ihren Ursprung in den katecholaminergen Zellgruppen A13 und A14 des Hypothalamus haben.45

2.7. Weitere dopaminerge Zellen

2.7.1. Retina (A17)

Dopaminerge Zellen in der amakrinen Zellpopulation der Netzhaut, A17, bilden sehr kurze, lokale Axone und verbinden nur die inneren und die äußeren plexiformen Schichten der Retina.46

Eine hohe Dopaminausschüttung in der Netzhaut stellt das Sehen auf Tageslicht (photopisch, Zapfen-Sehen) ein, während eine niedrige Ausschüttung das Sehen auf Nachtlicht (skotopisch, Stäbchen-Sehen) einstellt.47 Dopamin reduziert über den D1-Rezeptor die Horizontalzell-Kopplung, indem Connexine durch Proteinkinase A phosphoryliert werden und dadurch die Pore geschlossen wird.7
Möglicherweise erklärt dies die erhöhte Lichtempfindlichkeit bei ADHS-Betroffenen, da ADHS mit einem verringertem Dopaminspiegel einhergeht,

Helles Tageslicht steuert die Dopaminsynthese in der Retina und beeinflusst so den circadianen Rhythmus.

2.7.2. Riechkolben (A16)

Die periglomerulären Dopaminzellen des Bulbus olfactorius verbinden Mitralzelldendriten in naheliegenden benachbarten Glomeruli miteinander. Auch hier sind die Axone sehr kurz.46


  1. Rensing, Koch, Rippe, Rippe (2006): Der Mensch im Stress; Psyche, Körper, Moleküle, Kapitel 4: neurobiologische Grundlagen von Stressreaktionen, Seite 89

  2. Koevoet D, Deschamps PKH, Kenemans JL (2023): Catecholaminergic and cholinergic neuromodulation in autism spectrum disorder: A comparison to attention-deficit hyperactivity disorder. Front Neurosci. 2023 Jan 6;16:1078586. doi: 10.3389/fnins.2022.1078586. PMID: 36685234; PMCID: PMC9853424. REVIEW

  3. Ilango A, Kesner AJ, Keller KL, Stuber GD, Bonci A, Ikemoto S (2014): Similar roles of substantia nigra and ventral tegmental dopamine neurons in reward and aversion. J Neurosci. 2014 Jan 15;34(3):817-22. doi: 10.1523/JNEUROSCI.1703-13.2014. PMID: 24431440; PMCID: PMC3891961.

  4. Howe, Tierney, Sandberg, Phillips, Graybiel (2013): Prolonged Dopamine Signalling in Striatum Signals Proximity and Value of Distant Rewards; Nature. 2013 Aug 29; 500(7464): 575–579. doi: 10.1038/nature12475; PMCID: PMC3927840; NIHMSID: NIHMS507218

  5. Treadway, Buckholtz, Cowan, Woodward, Li, Ansari, Baldwin, Schwartzman, Kessler, Zald (2012): Dopaminergic Mechanisms of Individual Differences in Human Effort-Based Decision-Making; Journal of Neuroscience 2 May 2012, 32 (18) 6170-6176; DOI: http://dx.doi.org/10.1523/JNEUROSCI.6459-11.2012

  6. Baik (2020): Stress and the dopaminergic reward system. Exp Mol Med. 2020 Dec;52(12):1879-1890. doi: 10.1038/s12276-020-00532-4. PMID: 33257725; PMCID: PMC8080624. REVIEW

  7. Rillich (2019): Das dopaminerge System im Gehirn des Menschen: molekulare Grundlagen, Anatomie, Physiologie und Pathologie

  8. Pissadaki EK, Bolam JP (2013): The energy cost of action potential propagation in dopamine neurons: clues to susceptibility in Parkinson’s disease. Front Comput Neurosci. 2013 Mar 18;7:13. doi: 10.3389/fncom.2013.00013. PMID: 23515615; PMCID: PMC3600574.

  9. Speranza L, di Porzio U, Viggiano D, de Donato A, Volpicelli F (2021): Dopamine: The Neuromodulator of Long-Term Synaptic Plasticity, Reward and Movement Control. Cells. 2021 Mar 26;10(4):735. doi: 10.3390/cells10040735. PMID: 33810328; PMCID: PMC8066851. REVIEW

  10. Genro JP, Kieling C, Rohde LA, Hutz MH (2010): Attention-deficit/hyperactivity disorder and the dopaminergic hypotheses. Expert Rev Neurother. 2010 Apr;10(4):587-601. doi: 10.1586/ern.10.17. PMID: 20367210. REVIEW

  11. Edel, Vollmoeller (2006): ADHS bei Erwachsenen, Seite 110

  12. Iversen L, Iversen F, Bloom S, Roth R (2009): Introduction to Neuropsychopharmacology, S. 211

  13. Müller, Candrian, Kropotov (2011): ADHS – Neurodiagnostik in der Praxis, Seite 83

  14. Gatzke-Kopp, Beauchaine (2007): Central nervous system substrates of impulsivity: Implications for the development of attention-deficit/hyperactivity disorder and conduct disorder. In: Coch, Dawson, Fischer ( Eds): Human behavior, learning, and the developing brain: Atypical development. New York: Guilford Press; 2007. pp. 239–263; 246

  15. Cardinal, Pennicott, Sugathapala, Robbins, Everitt (2001): Impulsive choice induced in rats by lesions of the nucleus accumbens core. Science; (10.1126/science.1060818).

  16. Rensing, Koch, Rippe, Rippe (2006): Der Mensch im Stress; Psyche, Körper, Moleküle, Kapitel 4: neurobiologische Grundlagen von Stressreaktionen, Seite 90

  17. Sagvolden, Johansen, Aase, Russell (2005): A dynamic developmental theory of attention-deficit/hyperactivity disorder (ADHD) predominantly hyperactive/impulsive and combined subtypes. Behav Brain Sci. 2005 Jun;28(3):397-419; discussion 419-68.

  18. Gatzke-Kopp, Beauchaine (2007): Central nervous system substrates of impulsivity: Implications for the development of attention-deficit/hyperactivity disorder and conduct disorder. In: Coch, Dawson, Fischer ( Eds): Human behavior, learning, and the developing brain: Atypical development. New York: Guilford Press; 2007. pp. 239–263; 253

  19. Stahl (2000): Essential Psychopharmacology, Neuroscientific Basis and Practical Applications. Second Edition, Cambridge University Press; zitiert nach Franck (2003): Hyperaktivität und Schizophrenie – eine explorative Studie; Dissertation, Seite 66

  20. Stahl (2000): Essential Psychopharmacology, Neuroscientific Basis and Practical Applications. Second Edition, Cambridge University Press, zitiert nach Franck (2003): Hyperaktivität und Schizophrenie – eine explorative Studie; Dissertation, Seite 66

  21. Edel, Vollmoeller (2006): ADHS bei Erwachsenen, Seite 110, mwN

  22. Le Moal, Simon (1991): Mesocorticolimbic dopaminergic network: functional and regulatory roles; Physiological Reviews. 1 January 1991 Vol. 71 no. 1, 155-234 DOI:

  23. Franck (2003): Hyperaktivität und Schizophrenie – eine explorative Studie; Dissertation, Seite 66

  24. Franck (2003): Hyperaktivität und Schizophrenie – eine explorative Studie; Dissertation, Seite 66

  25. Castellanos (1997): Toward a pathophysiology of attention-deficit hyperactivity disorder. Clin. Pediatr. 36, 381-393

  26. Müller, Candrian, Kropotov (2011): ADHS – Neurodiagnostik in der Praxis, Seite 85

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  30. White FJ, Wang RY (1983): Comparison of the effects of chronic haloperidol treatment on A9 and A10 dopamine neurons in the rat. Life Sci. 1983 Feb 28;32(9):983-93. doi: 10.1016/0024-3205(83)90929-3. PMID: 6827927.

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