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13. Depression als dopaminerge Störung

Inhaltsverzeichnis

13. Depression als dopaminerge Störung

Als Ursache von Depressionen wird vorrangig eine Störung des Noradrenalin- und Serotoninstoffwechsels im Gehirn angenommen.
Daneben deuten Studien darauf hin, dass ebenso Störungen des Dopaminsystems (wie sie auch bei ADHS bestehen) Depressionssymptome verursachen können. Vieles deutet auf die Beteiligung des Belohnungssystems (insbesondere des mesolimbischen dopaminergen Systems) an Anhedonie, Dysthymie und Amotivation bei Depression hin.123456

Die mit Depression korrelierende Hyperaktivität im subgenualen cingulären Gyrus (Brodman-Areal 25 des PFC) wird von wirksamer Depressions-Behandlung verringert.7
Das Brodman-Areal 25 ist extrem reich an Serotonin-Transportern und wirkt als Schaltstelle für ein ausgedehntes Netzwerk, das Traurigkeit reguliert. Dieses beinhaltet

  • Hypothalamus und Hirnstamm
    • beeinflussen Veränderungen des Appetits und des Schlafs
  • Amygdala und Insula
    • beeinflussen Stimmung und Angst
    • Amygdala reagiert bei Depressionen hyperaktiv auf (insbesondere negativ) emotional aufgeladene Reize.
  • Hippocampus
    • wichtige Rolle in der Gedächtnisbildung
  • einige Teile des frontalen Kortex
    • die für das Selbstwertgefühl verantwortlich sind

Einer akuten Aktivierung des Dopamin-Systems durch Amphetamin oder Stressoren folgt eine Depression der dopaminergen Neuronenfeuerung. Sind es chronische Stressoren, die enden, bleibt der depressionsähnliche Zustand über einen längeren Zeitraum bestehen.
Tiermodelle für Depressionen verwenden chronisch unkontrollierbare oder unvorhersehbare Stressoren, die Hilflosigkeit auslösen. Die Dauer der Stressoren korreliert mit Ausmaß und Dauer des darauffolgenden depressiven Zustands sowie, parallel hierzu, mit einem längeren Rückgang der Aktivität der Dopamin-Neuronen im medialen VTA (um ca. 50 %). Das medialen VTA projiziert insbesondere in den (belohnungsrelevanten) ventromedialen Nucleus accumbens. Dieser Rückgang der phasischen Dopamin-Feuerung ließ sich vollständig beheben durch eine Inaktivierung des infralimbischen PFC oder der basolateralen Amygdala, deren Hyperaktivität die phasische Aktivität dopaminerger Neuronen hemmt. Die Aktivierung des infralimbischen präfrontalen Kortex (ilPFC) kann die tonische Aktivität von Dopamin-Neuronen über die basolaterale Amygdala stark verringern.
Die Inaktivierung des ilPFC erhöht die phasische Dopamin-Neuronenaktivität über das ventrale Subiculum des Hippocampus.
Möglicherweise wird die, im Depressions-Tiermodell durch chronische milde Stressoren verursachte, verringerte phasische dopaminerge Aktivität der DA-Neuronen durch eine Hyperaktivität im ilPFC verursacht, was zu einer Übersteuerung der Amygdala und über das ventrale Pallidum zu einer Abnahme der Anzahl der im medialen (belohnungsrelevanten) VTA feuernden Dopamin-Neuronen führt.1

Nicht alle Individuen sind gleichermaßen depressionsanfällig.8 Eine Studie selektierte Mäuse nach Depressionsanfälligkeit auf soziale Niederlagen. Drepressionsanfällige Mäuse zeigten eine Hyperaktivität der Dopamin-Neuronen9 ex vivo10 wie in vivo.11 Diese Depressionsanfälligkeit kann durch Bursts in DA-Neuronen reproduziert werden.12
Wird die DA-Neuronen-Hyperaktivität normalisiert, legen sich die Depressionssymptome, so wie bei wirksamer Verringerung der Depressionssymptome durch Antidepressiva sich die DA-Neuronen-Hyperaktivität normalisiert.11
Depressionsresilienz könnte von der homöostatischen Plastizität der intrinsischen Leitfähigkeit in VTA-Neuronen abhängen, die in den NAc projizieren.9 Eine völlige Unterdrückung der DA-Neuronen-Aktivität bei forciertem Schwimmen und beim Saccharose-Präferenztest bewirkte einen depressionsähnlichen Phänotyp.13

Normalerweise aktiviert das ventrale Subiculum des Hippocampus (Hippocampus-vSub) den Nucleus accumbens, was das ventrale Pallidum hemmt, was die tonische dopaminerge Aktivität des VTA steigert und die Reaktion auf afferenten Antrieb erhöht.
Eine Aktivierung des ilPFC hemmt indirekt das Hippocampus-vSub und aktiviert gleichzeitig die basolaterale Amygdala, die wiederum das ventrale Pallidum aktiviert, was im Ergebnis die Aktivität der tonischen Dopamin-Neuronenpopulation verringert. Eine Aktivierung des ilPFC hemmt somit die Reaktion des Dopamin-Systems auf phasische Ereignisse über die Aktivierung der basolateralen Amygdala.
Eine Hemmung des ilPFC hebt demgegenüber die tonische Hemmung des Hippocampus-vSub auf, was die Projektionen zum Nucleus accumbens erhöht und dadurch das ventralen Pallidum hemmt, wodurch die tonische dopaminerge Aktivität erhöht wird. Eine Hemmung des ilPFC erhöht demnach die Reaktionsfähigkeit des Dopaminsystems über die Enthemmung des vSub des Hippocampus erhöht.1

Eine Förderung phasischer Dopaminaktivität durch sehr niedrige extrazelluläre Dopaminspiegel dürfte nicht durch “normal niedrige” tonische Dopaminfeuerung entstehen. Erst ein abnorm niedriger tonischer extrazellulärer Dopaminspiegel (wie bei ADHS vermutet) führt zu einer Hochregulierung der Autorezeptoren, sodass auf Reize stimulierend ausgelöstes phasisches Dopamin verstärkt wird.14

Medikamente, die den Dopaminumsatz im Gehirn reduzieren, wie z.B. Neuroleptika oder Reserpin, können depressive Episoden auslösen.15
Umgekehrt zeigt der Dopaminagonist Bromocriptin in einigen Studien antidepressive Eigenschaften.16
Ebenso zeigte sich in einer Studie an (allerdings nur 5) Depressiven eine positive Wirkung von einer augmentierenden (ergänzend zu SSRI) Gabe von Methylphenidat, das bekanntlich durch Wiederaufnahmehemmung und DAT-Efflux den Dopamin- und Noradrenalinspiegel anhebt.17

Dass Anhedonie der Dysphorie ähnlicher ist als den Symptomen einer mittleren oder schweren Depression, könnte als Hinweis darauf verstanden werden, dass die ADHS-typische Dysphorie (bei Inaktivität) originär durch den ADHS-typischen Dopaminmangel (vorrangig im Striatum) verursacht wird. Dies würde auch erklären, warum eine Stimulanzienbehandlung (insbesondere durch Amphetaminmedikamente) die Dysphorie positiv beeinflussen kann. Zudem tritt Anhedonie auch als originäres ADHS-Symptom auf.
Chronischer Stress korreliert mit einer Dopaminverarmung im Gehirn und ist mit dopaminerg wirksamen Substanzen therapierbar. Mehr hierzu unter Veränderung des dopaminergen Systems durch chronischen Stress im Beitrag ADHS als chronifizierte Stressregulationsstörung im Kapitel Stress.


  1. Grace AA (2016): Dysregulation of the dopamine system in the pathophysiology of schizophrenia and depression. Nat Rev Neurosci. 2016 Aug;17(8):524-32. doi: 10.1038/nrn.2016.57. PMID: 27256556; PMCID: PMC5166560. REVIEW

  2. Di Nicola, De Risio, Battaglia, Camardese, Tedeschi, Mazza, Martinotti, Pozzi, Niolu, Di Giannantonio, Siracusano, Janiri (2013): Reduced hedonic capacity in euthymic bipolar subjects: a trait-like feature? J Affect Disord. 2013 May;147(1-3):446-50. doi: 10.1016/j.jad.2012.10.004.

  3. Berton, Hahn, Thase (2012): Are we getting closer to valid translational models for major depression? Science. 2012 Oct 5;338(6103):75-9. doi: 10.1126/science.1222940.

  4. Nestler, Carlezon (2006): The mesolimbic dopamine reward circuit in depression. Biol Psychiatry. 2006 Jun 15;59(12):1151-9.

  5. Wanke (2003): Impulsivität und dopaminerge resp. serotonerge Reagibilität. Ein Vergleich der Impulsivitätskonzepte von Cloninger und Zuckerman. Dissertation; S. 58

  6. Loas (1996): Vulnerability to depression: a model centered on anhedonia. J Affect Disord. 1996 Nov 4;41(1):39-53.

  7. Mayberg HS, Lozano AM, Voon V, McNeely HE, Seminowicz D, Hamani C, Schwalb JM, Kennedy SH (2005): Deep brain stimulation for treatment-resistant depression. Neuron. 2005 Mar 3;45(5):651-60. doi: 10.1016/j.neuron.2005.02.014. PMID: 15748841.

  8. Marinelli M, McCutcheon JE (2014): Heterogeneity of dopamine neuron activity across traits and states. Neuroscience. 2014 Dec 12;282:176-97. doi: 10.1016/j.neuroscience.2014.07.034. PMID: 25084048; PMCID: PMC4312268. REVIEW

  9. Friedman AK, Walsh JJ, Juarez B, Ku SM, Chaudhury D, Wang J, Li X, Dietz DM, Pan N, Vialou VF, Neve RL, Yue Z, Han MH (2010): Enhancing depression mechanisms in midbrain dopamine neurons achieves homeostatic resilience. Science. 2014 Apr 18;344(6181):313-9. doi: 10.1126/science.1249240. PMID: 24744379; PMCID: PMC4334447.

  10. Krishnan V, Han MH, Graham DL, Berton O, Renthal W, Russo SJ, Laplant Q, Graham A, Lutter M, Lagace DC, Ghose S, Reister R, Tannous P, Green TA, Neve RL, Chakravarty S, Kumar A, Eisch AJ, Self DW, Lee FS, Tamminga CA, Cooper DC, Gershenfeld HK, Nestler EJ (2007): Molecular adaptations underlying susceptibility and resistance to social defeat in brain reward regions. Cell. 2007 Oct 19;131(2):391-404. doi: 10.1016/j.cell.2007.09.018. PMID: 17956738.

  11. Cao JL, Covington HE 3rd, Friedman AK, Wilkinson MB, Walsh JJ, Cooper DC, Nestler EJ, Han MH (2010): Mesolimbic dopamine neurons in the brain reward circuit mediate susceptibility to social defeat and antidepressant action. J Neurosci. 2010 Dec 8;30(49):16453-8. doi: 10.1523/JNEUROSCI.3177-10.2010. PMID: 21147984; PMCID: PMC3061337.

  12. Chaudhury D, Walsh JJ, Friedman AK, Juarez B, Ku SM, Koo JW, Ferguson D, Tsai HC, Pomeranz L, Christoffel DJ, Nectow AR, Ekstrand M, Domingos A, Mazei-Robison MS, Mouzon E, Lobo MK, Neve RL, Friedman JM, Russo SJ, Deisseroth K, Nestler EJ, Han MH (2012): Rapid regulation of depression-related behaviours by control of midbrain dopamine neurons. Nature. 2013 Jan 24;493(7433):532-6. doi: 10.1038/nature11713. PMID: 23235832; PMCID: PMC3554860.

  13. Tye KM, Mirzabekov JJ, Warden MR, Ferenczi EA, Tsai HC, Finkelstein J, Kim SY, Adhikari A, Thompson KR, Andalman AS, Gunaydin LA, Witten IB, Deisseroth K (2013): Dopamine neurons modulate neural encoding and expression of depression-related behaviour. Nature. 2013 Jan 24;493(7433):537-541. doi: 10.1038/nature11740. PMID: 23235822; PMCID: PMC4160519.

  14. Sikström S, Söderlund G (2007): Stimulus-dependent dopamine release in attention-deficit/hyperactivity disorder. Psychol Rev. 2007 Oct;114(4):1047-75. doi: 10.1037/0033-295X.114.4.1047. PMID: 17907872.

  15. Swerdlow, Koob (1987): Dopamine, schizophrenia, mania, and depression: Toward a unified hypothesis of cortico-striato-pallido-thalamic function. Behavioral and Brain Sciences, 10(2), 197-245. http://dx.doi.org/10.1017/S0140525X00047488 unter Verweis auf Alarcon & de Carney, 1969

  16. Zacharko, Anisman (1991): Stressor-induced anhedonia in the mesocorticolimbic system. Neuroscience and behavioral Reviews, 15: 391-405. mit weiteren Nachweisen

  17. Stoll, Pillay, Diamond, Workum, Cole (1996): Methylphenidate augmentation of serotonin selective reuptake inhibitors: a case series. J Clin Psychiatry. 1996 Feb;57(2):72-6.

Diese Seite wurde am 04.10.2023 zuletzt aktualisiert.