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Antriebsprobleme bei ADHS - Neurophysiologische Korrelate

Inhaltsverzeichnis

Antriebsprobleme bei ADHS - Neurophysiologische Korrelate

Antrieb ist die Fähigkeit und den Willen zur zielgerichteten Aktivität. Antriebsstörungen können sich als Hemmung (z.B. Depression) oder unruhiger Getriebenheit (z.B. ADHS) zeigen.
Motivation ist demgegenüber ein aktueller Prozess, der durch die Anregung eines Motivs ausgelöst wird. Ein Motiv ist eine überdauernde Eigenschaft einer Person. Motivation ist somit ein Zustand einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt, d.h. in einer bestimmten Situation.

Antriebsprobleme sind neurologisch vornehmlich mit dem Striatum, dem Verstärkungszentrum des Gehirns, verbunden.

1. Anhedonie Folge von Dopamin(wirk)mangel

Anhedonie ist eine gestörte Fähigkeit zum positiven emotionalen Erleben, der Verlust der Fähigkeit, Freude zu empfinden, in Situationen, die früher Freude bereitet haben.

Ein verringerter Dopaminspiegel im mesocorticolimbischen System und im Nucleus accumbens korreliert mit Anhedonie.1

Bei vielen psychischen Problemen, bei denen der Antrieb verringert ist, genussvolle Dinge zu erlangen, ist der PFC übererregt. Im übererregten (von erhöhten Dopamin- und Noradrenalinspiegeln gekennzeichneten) Zustand signalisiert er dem Nucleus accumbens im Striatum, dass eine weitere Anstrengung nicht lohnenswert ist. Daraufhin fährt der Nucleus accumbens seine dopaminerge Aktivität herunter – mit der Folge, dass Belohnungen nicht mehr so reizvoll erscheinen. Wird die Übererregung des PFC beendet, ist der Nucleus accumbens wieder für Anregungen offen und kann die Motivation, Dinge, die Genuss versprechen, anzustreben, wieder aktivieren. Zusammengefasst verringert viel Dopamin im (m)PFC den Dopaminspiegel im Striatum.2345

Ein auch für Laien wunderbar verständlich geschriebener Artikel bei Heise erläutert dieses Zusammenwirken eines übererregten PFC und eines unteraktivierten Nucleus accumbens (Teil des Striatum) in Bezug auf Anhedonie und Motivationsprobleme.6

Umgekehrt bewirkt eine verringerte Aktivität von Dopamintransportern (die das Ergebnis einer Downregulations aufgrund eines erhöhten Dopaminspiegel darstellen, aber auch aus anderen Gründen entstehen kann) eine erhöhte Motivation, wie sie bei bipolaren Störungen in manischen Phasen bekannt ist.7
Die Ergebnisse über die Anzahl der DAT bei ADHS sind uneinheitlich (siehe oben).

2. Reward-Discounting durch Dopamin(wirk)mangel und Hypoaktivität im Striatum

Erwachsene mit ADHS zeigten während einer Verzögerungs-Diskontierungs-Aufgabe unter fMRT in einer Reihe von Gehirnregionen (unter anderem im dorsolateralen PFC, im vorderen Gyrus frontalis, im ACC, im Nucleus caudatus und im Kleinhirn (Cerebellum) eine geringere Aktivierung. Zugleich war das Ausmaß, in dem Betroffene verzögerte Belohnungen diskontiert (abwertet), mit einer verringerten Aktivierung des Kleinhirns verbunden. Im Ergebnis war damit das Striatum unteraktiviert in Bezug auf Belohnungsantizipierung und der dorsolaterale PFC und der orbitofrontale Cortex überaktiviert in Bezug auf Belohnungsentgegennahme.8

Das Verstärkungszentrum des Gehirns sitzt im Nucleus accumbens, einem Teil des Striatums, das Teil der Basalganglien ist. Eine verringerte Anzahl von Dopamin D2 und D3 – Rezeptoren im Belohnungszentrum des Gehirns bei ADHS-Betroffenen führt dazu, dass weniger Dinge (be)lohnend, also ausreichend spannend gefunden werden, als bei Nichtbetroffenen.9 Bei Kindern mit ADHS zeigt sich eine abgeflachte dopaminerge mesolimbische Reaktivität auf Anreize / bei der Erwartung von Belohnung im ventralen Striatum.1011 Die Schwere der ADHS-Symptomatik korrelierte mit einer Hypoaktivierung des rechten Nucleus accumbens während der Erwartung von Belohnung.12

Das Maß der Motivationsproblematik (wie auch das Maß der Unaufmerksamkeit) bei ADHS korrelierte mit einer verringerten Anzahl an D2- und D3-Dopaminrezeptoren im Striatum. Weitere veränderte Persönlichkeitsparameter bei ADHS korrelierten dagegen nicht mit der Anzahl der D2- und D3-Rezeptoren.139

3. GABA-Mangel verringert Antrieb für langfristige Ziele

Eine GABA-Mangel im PFC und Hippocampus scheint mit Antriebsproblemen in Bezug auf langfristige Belohnungen zu korrelieren, wobei der GABA-Mangel dabei nicht mit Anhedonie oder Verhaltensdepression verbunden ist. Mäuse mit verringertem GABA-Spiegel im Hippocampus und Cortex (insb. mPFC) zeigten eine Reihe von anstrengungsbedingten Verhaltensdefiziten, die nicht durch Anhedonie oder Verhaltensverzweiflung erklärbar waren. Dopamin im vorderen cingulären Kortex (ACC) ist in die Bewertung der Aufwandskosten für die Durchführung von Handlungen involviert. Die corticale GABA-Reduktion scheint durch ein Defizit der ACC-Dopaminfreisetzung vornehmlich das auf Anstrengung basierende Verhalten zu beeinträchtigen, das viel Anstrengung mit wenig Nutzen erfordert und nicht durch ein belohnungsorientiertes Verhalten ausgelöst wird.14
GAD67 ist ein Enzym, das Glutamat zu GABA umwandelt und durch die Gene GAD1 und GAD2 gesteuert wird. Eine corticale GAD67-Reduktion mit gleichzeitiger Abnahme des GABA-Spiegels wird häufig bei Schizophrenie und Depressionen beobachtet.


  1. Rodrigues, Leão, Carvalho, Almeida, Sousa (2010): Potential programming of dopaminergic circuits by early life stress. Psychopharmacology (Berl). 2011 Mar;214(1):107-20. doi: 10.1007/s00213-010-2085-3.

  2. Ferenczi, Zalocusky, Liston, Grosenick, Warden, Amatya, Katovich, Mehta, Patenaude, Ramakrishnan, Kalanithi, Etkin, Knutson, Glover, Deisseroth (2016): Prefrontal cortical regulation of brainwide circuit dynamics and reward-related behavior. Science. 2016 Jan 1;351(6268):aac9698. doi: 10.1126/science.aac9698

  3. Heinz (2000): Das dopaminerge Verstärkungssystem, Seite 10

  4. Kolachana, Saunders, Weinberger (1995): Augmentation of prefrontal cortical monoaminergic activity inhibits dopamine release in the caudate nucleus: an in vivo neurochemical assessment in the rhesus monkey. Neuroscience. 1995 Dec;69(3):859-68.

  5. Louilot, Le Moal, Simon (1989): Opposite influences of dopaminergic pathways to the prefrontal cortex or the septum on the dopaminergic transmission in the nucleus accumbens. An in vivo voltammetric study. Neuroscience. 1989;29(1):45-56.

  6. Lehmann (2016): Warum nicht einfach aufgeben? Heise.de

  7. Milienne-Petiot, Kesby, Graves, van Enkhuizen, Semenova, Minassian, Markou, Geyer, Young (2016): The effects of reduced dopamine transporter function and chronic lithium on motivation, probabilistic learning, and neurochemistry in mice: Modeling bipolar mania; Neuropharmacology. 2016 Oct 11;113(Pt A):260-270. doi: 10.1016/j.neuropharm.2016.07.030

  8. Ortiz, Parsons, Whelan, Brennan, Agan, O’Connell, Bramham, Garavan (2015): Decreased frontal, striatal and cerebellar activation in adults with ADHD during an adaptive delay discounting task. Acta Neurobiol Exp (Wars). 2015;75(3):326-38. n = 21

  9. Friedmann (2014): A Natural Fix for A.D.H.D.; New York Times Online

  10. Scheres, Milham, Knutson, Castellanos (2007): Ventral striatal hyporesponsiveness during reward anticipation in attention-deficit/hyperactivity disorder. Biol Psychiatry. 2007 Mar 1;61(5):720-4. doi: 10.1016/j.biopsych.2006.04.042. PMID: 16950228.

  11. Durston, Tottenham, Thomas, Davidson, Eigsti, Yang, Ulug, Casey (2003): Differential patterns of striatal activation in young children with and without ADHD. Biol Psychiatry. 2003 May 15;53(10):871-8. doi: 10.1016/s0006-3223(02)01904-2. PMID: 12742674.

  12. Akkermans, van Rooij, Naaijen, Forde, Boecker-Schlier, Openneer, Dietrich, Hoekstra, Buitelaar (2019): Neural reward processing in paediatric Tourette syndrome and/or attention-deficit/hyperactivity disorder. Psychiatry Res Neuroimaging. 2019 Aug 14;292:13-22. doi: 10.1016/j.pscychresns.2019.08.004.

  13. Volkow, Wang, Newcorn, Kollins, Wigal, Telang, Fowler, Goldstein, Klein, Logan, Wong, Swanson (2011): Motivation deficit in ADHD is associated with dysfunction of the dopamine reward pathway; Mol Psychiatry. 2011 Nov;16(11):1147-54. doi: 10.1038/mp.2010.97.

  14. Kolata, Nakao, Jeevakumar, Farmer-Alroth, Fujita, Bartley, Jiang, Rompala, Sorge, Jimenez, Martinowich, Mateo, Hashimoto, Dobrunz, Nakazawa (2018): Neuropsychiatric Phenotypes Produced by GABA Reduction in Mouse Cortex and Hippocampus. Neuropsychopharmacology. 2018 May;43(6):1445-1456. doi: 10.1038/npp.2017.296.