1. Womit Impulsivität korreliert¶
Impulsivität korreliert mit:
- eher externalisierenden als internalisierenden psychischen Problemen
- geringerem Schlaf an Wochenenden
- einer geringeren Affinität zu Essen nach der Mittelmeerdiät
- Benutzung von technischen Geräten über mehr als 3 Stunden/Tag
- Geburt via Kaiserschnitt
- Geburtsgewicht von mehr als 2,5 kg
- nicht gestillt
- Sport an mehr als 3 Tagen / Woche (geringe Korrelation)
- Tendenz zu riskantem Verhalten
Bis auf die Geburtsumstände und das Stillen dürften die Korrelationen nach unserem Verständnis eher Folgen als Ursachen der Impulsivität sein.
Kausale Verbindungen könnten hinsichtlich der Zeitwahrnehmung und dem Reward discounting betehen.
- Schnellere subjektive Zeitwahrnehmung
Eine Hypothese erklärt Impulsivitätssymptome von ADHS mit interindividuellen Unterschieden in der Zeitwahrnehmung der ADHS-Betroffenen. ADHS-Betroffene haben demnach eine durchgängig abweichende innere Uhr. Die Geschwindigkeit kognitiver Funktionen, die auf zeitlicher Verarbeitung beruhen, sei erhöht. Dadurch vergeht für Menschen mit ADHS die Zeit subjektiv schneller als für Nichtbetroffene, sodass die reale Zeit als „schleppend“ empfunden wird. Diese Störung der subjektiven Zeitwahrnehmung könnte das verstärkte Vermeiden von Verzögerungen, die stärkere Wahrnehmung von Langeweile, das unangenehme Empfinden von Wartezeiten und die Abwertung entfernter Belohnungen erklären. Die Zeitschätzung von Kindern mit ADHS war noch schlechter, wenn diese eine besonders hohe Impulsivität hatten.
Wir halten dies für eine Fehlinterpretation. Vergeht die Zeit subjektiv schneller, müsste die entfernte Belohnung im Vergleich zu Nichtbetroffenen relativ wertvoller werden, da die Belohnung subjektiv früher eintritt.
Auch aus der Suchtforschung wird eine Korrelation zwischen Impulsivität und einer Abwertung entfernterer Belohnungen berichtet, die auf eine veränderte Zeitwahrnehmung zurückgeführt wird.
- Abwertung entfernterer Belohnungen
Eine schnellere subjektive Zeit bei ADHS führt zwangsläufig zu einer zusätzlichen Verringerung des subjektiven Werts von verzögerten Belohnungen, da sich der wahrgenommene zeitliche Abstand zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Zeitpunkten vergrößert.
Es besteht jedoch offenbar eine direktere Verbindung zwischen der Abwertung entfernterer Belohnungen und Impulsivität. Impulsivität und Delay Aversion scheinen mit Zeitabschätzungsproblemen (timing skills) zu korrelieren.FEHLER_UNBEKANNTE_FUSSNOTE: Die subjektive Zeitwahrnehmung kann experimentell durch hyperbolische Verzögerungsdiskontierungsverfahren bewertet werden, um den Einfluss der Zeitwahrnehmung auf die Entscheidungsfindung zu modellieren. Die hyperbolische Verzögerungsdiskontierung beschreibt die (von ADHS bekannte) Tendenz, kleinere sofortige Belohnungen größeren, aber verzögerten Belohnungen vorzuziehen. Diese Methode geht damit von einer unmittelbaren Verknüpfung zwischen der Abwertung entfernterer Belohnungen und Impulsivität aus.
Auch aus der Suchtforschung wird eine Korrelation zwischen Impulsivität und einer Abwertung entfernterer Belohnungen berichtet, die auf eine veränderte Zeitwahrnehmung zurückgeführt wird.
2. Neurophysiologische Korrelate der Impulsivität¶
Impulsivität ist mit Aktivität in einem Netzwerk aus orbitofrontalem Cortex (OFC) → Striatum → Thalamus assoziiert.
2.1. Neurophysiologische Korrelate¶
Atomoxetin wirkte bei Nagetieren stärker auf die Handlungsimpulsivität als auf die Wahlimpulsivität, was als Hinweis darauf verstanden wurde, das es sich um neurophysiologisch verschiedene Konstrukte handelt.
2.1.1. Neurophysiologische Korrelate von Impulsivität allgemein¶
Impulsivität korreliert mit höherer Aktivität in folgenden Gehirnregionen:
-
ventrale Amygdala (beidseitig)
- parahippocampaler Gyrus
- linkes dorsales anteriores Cingulum (Brodmann Areal 32)
-
Nucleus caudatus (beidseitig)
Impulsivität korreliert mit niedrigerer Aktivität in folgenden Gehirnregionen:
-
dorsale Amygdala
-
ventraler PFC (Brodmann Areal 47)
- Cingulum
- rechter medialer frontaler Gyrus
- rechter präzentraler Gyrus
- rechter frontaler Pol
Impulshemmung (Inhibition) korreliert neurologisch mit
- erhöhte Aktivität im orbitomedialen PFC (omPFC)
- verringerte dopaminerge Anregung des omPFC
- verringert die Fähigkeit zur Impulsivitätshemmung.
- erhöhte Aktivität im rechten (anterioren lateralen) obitofrontalen Cortex (OFC) bzw. dorsolateralen PFC.
- rechter mittlerer frontaler Gyrus und rechter inferiorer frontaler Gyrus:
- verringerte Aktivierung im rechten PFC Kinder mit ADHS-I
- tendenziell verstärkte Aktivierung bei Kindern mit ADHS-C
-
Gyrus temporalis und des supplementär-motorisches Areal:
- Aktivierung beeinträchtigt bei Kindern mit ADHS-I und ADHS-C
Eine Untersuchung fand keinen Hinweis auf Abweichungen bei neurokognitiven Prozessen, wie sie durch das Diffusionsentscheidungsmodell (DDM) abgebildet werden oder bei Go/No-Go-Leistungen bei ADHS. Die Reaktionen auf fehlgeschlagene Inhibition in mit der Fehlerüberwachung assoziierten Hirnregionen korrelierte jedoch eng mit einer effizienteren Aufgabenausführung, Externalisierungsverhalten und ADHS-Symptomen. Diese Studie sät damit Zweifel, ob die Go-/No-go-Aufgabenaktivierung wirklich die neuronale Basis der Inhibition widerspiegelt und fand Hinweise darauf, dass fehlerbezogene Kontraste bessere Informationen liefern.
Eine FMRI-BOLD-Studie anhand eines Continuous Performance Tasks mit visueller und auditiver Ablenkung fand bei Kindern mit ADHS:
- eine verringerte hemmende Aktivität in den audiovisuellen Assoziationszonen
- eine Überaktivierung der motorischen Bereiche
- eine Kleinhirnaktivierung, die versuchte, die Reaktionen der verschiedenen Bereiche zu modulieren
was in der Summe zu einem exekutiven Versagen führte.
2.1.2. Neurophysiologische Korrelate von Handlungsimpulsivität¶
Neurophysiologisch werden Inhibitionsprobleme wird durch einen Schaltkreis moduliert, bestehend aus:
- prä-supplementäres motorisches Areal (preSMA)
- rechter inferiorer frontaler Gyrus (rIFG)
-
Striatum
- subthalamischer Nukleus (STN) umfasst.
Handlungsimpulsivität und Wahlimpulsivität werden moderiert von den Genen für:
Motorische Impulsivität korreliert mit
- überhöhter glutamaterger Aktivität in
- kortikostriatalen Bahnen
- zerebrozerebellären Bahnen
2.1.3. Neurophysiologische Korrelate von Wahlimpulsivität¶
Wahlimpulsivität (Choice Impulsivity, Delay Disounting) wird durch einen Gehirnschaltkreis moduliert, bestehend aus:
- ventromedialer präfrontaler Kortex (vmPFC)
-
posteriorer cingulärer Kortex (pCC)
-
Nucleus accumbens (NAc)
Wahlimpulsivität korreliert mit
- verringerter glutamaterger Aktivität in
-
frontalen kortikalen Bereichen
-
Hippocampus
- überhöhter glutamaterger Aktivität im
Handlungsimpulsivität und Wahlimpulsivität werden moderiert von den Genen für:
- D4R
-
DAT
- COMT
- Ein COMT-Inhibitor erhöhte (bei Gesunden) die Wahl entfernterer Belohnungen. Dies führt zu Beeinträchtigungen des Striatums. Da COMT Dopamin im PFC abbaut, lässt dies auf eine Korrelation von verringertem Dopaminspiegel im PFC und Abwertung entfernter Belohnungen schließen.
- α2AR
Bei SHR fand sich anhand von elektrophysiologischen in-vivo-Aufzeichnungen eine neuronale Codierung des Diskontierungsverhaltens im präfrontalen und orbitofrontalen Kortex bei vorhandenen Belohnungen:
-
OFC-Neuronen
- wurden unabhängig vom Wert der Belohnung aktiviert
- wiesen signifikant höhere neuronale Entladungsraten auf
- die belohnungsvorhersagenden OFC-Neuronen
- kodierten bei Kontrolltieren den Wert der Belohnungen
- wurden bei SHR nach Erhalt eines kleinen unmittelbaren Verstärkers stark aktiviert
-
mPFC-Neuronen
- bei großen Belohnungen: ähnlich aktiv wie bei Kontrollen
- bei kleineren Belohnungen: höhere Entladungsraten als bei Kontrollen
- keine Reaktion auf den Wert der Belohnungen
Delay Discounting bei ADHS korrelierte mit:
- signifikanter Anstieg der Konzentration von sauerstoffhaltigem Hämoglobin (Oxy-Hb) bilateral im frontalen Pol und im dlPFC
- Aktivität des linken PFC
2.1.4. Neurophysiologische Korrelate von affektiver Impulsivität¶
Affektive Impulsivität sind impulsive Verhaltensweisen, die durch starke emotionale Reaktionen bestimmt werden. Eine Form der affektiven Impulsivität ist eine Ungeduld, bei der eine Person überstürzt handelt, während sie eine sehr negative oder sehr positive Emotion erlebt.
Affektive Impulsivität korreliert mit
- überhöhter glutamaterger Aktivität in
- kortikostriatalen Bahnen
- zerebrozerebellären Bahnen
- limbischem System
2.2. Überexprimierung des ATXN7-Gens¶
Hyperaktivität und Impulsivität wird auch durch eine Überexprimierung des Atxn7-Gens im PFC und Striatum verursacht. Atomoxetin konnte in diesem Fall die Hyperaktivität und Impulsivität beheben.
2.3. Verringerte HTR7-Gen-Expression¶
Das Htr7-Gen, das Serotonin (5-Hydroxy-Tryptamin)-Rezeptoren des Typs 7 exprimiert, vermittelt Selbstkontrollverhalten:
Eine deutliche Zunahme der Htr7-Expression fand sich (hauptsächlich im Nucleus accumbens) bei erwachsenen Ratten, die in der Jugend MPH erhalten hatten. Dies korrelierte mit einer deutlichen Verringerung der basalen Verhaltens-Impulsivität.
Ein selektiver Htr7-Antagonist verhinderte die Verringerung der Impulsivität durch MPH und steigerte die Impulsivität, wenn er ohne vorherige MPH-Gabe gegeben wurde.
Der gemischte Htr(1a/7)-Agonist, 8-OH-DPAT, reduzierte impulsives Verhalten bei jugendlichen Ratten und bei naiven Erwachsenen, deren Impulsivität durch den Htr7-Antagonisten verstärkt wurde.
2.4. Amygdala¶
Die Konnektivität der Gehirnnetzwerke ist lokal um die Amygdala erhöht und zum anterioren Cingulum und posterioren Cingulum im Cortex verringert. Das Übergewicht der Verbindungen um die Amygdala gegenüber den corticalen Verbindungen bewirkt eine erhöhte impulsive Reaktion auf Reize bei verringerter corticaler Hemmung.
Delay Aversion (Verzögerungsaversion, Ungeduld) korreliert mit einer verkleinerten Amygdala.
2.5. Ventrales Striatum¶
Eine Studie an Affen kam zu dem Ergebnis, dass geringe Dosen von MPH Impulsivität reduzieren, während höhere Dosen sedierend wirken. Die impulsivitätshemmende Wirkung erfolgte dabei insbesondere im ventralen Striatum.
Dies schließt an die empirischen Erfahrungen an, dass ADHS-Betroffene, insbesondere Kinder, unter MPH zuweilen apathisch wirken können. Dies deutet unserer Auffassung nach im Anschluss an diese Studie auf eine Überdosierung hin.
2.6. Erhöhte Konnektivität zwischen ventralem Tegmentum und mittlerem Cingulum¶
Eine Studie fand eine Korrelation zwischen subjektiv wahrgenommener Impulsivität und signifikant erhöhter funktionale Konnektivität zwischen ventralem Tegmentum und dem mittleren Cingulum bei L-Dopa-Gabe.
2.7. Verringerte Myo-Inosit-Spiegel im vlPFC, nicht aber im Striatum¶
Bei Ratten mit hoher Impulsivität wurde eine signifikante Reduktion der Myo-Inosit-Konzentration im infralimbischen PFC, aber nicht im Striatum berichtet, im Vergleich zu Ratten mit niedriger Impulsivität. Im infralimbischen PFC waren zugleich signifikante Reduzierungen der Transkript-Spiegel der Schlüsselproteine, die an der Synthese und dem Recycling von Inosit (IMPase1) beteiligt sind, auffällig. Eine Ausschaltung von IMPase1 im infralimbischen PFC erhöhte die Impulsivität.
Myo-Inosit (Cyclohexan-cis-1,2,3,5-trans-4,6-hexol) ist das häufigste Isomer von Inosit (Inositol = Cyclohexanhexol, ein sechswertiger cyclischen Alkohol). Es ist ein intrazellulärer „Second Messenger“. Orale Gabe verbessert die Insulinresistenz sowie den Fett- und Glucosemetabolismus und senkt den Androgenspiegel.
2.8. Erhöhte Lateralisierung der “posterior thalamic radiation”¶
Bei Kindern mit ADHS wurde eine signifikant höhere Lateralisierung der “posterior thalamic radiation” (PTR) gefunden. Die Lateralisierung der PTR korrelierte bei gesunden Kontrollen mit Inhibition, bei Kindern mit ADHS dagegen nicht.
2.9. Nucleus accumbens¶
Bei Nagetieren führen Läsionen des Nucleus accumbens oder der basolateralen Amygdala zu impulsiven Entscheidungen, nicht aber Läsionen des ACC oder des mPFC. Läsionen des OFC verringern Impulsivität. Impulsive Entscheidungen könnten damit das Ergebnis einer abnormalen Verarbeitung der Größe von Belohnungen oder einer verringerten Wirkung verzögerter Verstärkung darstellen.
Nagetiere mit einer Läsion des Nucleus accumbens nehmen die Größe von Belohnungen normal wahr, weisen aber ein selektives Defizit beim Erlernen von instrumentellen Reaktionen mit verzögerter Verstärkung auf. Dies könnte darauf hindeuten, dass der Nucleus accumbens ein Verstärkungslernsystem ist, das die Auswirkungen verzögerter Belohnungen vermittelt.
2.10. Eisengehalt im Putamen¶
Erhöhte Eisenspiegel im Putamen korrelierten - nicht nur bei ADHS - mit einer verschlechterten Inhibition.
2.11. Hohes Beta im EEG¶
Exzessive Beta-Spindeln, die durch einen Deep-Learning-Algorithmus klassifiziert wurden, korrelierten mit einer schlechten Schlaferhaltung und einer geringen Impulskontrolle am Tag. Die konventionelle frontozentrale Betastärke und/oder die spindelförmige übermäßige Betawahrscheinlichkeit, korrelierte:
- mit ADHS und dort mit einem geschlechtsspezifischen Responding auf MPH bei Kindern
- mit schwerer Depression und dort mit einem medikamentenspezifischen Responding auf Antidepressiva bei Erwachsenen
2.12. Kein Hinweis auf parietale Beteiligung¶
Eine Studie fand keine Hinweise auf eine erwartete parietale Modulation bei erhöhtem Inhibitionsbedarf. Dieser Mangel an Modulation wurde jedoch durch den individuellen Schweregrad der ADHS-Symptome vermittelt. Eine Korrelation zwischen der Aktivität des intraparietalen Sulkus (IPS) und zu inhibierenden Ereignissen war bei weniger schweren ADHS-Symptomen deutlich. Bei schwereren ADHS-Symptomen verschwand diese Korrelation jedoch. Ähnlich korrelierte die funktionelle Konnektivität zwischen dem IPS und dem rechten inferioren Gyrus frontalis mit Bedingungen mit hohem Inhibitionsbedarf, während diese Korrelation mit zunehmender Symptomschwere abnahm.
2.13. Keine eindeutigen Gene in GWAS¶
Eine Genomweite Assoziationsstudie (GWAS) fand keine eindeutigen Gene, die anhand von Stoppsignal-Aufgabe, d. h. Go-Reaktionszeit (GoRT), Go-Reaktionszeit-Variabilität (GoRT SD) und Stoppsignal-Reaktionszeit (SSRT) für Impulsivität codierten.
Dennoch wiesen GoRT SD und SSRT eine signifikante und ähnliche SNP-Heritabilität von 8,2 % auf, was auf einen genetischen Einfluss hinweist. Die Heritabilität scheint jedoch von einer hohen Anzahl von Genen herzurühren. Bei Europäern war das polygene Risiko für ADHS signifikant mit GoRT SD und das polygene Risiko für Schizophrenie mit GoRT assoziiert, während bei Ostasiaten das polygene Risiko für Schizophrenie mit SSRT assoziiert war.
3. Impulsivität und Neurotransmitter / Hormone¶
3.1. Dopamin¶
Impulsivität ist (ebenso wie Ablenkbarkeit und Depression) gekennzeichnet durch:
- ein verringertes tonisches (langanhaltendes) Dopaminniveau
und
- eine verringerte phasische (kurzfristige) Dopaminantwort auf Anreize im mesolimbischen System.
Das ADHS-Symptom der mangelnden Inhibition der exekutiven Funktionen wird dopaminerg durch die Basalganglien (Striatum, Putamen) verursacht, während die mangelnde Inhibition der Emotionsregulierung noradenerg durch den Hippocampus verursacht wird. Daher ist ersteres einer dopaminergen Behandlung besser zugänglich. Emotionsregulierung und Affektkontrolle sind dagegen besser noradrenerg zu behandeln.
3.2. Serotonin¶
Andere Quellen beschreiben, dass Impulsivität durch einen Mangel an Serotonin induziert wird. Eine geringe Affinität des Serotonintransporters in Thrombozyten korrelierte mit einer hohen Impulsivität, während eine erhöhte SERT-Affinität moderat mit erhöhter Aggressivität und externalisierendem Verhalten korrelierte. Die SERT-Ausprägung hatte keinen Einfluss. Die Serotoninverfügbarkeit im synaptischen Spalt scheint mehr von der Affinität als der Anzahl der SERT abzuhängen.
Serotonin hemmt Aggressivität, sodass ein Mangel an Serotonin (in Verbindung mit einem hohen Testosteron- und niedrigen Cortisolspiegel) Aggression fördert. Mehr hierzu unter ⇒ Aggression als Folge von hohem Testosteron mit zugleich abgeschwächter Cortisolantwort.
Ein hoher Serotoninspiegel im PFC verringert Aggression und Impulsivität.
Die These von Zuckermann, wonach Impulsivität zugleich mit einem erhöhten Dopaminspiegel einhergehe, scheint sich nicht zu bestätigen. Eher scheint sich Cloningers Theorie zu bestätigen, wonach Impulsivität durch niedrige Serotonin- und niedrige Dopaminspiegel gefördert wird. Vor dem Hintergrund der inverted-U-Theorie, wonach zu geringe wie zu hohe Neurotransmitterspiegel in einem Gehirnbereich recht ähnliche Probleme verursachen können, müssten sich diese beiden Möglichkeiten nicht ausschließen,
Eine Untersuchung fand identische Serotoninkonzentrationen in Thrombozyten bei ADHS-betroffenen und nicht betroffenen Kindern, sowie keinen Bezug zu Aufmerksamkeitsproblemen oder Hyperaktivität, jedoch eine positive Korrelation zu impulsivem Verhalten.
Wir haben beobachtet, dass bei ADHS-HI geringe Mengen (2 bis 5 mg / Tag) von SSRI (z.B. Escitalopram) sehr schnell eine Verbesserung bei Impulsivität bewirken. Es scheint dabei eine unmittelbare Wirkung des Serotonins zu bestehen, da die Wirkung nicht erst nach mehreren Wochen eintritt, wie sie als Folge einer Downregulation der 5-HT-Rezeptoren bei einer höher dosierten SSRI-Gabe als Antidepressivum (Escitalopram: 10 bis 20 mg / Tag) eintritt. Eine Downregulation der Rezeptoren sollte in diesem Fall möglichst vermieden werden, weshalb die geringste noch hilfreiche Dosierung verwendet werden sollte.
3.3. Adenosin, Cannabinoide¶
SHR-Ratten, die ein Modell für ADHS-HI darstellen, reagierten auf einen Cannabinoid-CB1-Rezeptor-Agonisten mit erhöhter Impulsivität (verstärkte Bevorzugung kurzfristiger Belohnung). Diese Reaktion wurde durch eine einmalige Gabe von Koffein (einem unspezifischen Adenosin-Rezeptor-Antagonisten) unterbunden, jedoch durch chronische Coffeingabe verstärkt.
Ein Cannabinoid-Antagonist verringerte dagegen die Impulsivität und erhöhte die Bevorzugung späterer, dafür größerer Belohnung.
CB1-Rezeptoren scheinen Eingangssignale an die laterale Habenula zu kontrollieren und hierüber impulsives Verhalten zu regulieren.
3.4. Corticoide¶
Die durch leichten Stress verbesserte Antworthemmung (Inhibition) bei gesunden Probanden in einer Stop-Signal-Task-Aufgabe wird durch einen Mineralocorticoidantagonisten verschlechtert.
Dies deutet auf eine Beteiligung von Mineralocorticoidrezeptoren oder des Gleichgewichts zwischen Mineralocorticoidrezeptoren und Glucocorticoidrezeptoren bei Inhibition hin.
4. Schlafmangel beeinträchtigt Inhibition¶
ADHS korreliert mit Schlafmangel. Eine Verlängerung der Schlafdauer verbesserte die Inhibition bei Kindern mit ADHS deutlich.