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14. Parkinson als dopaminerge Störung

Inhaltsverzeichnis

14. Parkinson als dopaminerge Störung

Parkinson (Parkinsonismus) ist wie ADHS von einer Störung des Dopaminsystems gekennzeichnet, die jedoch andere neurophysiologische Ursachen hat und anders behandelt werden muss als ADHS. Parkinson-Medikamente wie L-Dopa sind bei ADHS nicht hilfreich, während Stimulanzien wie Amphetaminmedikamente oder Methylphenidat bei Parkinson wirksam zu sein scheinen.
Obwohl Parkinson von ADHS vollständig abgrenzbar ist, ist es hilfreich, die unterschiedlichen Formen der Störungen des Dopaminsystems bei Parkinson und ADHS zu vergleichen. Es ergeben sich manche Berührungspunkte, zu denen die ADHS-Fachliteratur bisher keine Erklärungsansätze bietet, wie z.B. der bei ADHS ebenfalls typisch erhöhte Muskeltonus.

Parkinson ist eine degenerative Erkrankung des extrapyramidal-motorischen Systems, die durch eine Degeneration der dopaminergen Nervenzellen in der Substantia Nigra und im VTA verursacht wird. Dies führt zu neurophysiologischen Veränderungen wie einem relativen Überschuss an Acetylcholin, einer Veränderung von Serotonin und Noradrenalin.
Die Symptome von Parkinson umfassen Bradykinese, Hypokinese, Akinese, Rigor, Ruhetremor, posturale Instabilität und nicht-motorische neurologische Symptome wie Depressionen, Reizbarkeit und Schlafstörungen.
Es gibt verschiedene Formen von Parkinson, darunter idiopathisches Parkinson-Syndrom, monogenetisches Parkinson-Syndrom, atypisches Parkinson-Syndrom und sekundäre Parkinson-Syndrome.
Die Prävalenz von Parkinson steigt mit dem Alter, und in Deutschland sind 300.000 bis 400.000 Menschen betroffen.
Einige der Parkinsonsymptome treten auch bei ADHS auf, darunter Hypokinese, erhöhte Muskelspannung, posturale Instabilität, nicht-motorische neurologische Symptome und kognitive Symptome. Andere Parkinsonsymptome wie Bradykinese, Akinese, Ruhetremor und einige vegetative Symptome treten bei ADHS nicht auf.
Die Behandlung von Parkinson umfasst verschiedene Medikamente wie Dopaminagonisten, L-Dopa, COMT-Hemmer, MAO-B-Hemmer, Amantadin, Anticholinergika, Budipin und Stimulanzien. Antioxidantien werden auch zur Behandlung von Parkinson diskutiert.

Frühere Bezeichnungen von Parkinson waren auch Parkinsonsche Krankheit, Paralysis agitans, Schüttellähmung/Zitterlähmung, Schüttelkrankheit.
Parkinson betrifft etwa 1 % der Menschen über 60 Jahre.1

1. Neurophysiologische Korrelate von Parkinson

1.1. Degeneration dopaminerger Nervenzellen

Parkinson ist die Folge einer Degeneration der dopaminergen Nervenzellen in

  • Substantia Nigra23
    • insbesondere hinsichtlich der melaninhaltigen Neuronen in der Substantia nigra.
      • Diese hemmen cholinerge Neurone im Striatum. Dies verursacht Bradykinese.
      • Der Dopaminmangel in den Basalganglien verursacht
        • relativen Überschuss von Acetylcholin
        • Veränderung von Serotonin
        • Veränderung von Noradrenalin
  • VTA2
    • VTA-Neuronen projizieren in
      • ventrales Striatum
      • Amygdala
      • präfrontale Amygdala
      • PFC
      • weitere basale Vorderhirnareale, die an kognitiven und affektiven Funktionen beteiligt sind.

Ein langsamer Verlust dopaminerger Zellen über das Alter ist normal. Am Beispiel der dopaminergen Neurone der Substantia nigra pars compacta:4

  • 20-Jährige ca. 423.000
  • 40-50-Jährige ca. 380.000
  • über 80-Jährige ca. 305.000
    Post-mortem-Studien am Menschen zeigten, dass sich die Parkinson-Symptome erst entwickeln, wenn mindestens 60 %4 bis 70 % der dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra und 70 % des Dopamins im Striatum verloren gegangen sind.567
    Parkinson-Patienten mit einem Alter zwischen 68 und 85 um Zeitpunkt des Todes, besaßen nur noch etwa 83.000 Neurone.4

Als Ursachen der dopaminergen Degeneration wird ein Zusammentreffen mehrerer Ursachen vermutet:8

  • hohe Dopamintransporter (DAT)-Expressionsdichte pro Neuron
    • verursacht überhöhte Dopaminspiegel im Neuron
  • Dopaminüberschuss bewirkt Dopaminoxidation, die neurotoxisch wirkt
  • Dysfunktion des Autophagie-Lysosomen-Pfades

Betroffene einer genetischen DAT-Dysfunktion (funktionslose DAT) entwickeln jedoch ebenso Parkinsonsymptome.9

Die somatodendritische Freisetzung von Dopamin (die allein aus Dendriten erfolgt) bewirkt ein verzögertes Auftreten der Parkinson-Symptome, indem es die umfangreiche axonale Degeneration der SNc-Dopamin-Neuronen kompensiert.10

Bei Parkinson ist der REM-Schlaf deutlich reduziert. Dieser wird von Dopamin (mit)reguliert.2

1.2. Verlust dopaminerger Nervenzellen wiegt schwerer als nur Dopaminspiegelverlust

Der Verlust von Dopaminneuronen hat weitergehende Auswirkungen als eine bloße gleich starke Verringerung der Dopamin-Signalübertragung. Eine Studie verglich genetische Mausmodelle mit einem gleich schweren chronischen Dopamin-Verlust. Die eine Mauslinie hatte eine umfassende Ablation von DA-Neuronen, die andere lediglich eine Inaktivierung der DA-Synthese bei noch erhaltenen Dopamin-Neuronen:11

DA-Signale gleich stark verringert DA-Neuronen-Verlust nur DA-Signal-Inaktivierung
Hyperaktivität in neuer Umgebung keine keine
Motorik beeinträchtigt beeinträchtigt
Kognition stärker beeinträchtigt beeinträchtigt
Lernen deutliche Defizite deutliche Defizite
Cue-Discrimination-Learning schwerwiegendere Defizite deutliche Defizite
räumliches Lernen drastische Defizite unverändert
räumliches Gedächtnis drastische Defizite unverändert
Objektgedächtnis drastische Defizite unverändert

1.3. Neurophysiologische Pfade zum Verlust dopaminerger Nervenzellen

Verschiedene Pfade können zum Verlust dopaminerger Nervenzellen führen:1

  • direkte Injektionen von
    • Dopamin (bis zu 1 μmol) in das Striatum
      • gemildert durch gleichzeitige Gabe von Glutathion oder Ascorbat
    • Aminochrom (ein zyklisches DAQ) in die Substantia nigra
    • DOPAL in die Substantia nigra
  • Deregulierung der endogenen DA-Synthese, -Speicherung, -Transport und -Stoffwechsel durch pharmakologische und genetische Ansätze
    • TH-Überexpression
    • VMAT2-Ausschaltung
    • DAT-Überexpression
    • Störungen der ALDH-katalysierten Entgiftung von DOPAL (ein reaktiver Dopamin-Metaboliten)
      • eine Umweltexposition gegenüber Benomyl, einem starken ALDH-Inhibitor, erhöht das Parkinson-Risiko

2. Symptome von Parkinson

Parkinson ist

  • eine degenerative Erkrankung des extrapyramidal-motorischen Systems
  • ein Syndrom hyperton-hypokinetischer Bewegungsstörungen.12

2.1. Hauptsymptome von Parkinson

  • Bradykinese, Hypokinese, Akinese
    • Bradykinese:
      • verlangsamte Willkürmotorik
    • Hypokinese
      • verminderte Beweglichkeit, Bewegungsarmut, Mangel an Spontanmotorik
      • Frühe Anzeichen:
        • nachlassendes Tempos bei Alltagstätigkeiten
        • reduzierte Mitbewegungen (Arme beim Gehen)
          • oft zunächst einseitig
        • eingeschränkte Mimik, maskenhaftes Gesicht (Hypomimie).
        • Schrift wird kleiner
        • „unrunde“ Bewegung beim längeren Laufen (etwas nachziehen)
        • leise, monotone, undeutliche Sprache
    • Akinese
      • Bewegungsstarre (Extremform)
  • Rigor
    • erhöhter Muskeltonus
      • Muskelsteifheit
        • unwillkürliche Anspannung der gesamten quergestreiften Muskulatur
        • häufig mit Muskelschmerzen
        • leichte Beugung von Ellenbogengelenk, Rumpf, Nacken, später auch Kniegelenke
        • Nacken-/Schulterverspannung (schmerzhaft)
        • körpernahe (axiale) Muskelgruppen häufiger betroffen
      • unabhängig von der Geschwindigkeit der Gelenkbewegung
      • Zahnradphänomen bei passiver Bewegung einer Extremität
        • ruckartiges Nachgeben von passiv bewegtem Gliedmaß
      • häufig (zunächst) einseitig
        • ein Arm schwingt beim Gehen weniger mit
        • Frühform
  • Ruhetremor
    • rhythmisches Zittern der Extremitäten bei körperlicher Ruhe
    • Frequenz ca. 4–6 Hz, selten bis 9 Hz
    • Verringerung durch gezielte Bewegungen
    • Aktivierbarkeit durch geistige Beschäftigung oder Emotionen
    • typisch bei idiopathischem Parkinson, seltener bei atypischem Parkinson
  • posturale Instabilität
    • Störung der aufrechten Körperhaltung
    • Gangunsicherheit
    • Standunsicherheit
    • Haltungsinstabilität
    • Folge der Störung der Stellreflexe
  • nicht-motorische neurologische Symptome
    • Folge der Beeinträchtigung weiterer Neurotransmittersysteme
      • Serotonin
      • Noradrenalin

2.2. Mögliche weitere Symptome von Parkinson

  • Sensorische Symptome
    • Dysästhesien
      • taktile Überempfindlichkeit (ebenso bei ADHS: erhöhte Sensibilität)
    • Schmerzen
      • besonders Gelenke und Muskeln
    • Hyposmie (verringerte Geruchswahrnehmung)
      • Frühsymptom, tritt bereits Jahre vorher auf
  • Vegetative Symptome
    • Temperaturregulationsstörung (ebenso bei ADHS: erhöhte Sensibilität)
      • verminderte Hitzetoleranz
        • reflektorisches Schwitzen und reflektorische Gefäßerweiterung bei Wärme gestört
        • bei fortgeschrittener Erkrankung bis zu lebensbedrohlichem hohen Fieber
        • starke Schweißausbrüche, insb. nachts
    • Blasenfunktionsstörungen
    • Störung der Magen-/Darmfunktion
      • verlangsamte Magenentleerung
      • Verstopfung
    • sexuelle Dysfunktion
      • Libido beeinträchtigt
    • vermehrte Talgsekretion (Salbengesicht)
  • Psychische Symptome
    • insbesondere Depressionen
      • Dysphorie bei 40 % der Betroffenen bereits Jahre vorher (Häufigkeit bei ADHS erhöht; dort außerdem Dysphorie bei Inaktivität)
      • Apathie (Teilnahmslosigkeit)
    • erhöhte Reizbarkeit (ebenso bei ADHS)
    • Bradyphrenie
      • verlangsamte Denkabläufe
      • inhaltlich unbeeinträchtigt
      • Ausdruck allgemeiner Antriebsstörung
  • Schlafstörungen (ebenso bei ADHS: dort nach hinten verschobener Chronorhythmus)
    • Störung des Traumschlafs / REM-Schlaf
      • atypische starke Bewegungen
      • gesunder REM-Schlaf ist normalerweise bewegungslos
      • bis hin zum Schreien oder Umsichschlagen
      • oft auch Restless Legs
  • Kognitive Symptome
    • Konzentrationsstörungen (ebenso bei ADHS)
    • Störungen des Frontalhirns
      • visuospatiale Aufmerksamkeit beeinträchtigt (Einschätzung von Entfernungen und Geschwindigkeiten)
    • in fortgeschrittenen Stadien Demenz
      • Lewy-Körperchen-Demenz
  • Pseudohypersalivation
    • Speichelabschluckstörung
  • Wirkungsschwankungen der gewählten Medikation
  • Freezing (Einfrieren)
  • Hyperkinesien (Überbewegungen) (ähnlich bei ADHS: dort Hyperaktivität)
  • Dystonien
    • lang anhaltende, unwillkürliche Kontraktionen der Skelettmuskulatur
    • führt zu abnormen Haltungen und Fehlstellungen von Körper oder Körperteilen (Kamptokormie)
  • Orthostatische Dysregulation
    • Regulationsstörung des Blutdrucks bei Wechsel in aufrechte Körperlage (Orthostase)
  • Psychosen
  • Impulskontrollstörungen (ebenso bei ADHS)
  • Akinetische Krise
    • plötzliche, akute Verschlechterung der motorischen Symptomatik (extremer Rigor)
      • bis zu vollständigen Bewegungsunfähigkeit (Akinesie)
      • Schlucken erschwert (Dysphagie)
      • Sprechen erschwert
      • Hyperthermie häufig

2.3. Stadien von idiopathischem Parkinson

Es werden sechs Parkinson-Stadien unterschieden13, die jeweils mit einem bestimmten Bereich des ZNS in Verbindung stehen:14

  • Stadium 1 (präsymptomatisch)
    • Pathologie beschränkt auf
      • Läsionen/Dysfunktionen in der unteren Medulla oblongata14
      • Bulbus olfactorius/anteriorer Nucleus olfactorius
    • Krankheit wird nur sehr selten diagnostiziert
    • Symptome sind subtii:4
      • hauptsächlich nicht-motorische Symptome
        • Störungen des Geruchssinns (z.B. Geruchsverlust)
        • Störungen der visuellen Wahrnehmung
        • depressive Symptome
        • Angstzustände
        • einseitiges Ruhezittern
        • Veränderungen im Gesichtsausdruck
        • Konzentrationsstörungen
        • Müdigkeit
        • Schlafprobleme
        • Kreislauf- und Verdauungsprobleme
        • Erektionsstörungen
        • erhöhte Schweiß-, Speichel- und Talgproduktion
  • Stadium 2 (präsymptomatisch)
    • Schädigung der unteren Raphe-Kerne
    • motorische Symptomen, die das Gehen und die Körperhaltung betreffen
    • Erste Störungen der Feinmotorik
      • kleines Schriftbild (Mikrographie)
      • leises, monotones Sprechen (Mikrophonie)
      • plötzliches, kurzes Einfrieren in der Bewegung (ca. 1/3 der Betroffenen)
  • Stadium 3 (symptomatisch)
    • Substantia nigra geschädigt
    • motorische Symptome wie Gleichgewichtsstörungen
    • fortschreitende Krankheit
      • erstarrte mimische Muskulatur (Maskengesicht)
      • vegetative Beschwerden (Schluckprobleme, Verstopfung, Harninkontinenz, erhöhter Speichelfluss)
      • geistige Beschwerden (Depression und Demenz) nehmen zu
  • Stadium 4 (symptomatisch)
    • temporaler Mesokortex und andere graue Kerne des Mittel- und Vorderhirns zeigen zunehmende pathologische Veränderungen
    • Symptome werden stärker und häufiger diagnostiziert
    • Läsionen im Nervensystem sprechen nicht mehr auf die verabreichten Medikamente an;
  • Stadium 5 (Endstadium 1)
    • neokortikale temporale Felder
    • Viele alltägliche Verrichtungen sind nicht mehr möglich, und selbst beim Gehen kann Hilfe erforderlich sein
  • Stadium 6 (Endstadium 2)
    • pathologische Veränderungen des reifen Neokortex
    • Parkinson manifestiert sich in allen klinischen Dimensionen
    • Motorische Schwierigkeiten so ausgeprägt, dass Betroffene ihre Unabhängigkeit verlieren
    • Patienten sind fast vollständig immobil und können psychische Symptome wie Halluzinationen haben

3. Formen von Parkinson

3.1. Idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS, Morbus Parkinson, sporadic PD)

Betrifft 3/4 aller Parkinson-Fälle.12
Ein gemeinsames Auftreten der Parkinson-Trias Hypokinese, Rigor und Tremor ist nicht mehr zwingende Voraussetzung für eine Parkinson-Diagnose.
Parkinson-Subtypen:4

  • akinetisch-rigider Typ
    • dominierend:
      • Bewegungsverlangsamung
      • instabile Haltung
      • Rigor
  • Tremordominanztyp
    • Ruhetremor dominiert
    • andere motorischer Symptome vermindert ausgeprägt oder fehlend (monosymptomatischer Ruhetremor)
    • verhältnismäßig langsamer Krankheitsverlauf mit geringeren funktionellen Einschränkungen
  • Äquivalenztyp
    • gleich starke Ausprägung aller Hauptsymptome

Beginn häufig einseitig.

3.2. Monogenetisches Parkinson-Syndrom

Betrifft 5 bis 10 % aller Parkinson-Fälle. Genkandidaten sind PARK 1 bis PARK 16.

3.3. Atypisches Parkinson-Syndrom (Parkinson Plus Syndrom)

Atypische Parkinson-Syndrome entstehen komorbid zu anderen neurodegenerativen Erkrankungen, wie z.B.:

  • Multisystematrophie (MSA)
    • Striatonigrale Degeneration (MSA-P, SND)
    • Olivopontocerebelläre Atrophie (MSA-C, OPCA)
  • Primäre orthostatische Hypotension (Shy-Drager-Syndrom)
  • Progressive supranukleäre Blickparese (PSP, Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom)
  • Lewy-Körperchen-Demenz (LBD)
  • Kortikobasale Degeneration (CBD)

3.4. Sekundäre Parkinson-Syndrome

Symptomatische / sekundäre Parkinson-Syndrome sind eine Folge identifizierbarer Primärfaktoren:12

  • Medikamente
    • klassische Neuroleptika
    • Lithium
    • Valproinsäure
    • Antiemetika
      • Metoclopramid
    • Kalziumantagonisten
      • Cinnarizin
      • Flunarizin
  • Vergiftungen
    • Kohlenmonoxid
    • Mangan
    • MPTP
    • Paraquat (Herbizid)
    • Rotenon (Insektizid)
    • Lindan
    • Trichloräthylen- oder Perchloräthylen-basierte Entfettungs- und Reinigungsmittel
    • Octenol (ein Gift von Schimmelpilzen)
  • Schädel-Hirn-Traumata
    • bisher kein belastbarer Hinweis für Gehirnerschütterungen als Parkinson-Ursache
  • Hirntumore
  • Entzündungen
    • Enzephalitis
    • HIV-Enzephalopathie
  • Stoffwechselstörungen
    • Morbus Wilson
    • Hypoparathyreoidismus

4. Einzelne Ursachen von Parkinson

4.1. Oxidativer Stress

Als plausibelste Ursache von Parkinson gilt oxidativer Stress, der zu einer Funktionsstörung der dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra führt. Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) können die Caspase-Kaskade in den Mitochondrien aktivieren, was zum Tod der Zelle führt. Das Vorhandensein von ROS scheint das Parkinson-Risiko zu erhöhen.15

Der Dopaminstoffwechsel ist eng mit oxidativem Stress verbunden. Dopaminabbau:3
- erzeugt reaktive Sauerstoffspezies (ROS)
- kann zu endogenen Neurotoxinen führen.
- Einige Dopamin-Derivate zeigen antioxidative Wirkungen

Ein Cytochrom P450 2D6-Mangel verdoppelt die Wahrscheinlichkeit, bei Kontamination mit Pestiziden Parkinson zu entwickeln. Normalerweise baut CPY2D6 Pestizide ab. Der Abbaumangel führt zu einer Anhäufung von Toxinen. Schwermetallvergiftungen führen häufig zu einer Anhäufung dieser Toxine im Nigra-Material, was reaktive oxidative Schäden auslöst.15

4.2. Aggregation von Alpha-Synuclein

Eine Aggregation von Alpha-Synuclein ist ein häufiger Befund bei Parkinson. Diese Aggregate sind schädlich für dopaminerge Neuronen und können die Bildung von Lewy-Körpern und schließlich eine Nekrose verursachen. Die Bildung von Lewy-Körpern kann eine Kaskade von Ereignissen auslösen. In einem nicht-pathologischen Zustand werden Lewy-Körper-Aggregate in der Regel durch einen Proteasom-Komplex oder ein Lysosom gespült. Bei Parkinson kommt es jedoch häufig zu Defekten in diesen Abfangwegen, was zu einer weiteren Ausbreitung der Aggregate führt. Lewy-Körpern gelten als definierendes pathologisches Merkmal von Parkinson und sind auch bei Demenz häufig anzutreffen. Vermutlich wird das ursprüngliche Alpha-Synuclein über den Nervus vagus, die wichtigste parasympathische Einheit, vom enterischen Nervensystem (Darm) aus transportiert.15

4.3. Glucocorticoide und Entzündungen bei Parkinson

Chronische Entzündungen sind ein charakteristisches Merkmal von Parkinson. Parkinson korreliert mit erhöhten Werten potenter entzündungsfördernder Moleküle wie

  • TNF
  • iNOS
  • IL-1β.

Dopaminerge Neuronen sind besonders anfällig für aktivierte Glia, die diese toxischen Faktoren freisetzen. Mikroglia, Astrozyten und infiltrierende T-Zellen vermitteln chronische Entzündungen. Ein weiteres wichtiges Effektorsystem der Regulation von Entzündungen ist die HPA-Achse. Glucocorticoide, wie sie von der letzten Stufe der HPA-Achse, der Nebennierenrinde freigesetzt werden, aktivieren den Glucocorticoidrezeptor (GR). Dieser vermittelt die Deaktivierung der ersten Stufen der HPA-Achse und reguliert Entzündungen sowohl durch direkte Transkriptionswirkung auf Zielgene als auch durch indirekte Hemmung der Transkriptionsaktivitäten von Transkriptionsfaktoren wie NF-κB, AP-1 oder Interferon-Regulationsfaktoren. Bei Parkinson ist die HPA-Achse im Ungleichgewicht. Die Cortisolwerte sind deutlich erhöht, was auf eine Deregulierung der GR-Funktion in Immunzellen hindeutet. Weiter trägt die Aktivierung der mikroglialen GR zur Deaktivierung der mikroglialen Zellen bei und reduziert die dopaminerge Degeneration. Glucocorticoide regulieren weiterhin die Blutgefäße des menschlichen Gehirns sowie die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke (BHS) regulieren. Eine Störung der Glucocorticoid-Wirkung kann die Infiltration zytotoxischer Moleküle beeinflussen, was zu einer erhöhten Anfälligkeit der Dopamin-Neuronen bei Parkinson führt. Insgesamt ist eine Deregulierung der Glucocorticoidrezeptorwirkung wahrscheinlich wichtig für die Degeneration von Dopamin-Neuronen durch die Entstehung einer chronischen Entzündung.16

4.4. Verlust noradrenerger Neuronen im Locus coeruleus

Im Spätstadium von Parkinson (und Alzheimer) tritt ein Verlust noradrenerger Zellen des Nucleus coeruleus hinzu.17 Dieser ist für 95 % der Noradrenalinausschüttung des Gehirns verantwortlich.

4.5. Mitochondriale Beeinträchtigungen

Mitochondriale Beeinträchtigungen spielen eine Schlüsselrolle beim Verlust dopaminerger Neuronen.3

5. Prävalenz von Parkinson

Die Prävalenz ist stark altersabhängig.18

40 bis 49 Jahre: 0,041 %
50 bis 59 Jahre: 0,107 %
60 bis 69 Jahre: 0,428 %
70 bis 79 Jahre: 1,087 %
über 80 Jahre: 1,903 %

In Deutschland sind 300.000 bis 400.000 Menschen betroffen.

Es bestehen nur wenige Unterschiede zwischen Geschlechtern und Ethnien.

Geschätzte Rohprävalenz für alle Altersgruppen je nach Studie:19

  • Europa, Nordamerika und Südamerika:
    • 66-1.500 / 111-329 / 31-470 pro 100.000
  • Afrika, Asien, Arabien
    • 10-43 / 15-119 / 27-43 pro 100.000

6. Parkinson und ADHS

6.1. Parkinsonsymptome und ADHS-Symptome im Vergleich

6.1.1. Parkinsonsymptome, die auch bei ADHS auftreten

Neuropsychologische Studien zu ADHS bei Erwachsenen, Parkinson im Prodromalstadium und Parkinson im Frühstadium zeigen ähnliche Defizite bei

  • Exekutivfunktionen
  • Gedächtnis
  • Aufmerksamkeit
  • Impulshemmung

Diese Symptome werden durch ähnliche neuronale Substrate vermittelt.20

Bei ADHS treten folgende Parkinsonsymptome ebenfalls auf:

  • Hypokinese
    • (nur) ähnlich bei ADHS: Störungen von Grobmotorik und Feinmotorik
      * viele blaue Flecken
      * Schrift ist unschön bis unleserlich
  • Muskelspannung erhöht
    • Parkinson: Rigor
      • erhöhter Muskeltonus
        • Muskelsteifheit
        • Nacken-/Schulterverspannung (schmerzhaft)
    • ADHS: Muskelverspannungen
      • erhöhter Muskeltonus
        • Nacken-/Schulter/ Rückenverspannung (schmerzhaft)
  • posturale Instabilität
    • Parkinson:
      • Gangunsicherheit
      • Standunsicherheit
      • Haltungsinstabilität
      • Folge der Störung der Stellreflexe
    • ADHS zeigt erhöhte posturale Instabilität21 bei medikamentennaiven Betroffenen22
  • nicht-motorische neurologische Symptome als Folge der Beeinträchtigung weiterer Neurotransmittersysteme
    • Noradrenalin
      • ebenfalls bei ADHS
    • Serotonin
      • ebenso bei ADHS, jedoch nur gering
  • Sensorische Symptome
    • Dysästhesien
      • taktile Überempfindlichkeit (ebenso bei ADHS: erhöhte Sensibilität)
    • Schmerzen
      • besonders Gelenke und Muskeln
      • bei ADHS: erhöhte Schmerzempfindlichkeit
  • Vegetative Symptome
    • Temperaturregulationsstörung
      • verminderte Hitzetoleranz
        • reflektorisches Schwitzen und reflektorische Gefäßerweiterung bei Wärme gestört
        • bei fortgeschrittener Erkrankung bis zu lebensbedrohliche hohem Fieber
        • starke Schweißausbrüche, insb. nachts
      • bei ADHS: etwas erhöhte Sensibilität auf Temperatur
  • Psychische Symptome
    • insbesondere Depressionen
      • Parkinson:
        • Dysphorie bei 40 % der Betroffenen bereits Jahre vorher
        • Angst
      • ADHS:
        • Depression und Angst häufig
        • außerdem Dysphorie bei Inaktivität
    • Antriebsprobleme
      • Parkinson
        • Apathie (Teilnahmslosigkeit)
      • ADHS
        • Antriebsschwäche (deutlich schwächere Form): Häufigkeit erhöht
    • Reizbarkeit
      • Parkinson: erhöht
      • ADHS: erhöht
    • Bradyphrenie
      • Parkinson:
        • verlangsamte Denkabläufe
        • inhaltlich unbeeinträchtigt
        • Ausdruck allgemeiner Antriebsstörung
      • erinnert an SCT, das früher als ADHS-Subtyp galt
  • Schlafstörungen
    • Parkinson
      • Störung des Traumschlafs / REM-Schlaf
        • atypische starke Bewegungen
        • gesunder REM-Schlaf ist normalerweise bewegungslos
        • bis hin zum Schreien oder Umsichschlagen
      • oft auch Restless Legs
    • ADHS:
      • nach hinten verschobener Chronorhythmus
      • Einschlafprobleme
      • Restless Legs häufig
  • Kognitive Symptome
    • Konzentrationsstörungen
      • Parkinson: häufig
      • ADHS: eines der Kernsymptome
    • Störungen des Frontalhirns
      • Parkinson: visuospatiale Aufmerksamkeit beeinträchtigt (Einschätzung von Entfernungen und Geschwindigkeiten)
      • ADHS: das visuospatiale Arbeitsgedächtnis ist beeinträchtigt
  • Hyperkinesien (Überbewegungen)
    • Parkinson: häufig
    • ADHS: hier Hyperaktivität
  • Impulskontrollstörungen
    • Parkinson: häufig
    • ADHS: häufig

6.1.2. Parkinsonsymptome, die bei ADHS nicht auftreten

Bei ADHS treten folgende Parkinsonsymptome nicht auf:

  • Bradykinese, Akinese
    • Bradykinese:
      • verlangsamte Willkürmotorik
    • Hypokinese
      • verminderte Beweglichkeit, Bewegungsarmut, Mangel an Spontanmotorik
    • Akinese
      • Bewegungsstarre (Extremform)
  • Rigor:
    * Zahnradphänomen bei passiver Bewegung einer Extremität
    * ruckartiges Nachgeben von passiv bewegtem Gliedmaß
    * häufig (zunächst) einseitig
    * ein Arm schwingt beim Gehen weniger mit
    * Frühform
  • Ruhetremor
    • rhythmisches Zittern der Extremitäten bei körperlicher Ruhe
    • Frequenz ca. 4–6 Hz, selten bis 9 Hz
    • Verringerung durch gezielte Bewegungen
    • Aktivierbarkeit durch geistige Beschäftigung oder Emotionen
    • typisch bei idiopathischem Parkinson, seltener bei atypischem Parkinson
  • nicht-motorische neurologische Symptome
    • Folge der Beeinträchtigung weiterer Neurotransmittersysteme
      • Serotonin
      • Noradrenalin
    • Hyposmie (verringerte Geruchswahrnehmung)
      • Frühsymptom, tritt bereits Jahre vorher auf
  • Vegetative Symptome
    • Temperaturregulationsstörung
      * bei fortgeschrittener Erkrankung bis zu lebensbedrohlichen, hochfieberhaften Zustände
      * starke Schweißausbrüche, insb. nachts
    • Blasenfunktionsstörungen
    • Störung der Magen-/Darmfunktion
      • verlangsamte Magenentleerung
      • Verstopfung
    • sexuelle Dysfunktion
      • Libido beeinträchtigt
    • vermehrte Talgsekretion (Salbengesicht)
  • Psychische Symptome
    • Bradyphrenie
      • verlangsamte Denkabläufe
      • inhaltlich unbeeinträchtigt
      • Ausdruck allgemeiner Antriebsstörung
  • Schlafstörungen
    • Störung des Traumschlafs / REM-Schlaf
      • atypische starke Bewegungen
      • gesunder REM-Schlaf ist normalerweise bewegungslos
      • bis hin zum Schreien oder Umsichschlagen
  • Pseudohypersalivation
    • Speichelabschluckstörung
  • Wirkungsschwankungen der gewählten Medikation
  • Freezing (Einfrieren)
  • Dystonien
    • lang anhaltende, unwillkürliche Kontraktionen der Skelettmuskulatur
    • führt zu abnormen Haltungen und Fehlstellungen von Körper oder Körperteilen (Kamptokormie)
  • Orthostatische Dysregulation
    • Regulationsstörung des Blutdrucks bei Wechsel in aufrechte Körperlage (Orthostase)
  • Psychosen
  • Akinetische Krise
    • plötzliche, akute Verschlechterung der motorischen Symptomatik (extremer Rigor)
      • bis zu vollständigen Bewegungsunfähigkeit (Akinesie)
      • Schlucken erschwert (Dysphagie)
      • Sprechen erschwert
      • Hyperthermie häufig

6.2. Komorbidität von Parkinson und ADHS

Zwischen ADHS (Dopaminmangel) und Morbus Lewy-Körperchen, insbesondere Parkinson (Dopaminneuronen-Degeneration) könnte ein pathophysiologischer Zusammenhang bestehen.23 Niedrige Dopaminwerte und eine abnorme Reifung des dopaminergen Systems könnte bei ADHS-Betroffenen das Parkinson-Roisiko erhöhen.24 Genstudien fanden jedoch weder eine Kausalität noch einen Zusammenhang zwischen Parkinson und ADHS25 bezüglich der Genkandidaten SNAP25, SLC6A3 (DAT1), DRD4, HTR1B, TPH2, SLC6A2 (NET) und drei SNPs in CDH1326.

6.3. Stimulanzien bei ADHS und Parkinson-Risiko

Eine Hypothese ist, dass Stimulanzien den Zusammenhang zwischen ADHS und Parkinson erklären könnten, indem diese toxische Wirkungen auf dopaminerge Neuronen haben und zu einer gestörten Dopaminregulation und einem gestörten Dopamintransport führen könnten23 Eine einzelne Studie fand, dass das bei ADHS insgesamt 2,3-fache Parkinson-Risiko sich bei Betroffenen mit Stimulanzieneinnahme auf das 3,9-fache erhöht hatte. Inwieweit dabei die Schwere des ADHS (die eine Stimulanzieneinnahme wahrscheinlicher macht) eine Rolle spielte, ist offen.27
Dem stehen indes etliche Studien entgegen:

  • kein Hinweis auf Stimulanzien als Parkinson-Ursache24
  • Einnahme von Stimulanzien erhöhte das Risiko für Parkinson nicht7
  • Stimulanzieneinnahme verringerte Parkinson-Risiko um rund 60 %28
  • keine neurodegenerativen Auswirkungen auf Dopaminneuronen durch Amphetamine in Medikamentendosierung (7 Studien).7

7. Risikofaktoren für Parkinson

7.1. Genkandidaten bei Parkinson

Verschiedene Varianten von Genen werden als Kandidatengene betrachtet, die das Parkinson-Risiko erhöhen können.
Keine davon ist uns zugleich als ADHS-Kandidatengen bekannt.

  • GBA (OR >5)19
  • GBA11
  • Parkin1
  • LRRK1
  • LRRK219
  • DJ-11
  • PINK11
  • SNCA1
  • INPP5F19
  • STK3919
  • SIPA1L219
  • BST119
  • RAB7L1-NUCKS119
  • VPS13C19
  • DDRGK119
  • GPNMB19
  • CCDC6219
  • MIR469719
  • BCKDK-STX1B19

Bei Varianten mancher Gene scheint das Parkinson-Risiko verringert zu sein:19

  • SNCA
  • MAPT
  • TMEM175-GAK-DGKQ
  • HLA-DQB1
  • MCCC1
  • ACMSD-TMEM163

7.2. Alter, Geschlecht, Ethnie

Alter, Geschlecht, Ethnie sind Risikofaktoren für Parkinson.29

  • Alter
    • größte Risikofaktor
    • Prävalenz und Inzidenz nehmen mit dem Alter nahezu exponentiell zu
    • Höhepunkt nach dem 80. Lebensjahr
  • Geschlecht
    • Verhältnis zwischen Männern und Frauen fast 2:1
      • Männer: 19,9 / 100.000
      • Frauen: 9,9 / 100.000
  • Ethnie
    • Risiko in den USA:
      • hispanische Herkunft: 16,6 / 100.000
      • nicht-hispanische Weiße: 13,6 / 100.000
      • Asiaten: 11,3 / 100.000
      • Schwarze: 10,2 / 100.000

7.3. Umweltfaktoren, die das Parkinson-Risiko erhöhen

Umweltfaktoren, die das Parkinson-Risiko erhöhen, sind u.a.:194

  • Pestizide
    • Paraquat
  • Kohlenmonoxid
  • Methanol
  • Ethylenglykol
  • MTPT [1-methyl-4-phenyl-1,2,3,6-tetrahydropyridine]
    • ein synthetisches Heroin aus den 80er-Jahren
    • verursachte bei Konsumenten schwere Parkinson-Symptome
    • Nutzung seither zur Erzeugung von Parkinson-Tiermodellen
  • Kopfverletzungen
  • β-Blocker
  • landwirtschaftliche Tätigkeit
  • Trinkwasser aus Brunnen
  • Einnahme bestimmter Medikamente, wobei die Ergebnisse hier noch zu verifizieren sein werden:
    • Antipsychotika
      • insbesondere von Phenothiazinen, Benzamiden, Haloperidol oder Risperidon durch ältere Menschen
  • Lösungsmittel,
    • insbesondere Trichlorethylen

7.4. Umweltfaktoren, die das Parkinson-Risiko verringern

Faktoren, die das Parkinson-Risiko signifikant senken, sind u.a.:19

  • Zigaretten
    • Parkinson-Betroffene können das Rauchen leichter aufgeben
  • Kaffee
  • Alkoholkonsum
  • nichtsteroidale Entzündungshemmer
  • Ca2+-Kanalblocker

8. Diagnostik

Als unterstützendes Instrument zur Diagnostik von Parkinson kann ein “Dopamine Transporter Scan” verwendet werden. Dieser ist seit 2011 von der FDA hierzu zugelassen und ermöglicht eine einfache grobe Abschätzung der DAT-Anzahl.30

9. Behandlung

9.1. Medikation von Parkinson

9.1.1. Dopaminagonisten

Dopaminagonisten wirken direkt an den Dopaminrezeptoren.
Langsames Eindosieren erforderlich (wie Stimulanzien bei ADHS).
Seltenere Wirkungsschwankungen oder Unruhebewegungen bei langjähriger Einnahme als L-Dopa.
Mittel erster Wahl. Erst wenn nicht ausreichend, Ergänzung durch L-Dopa.

  • Non-Ergot-Dopaminagonisten ((moderner; selektive D2-Rezeptor-Agonisten)
    • Apomorphin
      • D2-Agonist
    • Piribedil
    • Pramipexol
    • Ropinirol
      • selektiver D2- und D3-Agonist
    • Rotigotin
  • Ergot-Dopaminagonisten (klassische Mutterkornalkaloide)
    • Bromocriptin
    • Cabergolin
    • Dihydroergocryptin
    • Lisurid
    • Pergolid

9.1.2. L-Dopa (Levodopa)

L-Dopa ist ein Prodrug von Dopamin. L-Dopa ist das wirksamste Parkinson-Medikament
Eher bei älteren Betroffenen.
Zunächst orale Einnahme, Steigerung gegebenenfalls bis hin zur kontinuierlichen Infusion
IdR kombiniert mit Decarboxylasehemmern. Decarboxylasehemmer bewirken, dass L-Dopa nicht schon im Blut, sondern erst im Gehirn zu Dopamin umgewandelt wird:

  • Benserazid
  • Carbidopa

Zeit bis Wirkung: ab erster Einnahme bis mehrere Wochen
L-Dopa gibt es als sofort wirksame oder retardierte Präparate.

Auch bei Parkinson ist die enge Verbindung zwischen dem Adenosinsystem und dem Dopaminsystem von Bedeutung.
Eine chronische Gabe von L-Dopa führt zu einer Downregulation durch Internalisierung von D2-Homomeren und A2A-D2-Heteromeren. In der Folge kann eine D2-Aktivierung die Phospho-CREB-Bildung erhöhen, was ein atypisches cAMP-Reaktionselement (CRE) im A2A-Protomer stimulieren kann. Dies wiederum bewirkt ein Upregulation von A2A-Homomeren, was zu einer Zunahme der Proteinphosphorylierung führt, die pathologische Rezeptormosaike stabilisieren kann, was zu abnormer Motorik und Dyskinesien führt. Der Verlust der therapeutischen Wirkung von L-Dopa könnte vor allem auf die zunehmende Dominanz der A2A-Signalübertragung mit erhöhtem Feuern zurückzuführen sein, weshalb es L-Dopa nicht gelingt, diese Neuronen zum Schweigen zu bringen und die motorische Bremse zu entfernen.31.

In manchen Parkinson-Modellen zeigte L-DOPA eine schützende Wirkung, in anderen zeigte es Toxizität für Neuronen und nicht-neuronale Zellen.
Bei der Autooxidation von L-DOPA entstehen toxische und reaktive ROS und DAQs. In einem Computermodell zeigte L-DOPA einen Verlust dopaminerger neuronaler Endigungen in der Substantia nigra, der die gleichzeitige Verabreichung von Glutathion gemildert wurde. L-DOPA scheint Abhängigkeit von der Sauerstoffspannung neurotoxische wie neuroprotektive Wirkung entfalten zu können. Bei physiologischen Sauerstoffwerten hemmt L-DOPA die mitochondrialen Funktionen, unterdrückt die oxidative Phosphorylierung und leert den NADH-Pool verarmt, ohne dass es zu einer Autooxidation von L-DOPA und zu oxidativen Zellschäden kommt.1

9.1.3. COMT-Hemmer

  • Entacapon
    • allein oder in Kombination mit L-Dopa
  • Tolcapon
    • nur, wenn Entacapon nicht wirksam.
    • Erfordert Überwachung der Leberwerte

9.1.4. MAO-B-Hemmer

MAO-B-Hemmer hemmen den Abbau von Dopamin durch MAO-B.
Verwendung als frühes Medikament bei milder Form oder ergänzend zu anderen Medikamenten bei schwererem Verlauf.

  • Selegilin
    • Abbau zu Amphetaminen
    • Amphetamine können Schlafstörungen begünstigen
    • In diesem Fall Einnahme daher spätestens zur Mittagszeit
  • Rasagilin

9.1.5. Amantadin

Wirkmechanismen:

  • Hemmung des NMDA-Rezeptors
    • dadurch Verringerung der Überaktivität glutaminerger Interneurone im Striatum
  • Indirekter Dopamin-Rezeptor-Agonist im Striatum.
    • erhöhte Dopaminfreisetzung
  • Dopaminwiederaufnahmehemmung

Symptomwirkung:

  • Tremor verringert
  • Akinese verringert.

Nebenwirkungen

  • Hautveränderungen
  • Ödeme
  • Albträume
  • Aktivierende Wirkung
    • bei Schlafstörungen nicht mehr am späteren Nachmittag einnehmen

9.1.6. Anticholinergika

Anticholinergika wirken als Acetylcholin-Antagonisten
Können Tremor (Zittern) verbessern, wenn L-Dopa oder Dopaminagonisten hierfür nicht ausreichen.

Nebenwirkungen (deutlich):

  • Mundtrockenheit
  • Kreislaufstörungen
  • Harnverhalt
  • Vergesslichkeit

9.1.7. Budipin

Budipin hat verschiedene Wirkmechanismen:

  • Dopamin-Agonist
  • Glutamat-NMDA-Rezeptor-Antagonist
  • Dopamin-Wiederaufnahmehemmer
  • Monoaminooxidase-Hemmer

Symptomwirksamkeit:

Tremor (Zittern) wird verringert

Nebenwirkungen (erheblich):

  • Herzrhythmusstörungen
    • verlängerte QT-Zeit
    • regelmäßige EKG-Kontrollen erforderlich.
  • Mundtrockenheit
  • Kreislaufstörungen
  • Harnverhalt
  • Vergesslichkeit
  • Sinnestäuschungen
  • Albträume
  • Kopfschmerzen
  • Sehstörungen
  • Hitzewallungen
  • Appetitlosigkeit
  • Akathisie

Kontraindikationen:

  • Myasthenia gravis
  • Herzinsuffizienz
  • Kardiomyopathien
  • AV-Block
  • Bradykardie
  • ventrikuläre Arrhythmien
  • Hypokaliämie
  • Hypomagnesiämie

9.1.8. Stimulanzien

Stimulanzien, wie sie auch bei ADHS gebräuchlich sind, scheinen die Behandlung von Parkinson zu unterstützen.

  • Amphetaminmedikamente
  • Methylphenidat32

9.1.9. Antioxidanten

Aufgrund der Anteile von ROS an der Entstehung von Parkinson wird die Nutzung von ROS-Antioxidanten erörtert. Curcumin ist ein Kandidat zur Verringerung der ROS.15

9.2. Nichtmedikamentöse Behandlung von Parkinson

Als nichtmedikamentöse Behandlung von Parkinson kommt in Betracht:12
- tiefe Hirnstimulation (Hirnschrittmacher)
- Ergotherapie
- Physiotherapie
- Logopädie
- Psychoedukation und Selbsthilfegruppen


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Diese Seite wurde am 19.12.2023 zuletzt aktualisiert.