Viloxazin
Markennamen: Viloxazin, Emovit, Viloxazina, Viloxazinum, Vivarint, Vicilan, Vivalan, Catatrol
Viloxazin moduliert die Serotonin- und Noradrenalinaktivität. Viloxazin erhöht den Serotoninspiegel im präfrontalen Cortex, erhöht jedoch nicht die Noradrenalinausschüttung. Es hat eine schwache Wirkung auf Dopamin und zeigt eine geringe Antriebssteigerung im Vergleich zu anderen ADHS-Medikamenten.
Viloxazin ist gut verträglich und hat Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit, verminderter Appetit und Kopfschmerzen.
Es sollte nicht bei Epilepsieneigung, schwerer Leberinsuffizienz oder während der Schwangerschaft eingenommen werden.
1. Wirkmechanismen von Viloxazin¶
Viloxazin wirkt als
- stark:
- selektiver Serotonin-5-HT2B-Rezeptor-Antagonist
- Serotonin-5-HT2C-Rezeptor-Agonist
- moderat:
- selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (Ki: 0,63 μM)
- dadurch Erhöhung von Dopamin und Noradrenalin im PFC
- keine zusätzliche Ausschüttung von Noradrenalin
- schwach:
- Serotonin-5-HT7-Rezeptor-Antagonist
- α1B-Adrenozeptor-Antagonist
- β2-Adrenozeptor-Antagonist
- sehr schwach:
- kompetitiver und reversibler Inhibitor der Monoaminoxidase A und B.
Viloxazin erhöht nachweislich den Serotoninspiegel im PFC. Es scheint jedoch nicht als Serotoninwiederaufnahmehemmer zu wirken.
Es erhöht die Noradrenalinausschüttung nicht.
Viloxazin erhöht den Dopaminspiegel im Nucleus accumbens deutlich weniger als Stimulanzien. Die Behauptung der Autoren, dass Nichtstimulanzien geringere Nebenwirkungen zeigen würden, betrachten wir als verfehlt. Nichtstimulanzien (Atomoxetin, Guanfacin) haben deutlich höhere Nebenwirkungen bei zugleich deutlich geringerer Effektstärke als Stimulanzien.
Andere In-vitro-Studien fanden keine Dopaminfreisetzung im Striatum und nur eine geringe Wirkung auf Dopaminrezeptoren oder DAT. In Nagetieren erhöhte Viloxazin Dopamin in vivo im PFC deutlich, in der Amygdala mäßig und im Nucleus accumbens minimal. Die Dopaminerhöhung im PFC dürfte eine Folge der NET-Wiederaufnahmehemmung sein. Die minimale Wirkung von Viloxazin auf Dopamin im Nucleus accumbens könnte auf eine geringe Missbrauchsanfälligkeit hindeuten. Wir vermuten daher eine geringere Antriebssteigerung als Stimulanzien.
Viloxazin erhöht den Plasmaspiegel des Adenosin-A1- und A2-Antagonisten Theophyllin deutlich. Es ist denkbar, dass ein Teil der Wirkung von Viloxazin bei ADHS auf die Dopamin erhöhende Wirkung des Adenosin-Antagonisten Theophyllin zurückzuführen sein könnte.
Entgegen fast aller bisher stark genutzten ADHS-Medikamente verändert Viloxazin den Histaminspiegel nicht. Viloxazin scheint an den Histaminrezeptoren H1 und H2 eine schwache kompetitive Hemmung auszuüben (< 25 %).
Pharmakologische Daten:
- Bioverfügbarkeit ca. 88 %
- Tmax (Zeit bis maximale Plasmakonzentration): ca. 5 Stunden bei 200 mg
- Wirkstoff ist stark proteingebunden (76-82 %)
- Mittlere Halbwertszeit von Viloxazin ER beträgt 7 Stunden (2,25 bis 11,75 Stunden).
2. Viloxazin bei ADHS¶
Viloxazin mit verlängerter Wirkstofffreisetzung (Viloxazin ER; SPN-812) zeigte sich in mehreren Phase-2- und Phase-3-Studien mit 200 bis 400 mg / Tag als wirksame und gut verträgliche Alternative für einige Kinder mit ADHS. Der Wirkmechanismus von Viloxazin ist einzigartig, denn es moduliert sowohl die Aktivität von Serotonin als auch von Noradrenalin.
Die Effektstärke von Viloxazin wurde in verschiedenen Studien zwischen 0,46 bis 0,63 ermittelt und ist damit erheblich schwächer als die Effektstärke von Stimulanzien (1,1 bis 1,5).
Verschiedene Phase-II und Phase-III-Studien fanden eine gute Wirkung von Viloxazin bei ADHS bei
- 100 und 200 mg / Tag
- 200 bis 400 g / Tag
- 400 oder 600 mg / Tag
Die verschiedenen Veröffentlichungen zu Phase-III stammen von einer identischen Autorengruppe.
Die Symptomreduktion nach 2 Wochen sagte den Behandlungserfolg nach 6 Wochen recht gut voraus.
Eine Vergleichsstudie fand deutliche Vorteile von Viloxazin ER gegenüber Atomoxetin.
Dosierung:
- Alter von 6 bis 11 Jahre
- empfohlene Anfangsdosis 100 mg oral einmal täglich
- Aufdosierung in Schritten von 100 mg wöchentlich
- empfohlene Höchstdosis 400 mg einmal täglich
- Alter von 12 bis 17 Jahren
- empfohlene Anfangsdosis 200 mg oral einmal täglich in der ersten Woche
- Aufdosierung bis zur maximalen Tagesdosis von 400 mg.
Bei Erwachsenen mit ADHS fand eine Studie bei 40,2 % der Probanden eine Symptom-Reduktion von mehr als 50 % gegenüber dem AISRS-Ausgangswert.
Eine Kombination mit Methylphenidat ist möglich.
3. Nebenwirkungen und Kontraindikationen¶
3.1. Nebenwirkungen von Viloxazin¶
- Schläfrigkeit
- verminderter Appetit
- Kopfschmerzen
- Müdigkeit
- Oberbauchschmerzen
- Übelkeit
- Erbrechen
- Reizbarkeit
3.2. Kontraindikationen für Viloxazin¶
Viloxazin sollte nicht eingenommen werden bei
- Epilepsieneigung
- schwere Leberinsuffizienz
- während oder bei beabsichtigter Schwangerschaft. Viloxazin kann den Fötus schädigen.
- vor Ablauf von vierzehn Tagen nach letzter Einnahme eines Monoaminoxidase-Hemmers (MAOI).
Bei einem kleinen Anteil kindlicher Probanden wurden erhöhte suizidale Tendenzen berichtet.
4. Abbau von Viloxazin¶
Viloxazin wird durch CYP2D6, UGT1A9 und UGT2B15 metabolisiert, möglicherweise auch durch CYP1A2.
Viloxazin ist ein potenter CYP1A2-Inhibitor.
Bei gleichzeitiger Einnahme von durch CYP1A2 metabolisierten Medikamenten kann eine Dosisreduktion von diesen erforderlich sein.