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66 % der Kinder vom ADHS-HI und ADHS-C-Subtyp benötigen eine moderate bis hohe Dosierung.12
Wichtig seien insbesondere “die letzten 10 mg”, um eine optimale Wirkung zu erzielen.3
Bei der Dosierungseinstellung sollte daher nicht zu früh mit der Dosierungssteigerung aufgehört werden. Emotionale Verarmung (“Zombie”) ist Zeichen einer Überdosierung.
Erwachsene benötigen eine deutlich geringere Dosierung, da sich die Anzahl der DAT (Dopamintransporter) mit dem Alter verringert. Die Anzahl der DAT halbiert sich bei 50-Jährigen gegenüber 10-Jährigen, bei Erwachsenen empfiehlt sich eine Einstiegsdosierung von max. 5 mg alle 3 Stunden (unretardiert).
Methylphenidat wird nicht pauschal “nach Körpergewicht” dosiert. Es gibt Betroffene, die mit sehr geringen Dosen MPH (3 bis 5 mg alle 3 Stunden) auskommen. Andere benötigen die maximal empfohlene Dosis von 1 mg/kg Körpergewicht am Tag.
Die Maximaldosis von 1 mg/kg Körpergewicht und Tag gilt vornehmlich für Kinder. Eine umfassende Metastudie von 28 Kohortenstudien an 5524 Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren, bei denen die passende MPH-Dosis stufenweise ermittelt wurde, berichtet eine Bandbreite von 0,8 mg / kg / Tag bis 1,8 mg / kg / Tag.5 Bei Betroffenen, die MPH gut vertragen und mit niedrigeren Dosen lediglich eine moderate Wirkung erzielen, kann auch eine Dosierung von mehr als 1 mg/kg/Tag getestet werden.6
Bei Erwachsenen (mit höherem Körpergewicht) ist die erforderliche Tagesdosis in der Regel deutlich niedriger.
geringere Dosierung bei Erwachsenen
Erwachsene verfügen über weitaus weniger Dopamintransporter und benötigen daher idR weniger MPH als Kinder. Eine Dosierung wie bei Kindern kann bei Erwachsenen daher bereits eine Überdosierung darstellen. Daher ist bei Erwachsenen eine noch langsamere Eindosierung in noch niedrigeren Schritten (Steigerung 2,5 mg bis max. 5 mg unretardiert / Tag, alle 4 Tage) empfehlenswert. Eine Überdosierung kann genau die Symptome verursachen, die eigentlich vermieden werden sollen, da der optimale Dopaminspiegel bereits überschritten ist, was sehr ähnliche Signalübertragungsprobleme verursacht wie der ADHS-typische zu niedrige Dopaminspiegel. Bei einer höheren Dosierung (über 60 mg / Tag) berichten einzelne Neurologen von Anpassungseffekten (nicht statistisch abgesichert).
Empfehlenswert ist auf jeden Fall, MPH so einzusetzen, dass der gesamte Tag abgedeckt wird, nicht aber der spätere Abend und die Nacht.
Details
MPH nur einmalig (morgens) für 3 (unretardiert) oder 6 Stunden (retardiert) zu nehmen, bewirkt, dass der Betroffene danach seiner Stressempfindlichkeit wieder ausgeliefert ist. In den letzten Stunden vor dem Schlafengehen sollte MPH mit Vorsicht benutzt werden. Die meisten Menschen reagieren mit Schlafproblemen. Einigen ermöglicht eine Viertel bis halbe Stimulanziendosis dagegen gerade das Einschlafen, weil es das Gedankenkreisen abstellt. Möglicherweise könnte eine niedrige Dosis unretardierter Stimulanzien bei denjenigen Personen hilfreich sein, die ohnehin ein niedriges Arousal haben. Dies sind Menschen, denen es z.B. hilft, wenn im Hintergrund ein Radio oder ein Fernseher läuft, um sich besser konzentrieren zu können. Anderen hilft es, Hörbücher zu hören, um einschlafen zu können. Menschen mit einem hohen Arousal benötigen eher absolute Ruhe, um sich konzentrieren zu können.
Zur unterschiedlichen Wirkungsdauer der einzelnen MPH-Medikamente siehe unten unter 7.
6.3.1. Langsame Eindosierung in kleinen Schritten¶
Eine langsame und geduldige Eindosierung ist wichtig. Die in Deutschland übliche Eindosierungspraxis ist unserer Auffassung nach deutlich zu schnell.
Grundsätzlich sollte MPH zu Testbeginn niedrig dosiert und die Dosierung nur langsam erhöht werden. Selbst wenn die optimale Dosierung bekannt wäre, würde eine sofortige optimale Dosierung möglicherweise eine Überforderung bewirken7 und Nebenwirkungen forcieren.8
Die Dosierungseinstellung sollte mit 2,5 mg bis maximal 5 mg / 3-4 Stunden beginnen, die erst innerhalb der ersten Tage auf 3 x 5 = 15 mg / Tag ausgedehnt werden. Tests mit höheren Startdosierungen brachten nicht nur keine besseren, sondern sogar schlechtere Wirksamkeitsergebnisse und bewirkten zugleich eine deutlich höhere Abbruchrate aufgrund Nebenwirkungen.8 Andere empfehlen 2,5 bis 5 mg zweimal täglich, bei einer wöchentlichen Steigerung von 2,5 bis 5 mg.697810Da so kleinteilige Eindosierungsstufen den anderen Betroffenen nicht schaden (sondern im Gegenteil Eindosierungsnebenwirkungen vermeiden helfen),11 sollten Dosierungsschritte in 2,5-mg-Schritten (bezogen auf eine unretardierte MPH-Einzeldosis) der Goldstandard sein. So auch Kühle.10 In dieselbe Richtung weist eine große Metastudie.12 Andere Quellen empfehlen einen Start mit 1-2 Einzeldosen zu 5 mg und eine wöchentliche Steigerung der Einzeldosis in 5 mg-Schritten.13 Aus den genannten Gründen halten wir diese Dosissprünge bereits für zu groß.
Für Betroffene, bei denen bereits extrem kleine Dosisunterschiede entscheidend sind, bietet eine Apotheke in der Schweiz MPH-Tropfen an. Ein Tropfen enthält 0,35 mg MPH. Es wird in Chargen hergestellt und mittels E216 und E218 konserviert.14 Eine Betroffene berichtet, dass ein Auflösen von unretardiertem MPH in Alkohol in so exakter Menge, dass diese per Tropfen abgemessen werden konnten, ein vergleichbares Ergebnis zeigte.
Betroffene und (eingeweiht) beobachtende Dritte über Wirkdauer des jeweiligen Präparats und zu erwartenden Rebound aufklären.
Wir halten eine Aufdosierung alle 5 bis 7 Tage um 2,5 mg je Einzeldosis für sinnvoll. Dosierungsschritte von 5 mg / Einzeldosis, wie wir sie früher hier für akzeptabel hielten, halten wir inzwischen für zu hoch, weil es einen relevanten Anteil an Betroffenen gibt, für die 2,5 mg weniger eine Unterdosierung und 2,5 mg mehr eine Überdosierung bedeuten.10 Auch wenn dies nur eine Minderheit der Betroffenen darstellt, wäre es ein Kunstfehler, schneller aufzudosieren, da nie vorausgesehen werden kann, zu welcher Gruppe ein Betroffener gehört. Sieh hierzu auch unten: Genvarianten beeinflussen MPH-Dosierung.
Je jünger ein Betroffener ist und je weniger er von der MPH-Dosis überhaupt merkt, desto eher können die Aufdosierungssprünge erhöht werden.
Im Laufe der Einstellung wird die Dosis so lange erhöht, bis die Merkmale einer Überdosierung mit der nächsten und übernächsten Dosissteigerung verstärkt werden. Danach kann die Dosis bestimmt werden, die die Symptome optimal reduziert, ohne Nebenwirkungen zu verursachen.
Es sind leider Fälle bekannt, in denen Ärzte die Einstellung mit Einzeldosen von 15 oder 20 mg begonnen haben. Wir raten hiervon dringend ab.
Selbst wenn für einige wenige Betroffene dies die richtige Dosierung wäre, wäre auch für sie bei einer solch hohen Einstiegsdosierung in den ersten Wochen das Risiko deutlich erhöht, erheblich stärkere Nebenwirkungsprobleme zu erleiden als bei einer langsameren Einstellung.
Koffein (Thein ist ebenfalls Koffein), Theobromin (dunkler Kakao) und andere Stimulanzien sollten bei der Eindosierung unbedingt vermieden werden. Koffein, das zuvor problemlos vertragen wurde, kann bei gleichzeitiger Einnahme von Stimulanzien plötzlich eine innere Zittrigkeit und andere Beschwerden auslösen, die dann fehlerhaft als Medikamentennebenwirkung fehlinterpretiert werden kann. Bei Neueindosierung von Stimulanzien kann Koffein ein Empfinden wie eine Überdosierung auslösen. Sind die Stimulanzien einmal eindosiert, kann Koffein wieder probiert werden. Missempfindungen können dann korrekt dem Koffein zugeordnet werden.
Ein zeitgleich mit der Eindosierung begonnener Nikotinentzug kann das Ergebnis verfälschen. Häufig sinkt mit der Stimulanzien-Einnahme das Bedürfnis nach Zigaretten von selbst.
Ebenso sollte der Neubeginn einer Nikotinaufnahme während der Stimulanzien-Eindosierung vermieden werden.
Da Erwachsene deutlich weniger Dopamintransporter haben als Kinder (50-Jährige haben nur noch halb so viele wie 10-Jährige,15 ist bei Erwachsenen eine wesentlich geringere Dosierung angezeigt als bei Kindern.
Ein kleiner Anteil der Betroffenen benötigt eine deutlich geringere Dosierung an MPH.
Der CES1-Polymorphismus Gly143Glu wurde in 5,8 % der ADHS-Betroffenen und 4,1 % der Bevölkerung gefunden. Unter 441 Kindern fand sich kein Fall von CES1 Glu143Glu (homozygot).
CES1 Gly143Glu zeigte eine unveränderte Verringerung von Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität-Impulsivität auf MPH.
Träger der CES1 143Glu-Variante (5,56 %), benötigten um knapp 30 % niedrigere MPH-Dosen zur Symptomreduktion.16
Mehr zum Einfluss der CES1-Genvarianten auf die Wirkung von MPH unter Einflüsse auf Wirkstärke von MPH im Beitrag MPH Teil 3: Abbau, Wirkstärke.
6.4. Nebenwirkungen bei der Einstellung auf Methylphenidat¶
In den ersten Tagen kann die Einnahme mit dem Gefühl verbunden sein, als wäre Schnee gefallen – alles ist in Watte gepackt. Dieser (meist sehr angenehm empfundene) Eindruck rührt von dieser Reduzierung der Reizüberflutung her und verschwindet wie die meisten Nebenwirkungen innerhalb weniger Tage.
Selten treten Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schlafprobleme oder weitere auf. Die meisten Nebenwirkungen legen sich innerhalb der ersten Wochen nach der Eindosierung, Das Risiko derartiger Nebenwirkungen kann durch eine (wie oben beschriebene) sehr langsame Eindosierung erheblich reduziert werden.8 Kopfschmerzen können zuweilen durch ausreichendes Trinken und regelmäßiges Essen (ggf. Traubenzucker) verringert oder vermieden werden. Da Stimulanzien das Hungergefühl verringern, kann dies zu einer verringerten Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme beitragen, die Kopfschmerzen mitverursachen kann.
Eine Studie fand, dass MPH keine Schlafprobleme verursachte. Dies könnte von den Ergebnissen anderer Studien möglicherweise deshalb abweichen, weil diese Studie mit 16 Wochen relativ lang andauerte, sodass die Eingewöhnungsnebenwirkungen nicht mehr spürbar waren.17 Eine kleine Studie, die lediglich 14 Tage betrachtete, fand dagegen eine verringerte Schlafdauer und ein verspätetes Einschlafen bei Kindern, die mit retardiertem MPH behandelt wurden.18
Bei einer passenden Dosierung von MPH nimmt die Konzentrationsfähigkeit zu und der innere Druck und eine ggf. vorhandene Hyperaktivität nehmen ab. Steigen letztere diese bei erhöhter Dosierung wieder an, ist dies ein Zeichen für eine zu hohe Dosierung.
Methylphenidat schließt den (bei ADHS-Betroffenen zu weit offenen) Reizfilter. Typische Reaktion von Betroffenen mit passender Dosierung ist, dass sie zu sich selbst kommen, dass sie mehr sie selbst sind.
Stellt der Betroffene fest, dass MPH ihn hibbelig macht (obwohl weder Koffein (Thein ist nur ein anderer Name für Koffein) oder Theobromin (dunkler Kakao) konsumiert wird), sollte gleichwohl zunächst noch vorsichtig weiter gesteigert werden. Es wurde mehrfach beobachtet, dass derartige Nebeneffekte nach einigen Tagen oder auf der nächsthöheren Dosis wieder verschwanden. Bleibt diese Zittrigkeit, ist die Dosierung zu hoch. Das gilt ebenso, wenn die Konzentration zu stark wird, also der Reizfilter zu weit eingeschränkt wird. Eingeschränkte Emotionalität (“Zombie-Effekte”) ist ein deutlicher Hinweis auf eine Überdosierung.
Eine Studie an Affen kam zu dem Ergebnis, dass geringe Dosen von MPH Impulsivität reduzieren, während höhere Dosen sedierend wirken.19
Dies schließt an die empirischen Erfahrungen an, dass ADHS-Betroffene, insbesondere Kinder, unter MPH zuweilen apathisch wirken können. Dies deutet im Anschluss an diese Studie auf eine Überdosierung hin.
6.6. Auch bei Wirkung von MPH, erst recht bei Nebenwirkung / Nonresponding verschiedene MPH-Medikamente ausprobieren¶
Viele Betroffene berichten, dass sie mit dem einem MPH-Präparat Nebenwirkungen erleiden, die sie bei einem anderen MPH-Präparat nicht haben. Diesseits sind Berichte bekannt, dass ein MPH-Präparat (hier: Medikinet) keine Wirkung zeigte, während ein anderes (hier: Concerta) gut ansprach.
Andere Betroffene berichten, dass sie auf ein Präparat (hier: Concerta) mit erhöhten Aggressionen zu kämpfen hatten, was bei einem anderen MPH-Präparat (Medikinet oder unretardiertes MPH) nicht auftrat.
Wieder andere spüren bei Medikinet einen stärkeren Reboundeffekt (Unruheanstieg im Moment des Abklingens der Wirkung) als bei anderen MPH-Präparaten.
Die verschiedenen MPH-Präparate zeigen sehr unterschiedliche zeitliche Abläufe der Wirkstofffreisetzung .Zudem wird MPH je nach Hersteller in verschiedene Trägerstoffe eingebettet.
Bei einer bestehenden Glutenunverträglichkeit ist in Weizenstärke eingebettetes MPH naturgemäß untauglich. Vergleichbares kann sich in Bezug auf Laktoseunverträglichkeit ergeben.
Bleibt eine befriedigende Wirkung bei allen MPH-Präparaten aus (die typische Nonresponder-Rate beträgt knapp 30 %), sollte stets eine Medikation mit Amphetamin-Medikamenten erfolgen. Dadurch können von den MPH-Nonrespondern weitere 70 bis 80 % zufriedenstellend medikamentiert werden, sodass die Gesamtnonresponderrate von MPH und AMP auf unter 10 % sinkt.
Bei einer fortbestehenden Dysthymie oder Depression trotz befriedigender Wirkung von MPH im Übrigen kann ebenfalls ein Wechsel zu Amphetaminmedikamenten angedacht werden, da diese zugleich leicht serotonerg wirken.
Antidepressive Wirkungen wurden bei MPH-Tagesdosen von 10 bis 30 mg und bei AMP-Tagesdosen von 5 bis 60 mg beobachtet.6
6.7. Begleitumstände der Einstellung und Einnahme¶
Manche Betroffene benötigen ihre MPH-Medikamente immer exakt zur gleichen Zeit.
Es sollte darauf geachtet werden, dass die Einnahme so erfolgt, dass der gesamte Tag abgedeckt ist. Die letzten Dosen des Tages müssen aber so zeitig genommen werden, dass zur Schlafenszeit keine Wirkung mehr besteht.
Details
Während der Einstellung auf MPH sollten Koffein (Kaffee, Schwarztee), Theobromin (dunkler Kakao) und Alkohol komplett gemieden werden, da diese die Wirkung von Stimulanzien verstärken können. Etliche Betroffenen berichten, dass sie durch MPH wesentlich empfindlicher auf derartige Stimulanzien reagieren. Eine Hibbeligkeit kann daher durch Koffein ausgelöst werden, während dieselbe Menge Koffein ohne MPH keine solche Wirkung hatte. Wie Antidepressiva verursacht MPH in den ersten Tagen oder Wochen der Einnahme häufig leichte Nebenwirkungen (Mundtrockenheit etc.), die sich recht bald legen.
Um Appetitlosigkeit vorzubeugen oder abzumildern, empfiehlt sich eine Einnahme zu oder nach den Mahlzeiten.
MPH kann auch bei nicht ADHS-Betroffenen wirken. Es kann (in geringer Dosierung) die Aufmerksamkeit erhöhen, so wie leichter Stress durch eine leichte Anhebung von Noradrenalin und Dopamin im PFC die kognitive Leistungsfähigkeit erhöht.
Eine höhere Dosierung bei Nichtbetroffenen (wie eine geringe Dosierung bei Menschen, die einen ohnehin schon leicht erhöhten Dopamin- oder Noradrenalinspiegel besitzen) kann eine so starke Überhöhung der DA und NE-Spiegel bewirken, dass hierdurch ADHS-Symptome hervorgerufen werden.
Bei ADHS ist der (tonische) Dopaminspiegel im Striatum zu gering, was etliche ADHS-Symptome verursacht. MPH erhöht den Dopaminspiegel im Striatum bei richtiger Dosierung auf das optimale Level. Wird der Dopaminspiegel jedoch über das optimale Level hinaus erhöht – durch Überdosierung bei ADHS-Betroffenen oder bei Einnahme von MPH bei Gesunden – löst diese dieselben Symptome aus, wie bei ADHS, weil die Neurotransmitterkommunikation nur bei dem richtigen Neurotransmitterspiegel optimal funktioniert.20
Der Dopaminanstieg auf Amphetamin-Gabe im dorsalen Striatum (nicht aber im Nucleus accumbens) ist bei männlichen wie weiblichen Ratten höher, wenn diese zuvor chronischem unkontrollierbarem Stress ausgesetzt waren. Dies könnte auf eine abweichende dopaminerge Reaktion auf Stimulanzien (ADHS-Medikamente) bei Betroffenen von chronischem Stress wie von ADHS hindeuten.21
Eine ausdrückliche Einschränkung der Zulassung von Methylphenidat im Seniorenalter existiert nicht. In den MPH-Arzneimittelinformationen findet sich der Hinweis, dass MPH an ältere Menschen nicht vorschrieben werden soll. Bei Lisdexamfetamin existiert ein solcher Hinweis trotz ebenso unzureichender Datenlage nicht.
Eine Behandlung mit MPH in höheren Alter soll gleichwohl eine offlabel Verordnung darstellen können.22
Es bestehen keine Hinweise darauf, dass MPH im Alter Schwierigkeiten bereiten würde.
Eine kleine Studie berichtet eine gute Verträglichkeit bei älteren Betroffenen.23
Methylphenidat ist das Mittel erster Wahl für Kinder. Es bekämpft die Symptome von ADHS deutlich besser als eine einjährige Verhaltenstherapie. Erst nach 3 Jahren Verhaltenstherapie werden vergleichbare Wirkungen erreicht.
Da Stimulanzien die Lern- und Therapiefähigkeit herstellen oder erhöhen, ist es sinnvoll, zunächst akut mit Stimulanzien zu arbeiten, um parallel dazu mittels Verhaltenstherapie und/oder Neurofeedback die Basis zu schaffen, um diese wieder absetzen zu können.
Die mittlere Effektstärke von MPH bei ADHS liegt zwischen 0,9 und 1,3.
Eine MPH-Medikation in Kombination mit noradrenergen Medikamenten oder Zink kann die Wirkung weiter verbessern. Hier ist jedoch vorsichtige Herangehensweise empfohlen. Es empfiehlt sich, hierzu einen Arzt mit Erfahrung in Medikation bei ADHS heranzuziehen.
Die meisten Nebenwirkungen treten lediglich kurzfristig nach Beginn der Medikation auf und verschwinden regelmäßig innerhalb der ersten vier Wochen. Das jeweils kurzzeitige Gefühl einer trockenen / pelzigen Zunge nach der Einnahme könnte länger anhalten.
Ticstörungen werden bei Überdosierung beobachtet. Wenn Betroffene über Monate das Gefühl haben, dass die Welt sich entfernt oder das Leben eintönig wird, ist dies ebenfalls ein deutlicher Hinweis auf Überdosierung.
Bei einer passenden Dosierung vermittelt die Wirkung von MPH ADHS-Betroffenen das Gefühl, dass sie wesentlich mehr sie selbst sind als zuvor. Sollte ein Betroffener das Gefühl haben, durch Stimulanzien weniger er selbst zu sein, ist dies ein sehr ernst zu nehmender Hinweis auf eine Fehldosierung, Fehlanwendung oder Fehldiagnose.
Mehrere Untersuchungen konstatierten, dass Nebenwirkungen auf Stimulanzien vornehmlich bei Betroffenen mit höheren Angstwerten und schnelleren Reaktionszeiten bzw. vorbestehenden Komorbiditäten auftreten.2425
Ein Zusammenhang mit EEG-Werten wurde nicht festgestellt.25
Eine systematischer Review fand keine ernsthaften Nebenwirkungen einer langfristigen MPH-Einnahme.26
Mehrere umfassende Studien konnten keine andauernde Beeinträchtigung des Längenwachstums bei Jungen mit ADHS durch MPH feststellen.27
Eine zeitweilige Beeinträchtigung des Längenwachstums im ersten Jahr der MPH-Behandlung wurde im zweiten Jahr wieder aufgeholt.28 Eine zeitweilige Beeinträchtigung des Längenwachstums ist bei ADHS in der Kindheit häufig und wird in der Adoleszenz regelmäßig aufgeholt. Dies ist offenbar keine spezifische Auswirkung von Methylphenidat.29 Eine andere Studie fand ein 4-fach erhöhtes Risiko eines verringerten Längenwachstums und einer geringeren Gewichtszunahme bei Kindern mit ADHS im Alter von 8 und 10 Jahren. Die Länge der Stimulanzienbehandlung verstärkte dieses Risiko.30
Eine umfassende Studie stellte einen etwas geringeren BMI bei Jungen mit ADHS durch MPH fest.27 Die Gewichtsverringerung durch MPH war in einer anderen Studie nur tendenziell und nicht statistisch signifikant feststellbar.28 Eine große Metaanalyse von 38 Kohortenstudien an 5524 Teilnehmern bis 18 Jahren fand Gewichtsabnahme mit einer OR von 5.11 im Vergleich zu Placebo.5
Bei MPH sind keine erhöhten Meldungen über Leberschäden bekannt.32 Leberwerte sollten bei der Einstellung von ADHS-Medikamenten dennoch grundsätzlich überwacht werden.
Eine große Metaanalyse von 38 Kohortenstudien an 5524 Teilnehmern bis 18 Jahren fand als häufigste Nebenwirkungen Schlafprobleme (OR 4,66), Gewichtsabnahme (OR 5,11), Bauchschmerzen (OR 1,9) und Kopfschmerzen (bei 14 % der MPH-Einnehmer) im Vergleich zu Placebo.5 Schlafschwierigkeiten entstehen insbesondere bei der Eindosierung häufig durch eine zu späte Gabe am Tag. Eine sehr langsame Eindosierung kann Nebenwirkungen vermeiden helfen. Die meisten dieser Nebenwirkungen geben sich innerhalb der ersten Wochen.
Manchen Betroffenen hilft die Gabe einer geringen unretardierten Dosis (1/4 bis 1/2 einer Tageseinzeldosis) beim Einschlafen.6
Eine Studie, die 16 Wochen andauerte, fand, dass MPH keine Schlafprobleme verursachte.17 Eine kleine Studie, die lediglich 14 Tage betrachtete, fand dagegen eine verringerte Schlafdauer und ein verspätetes Einschlafen bei Kindern, die mit retardiertem MPH behandelt wurden.18 Dies deckt sich mit der Erfahrung, dass Schlafprobleme durch MPH möglich sind, aber in der Regel lediglich eine Eindosierungsnebenwirkung darstellen. Wir schließen daraus, dass im Falle von Schlafproblemen durch MPH während der ersten Wochen hilfreich sein könnte, die Tagesabdeckung zu verkürzen. Unabhängig davon empfiehlt sich stets eine langsame Eindosierung in Schritten von max. 2,5 mg / Einzeldosis unretardiertes MPH.
Eine Studie berichtet von einer statistisch signifikanten Erhöhung des Augeninnendrucks nur des linken Auges durch MPH bei ADHS. Eine Veränderung der Dicke der Makula-, Netzhautnervenfaserschicht (RNFL) oder Ganglienzellenschicht (GCL) wurde nicht berichtet.34
Eine sehr umfassende Studie analysierte die Wahrscheinlichkeit von Störungen aus dem Parkinson-Formenkreis (einfacher Tremor bis Parkinson) bei ADHS-Betroffenen mit und ohne Stimulanzieneinnahme über Jahrzehnte der Lebenszeit.35
Die Studie ist hinsichtlich der Ergebnisse höchst interessant:
ADHS erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Parkinson(-ähnlichen) Störung auf Lebenszeit um das 2,4-fache
Parkinson(-ähnliche) Störungen sind noch wahrscheinlicher, wenn die ADHS-Betroffenen Stimulanzien genommen hatten (6-fach)
Parkinson(-ähnliche) Störungen sind bei ADHS-Betroffenen, die Methylphenidat bekamen, 8 mal so häufig wie bei Nichtbetroffenen
Dazu ist festzustellen:
Das Ergebnis steht im Widerspruch zu einer späteren Langzeitstudie (siehe unten).
Die Korrelation ist richtig
Eine Kausalität ist fraglich
Ist Parkinson wahrscheinlicher bei Stimulanzien-Konsumenten oder bei schwererem ADHS, das häufiger mit Stimulanzien behandelt wird?
Eine Aussage hierüber lässt das Studiendesign nicht zu. Dafür wird es andere Untersuchungen benötigen.
Das erhöhte Komorbiditätsrisiko bei ADHS ist nicht auf Parkinson begrenzt.
Die Wahrscheinlichkeit eines frühen Todes ist bei unbehandeltem ADHS drastisch erhöht: von 0,8 % bei Nichtbetroffenen auf 2,3 % bei ADHS-Betroffenen, also plus 1,5 %-Punkte
Aufschlussreicher sind die absoluten Zahlen.
Eine Störung der Basalganglien oder des Cerebellums (eine mit Parkinson verwandte Störung (Tremor) oder Parkinson) bekamen
56 von 24.792 Nicht-ADHS-Betroffenen = 0,23 %
davon 26 = 0,1 % mit weniger als 50 Jahren
davon 19 = 0,08 % bekamen Parkinson
104 von 26,809 ADHS-Betroffenen bei denen nicht bekannt war, dass sie Stimulanzien erhielten = 0.39 %
davon 69 = 0.26 % mit weniger als 50 Jahren
davon 38 = 0.14 % bekamen Parkinson
62 von 4960 ADHS-Betroffenen, bei denen bekannt war, dass sie Stimulanzien erhielten = 1,25 %
davon 42 = 0,85 % mit weniger als 50 Jahren
davon 19 = 0.38 % bekamen Parkinson
60 % der Stimulanzien-Einnehmer hatten Amphetaminmedikamente, 40 % Methylphenidat erhalten. Wenn das Risiko bei allen Stimulantieneinnehmern 6-fach ist, und bei MPH, das von lediglich 40 % genommen wurde, 8-fach höher ist, muss es bei Amphetaminmedikamenten also ganz deutlich geringer als das 4-fache sein.
Das bedeutet: Das Risiko für eine Parkinson(verwandte) Störung könnte schätzungsweise betragen
1 % bei ADHS, behandelt mit Amphetaminmedikamenten
2 % bei ADHS, behandelt mit Methylphenidat
Man könnte also auch – genauso richtig – formulieren:
Das Risiko, innerhalb von 20 Jahren eine Parkinson(ähnliche) Störung zu bekommen, ist bei Menschen, die ADHS haben, um 0,16 %-Punkte erhöht (0,16 % mehr Menschen entwickeln eine Parkinson(ähnliche) Störung, wenn sie ADHS haben, als wenn sie es nicht haben). Werden Amphetaminmedikamente eingenommen, ist der Anstieg gegenüber Nichtbetroffenen um 1 %-Punkte erhöht, wird Methylphenidat verordnet, ist das Risiko um 2 %-Punkte erhöht.
Rechnet man das auf 100.000 Menschen um:
1,5 % von 100000 sind 1500 zusätzliche vorzeitige Tote durch ADHS
1 % von 100000 sind 1000 zusätzliche Betroffene von Störungen aus dem Parkinson-Formenkreis (von einem einfachen Tremor bis hin zu Parkinson) bei Amphetaminmedikamenten bei ADHS (ohne zu wissen, ob das an der Schwere des ADHS oder am AMP liegt).
2 % von 100000 sind 2000 zusätzliche Betroffene von Störungen aus dem Parkinson-Formenkreis (von einem einfachen Tremor bis hin zu Parkinson) bei Methylphenidat bei ADHS (ohne zu wissen, ob das an der Schwere des ADHS oder am MPH liegt).
Wenn aber jemand, der nun einmal ADHS hat, die Wahl hat,
mit unbehandeltem ADHS das Risiko eines frühen Todes von 0,8 % auf 2,3 % zu verdreifachen (absolut: plus 1,5 %-Punkte)
was Medikamenten weitgehend beheben können
oder für eine Behandlung ein erhöhtes Risiko für Störungen aus dem Parkinson-Formenkreis (von einem einfachen Tremor bis hin zu Parkinson) um das drei- bis achtfache, aber in absoluten Werten eben nur um 1 bis 2 %-Punkte in Kauf zu nehmen,
dürften es die meisten Menschen bevorzugen, lebend eine zitternde Hand zu haben, als tot eine ruhige.
Weiter folgt daraus, dass, sofern ADHS mit Amphetaminmedikamenten behandelbar ist, diese gegenüber MPH bevorzugt werden sollten.
Vor diesem Hintergrund klingt die Formulierung der Studienergebnisse etwas tendenziös bzw. aufmerksamkeitsheischend.
Das Studiendesign wäre perfekt, um darzustellen, wie viel höher die Sterblichkeit bei Medikation ist. Diese – sehr viel wichtigere Frage – wird indes nicht beantwortet, obwohl diese Daten die Autoren eigentlich geradezu angesprungen haben müssten. Ebenso wird nicht differenziert, dass bei Amphetaminmedikamenten das Risiko nur halb so stark erhöht war wie bei Methylphenidat, sondern es wurde ausschließlich die höhere Zahl von Methylphenidat genannt.
Die Erhöhung des Risikos für Störungen aus dem Parkinson-Formenkreis (von einem einfachen Tremor bis hin zu Parkinson) durch chronisch überdosiertes MPH könnte durch eine erhöhte Produktion von Chinonen und eine Verringerung von Glutathion (GSH, γ-L-Glutamyl-L-cysteinylglycin) entstehen.36 Eine chronische Gabe von 10 mg MPH / kg (ca. das 10-fache der maximalen therapeutischen Menge beim Menschen) förderte einen Verlust dopaminerger Zellen in der Substantia nigra.37 Ein Verlust dopaminerger Zellen könnte Parkinsonsymptome erklären. Auch dies deutet darauf hin, dass eine hohe Dosierung von MPH möglichst vermieden werden sollte.
Eine deutsche Studie fand keinen Anhaltspunkt für eine Korrelation von Parkinson und Einnahme Psychostimulanzien wie Methylphenidat in der Kindheit.38
Eine weitere Langzeitstudie fand, dass bei ADHS eine Stimulanzienverschriebung das Parkinsonrisiko um 60 % verringerte.39
Nach einer sehr großen Studie ist das Risiko, eine Psychose zu entwickeln, für ADHS-Betroffene, die MPH einnehmen, mit 0,10 % geringer als das derjenigen, die mit Amphetaminmedikamenten behandelt werden (0,21 %).40 Während mit Stimulanzien behandelte ADHS-Betroffene 2,4 Psychosefälle je 1000 Personenjahre (0,24 %) haben, sind es über die Gesamtbevölkerung 0,0214 %.41 Die Studien lassen keine Aussage darüber zu, ob die Erhöhung der Psychoseprävalenz auf das Bestehen der ADHS oder auf die Gabe von Stimulanzien zurückzuführen ist. Die Verdoppelung des Risikos durch Amphetaminmedikamente gegenüber MPH-Präparaten deutet jedoch darauf hin.
Eine weitere große Studie anhand des schwedischen Gesundheitsregisters mit 23.898 jugendlichen und jungen Erwachsenen ADHS-Betroffenen verglich das Psychoserisiko vor und nach MPH-Gabe und konnte mit 4 % lediglich eine nicht signifikante Erhöhung der Psychoserisikos durch Methylphenidat feststellen.42 Dies deckt sich mit einer weiteren großen Kohortenstudie, die bei ADHS generell ein erheblich erhöhtes Psychoserisiko fand. Stimulanzien erhöhten dieses Risiko sehr leicht weiter (6 %), während die Erhöhung durch Nichtstimulantien mit 15 % fast dreimal so hoch war wie durch Stimulanzien.43 Wenn, scheinen eher hohe MPH-Dosierungen das Psychoserisiko zu erhöhen.44
Die Vorteile einer Behandlung von ADHS (Verringerung der vorzeitigen Sterblichkeit, Verringerung des lebenslangen Depressions- und Angststörungsrisikos, Verringerung des Suchtrisikos etc.) überwiegen das mögliche Risiko deutlich.
Mehr zu den Risiken von (unbehandeltem) ADHS unter ⇒ Folgen von ADHS.
Eine Behandlung mit MPH erhöht das Risiko einer Anorexie um das 4,66-fache.45
Bei Betroffenen mit Magersuchttendenzen sollte eine Behandlung mit Stimulanzien daher unterbleiben.
Methylphenidat soll die Krampfschwelle senken können. Dies betreffe Patienten mit bestehender Krampfanfall-Anamnese (z.B. Epileptiker) wie Patienten mit Auffälligkeiten im EEG ohne bisherige Krampfanfälle. Selten soll MPH Krampfanfälle auch ohne die genannten Vorrisiken auslösen können.
Bei einer Zunahme der Anfallshäufigkeit bzw. bei neu auftretenden Krampfanfällen sollte Methylphenidat abgesetzt werden.46
Komorbide Angststörungen, Depressionen und Aggressionen können durch Stimulanzien verstärkt werden, da Angst und Stimmungen durch die dopaminerge Aktivität des ventromedialen PFC in Verbindung mit dem limbischen System reguliert werden. In diesen Fällen empfehlen sich stattdessen Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer oder α2A-Adrenozeptor-Agonisten.47
Eine (recht kleine) Untersuchung fand keine kurzfristige Veränderung des Angstzustands (state anxiety) durch eine Einzeldosis MPH, jedoch Hinweise auf eine mögliche langfristige Verschlechterung.48
Eine Studie fand, dass MPH nicht mit einem erhöhten Risiko einer Manie bei Patienten mit bipolarer Störung verbunden war. Nach der MPH-Behandlung gingen Manien um 50 % zurück. Auch depressive Episoden und psychiatrische Einweisungen verringerten sich.49
MPH erhöht Histamin,50 ebenso wie alle anderen bekannten ADHS-Medikamente auch:
Atomoxetin
Amphetamin
Modafinil
Nikotin
Koffein
Daher haben Menschen mit Histaminintoleranz häufig Probleme durch Einnahme von ADHS-Medikamenten.
Eine ADHS-Betroffene mit Histaminintoleranz berichtete, dass sie AMP und retardiertes MPH gar nicht vertrug, unretardiertes MPH in geringen Dosen jedoch tolerieren konnte.
Die Hypothese, dass Methylphenidat erhöhte Herzprobleme verursachen würde, wurde nicht bestätigt.51 Veränderungen der EEG-Werte wurden nicht festgestellt.25 Eine Metastudie fand leicht erhöhte Werte unterhalb statistischer Signifikanz.52
Eine erste Studie mit n = 564 Betroffenen, die eine erhöhte Herztodrate an Kindern, die MPH einnahmen, vermutet hatte, wurde durch eine Vielzahl weiterer Studien, unter anderem durch eine große Studie mit n = 241.417 mit MPH medikamentierten Kindern widerlegt.53 Eine sehr große Studie fand für MPH unter 2.566.995 Kindern keinerlei erhöhte Risiken schwerwiegender kardiovaskulärer Vorfälle wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Herzrhythmusstörungen.54
Es gibt zudem Studien, die sogar ein verringertes Herztodrisiko unter MPH bestätigen, was sich durch die ärztliche Betreuung der Betroffenen erklärt.
Bei Erwachsenen sollen kardiovaskuläre Probleme durch MPH möglich sein.55
Eine Untersuchung fand keine signifikante Änderung der Herzfrequenz, des QRS, des QT, des QTc und des QTd-Intervalls in EKGs durch MPH.
Die Tp-Te-Intervalle und die Tp-Te / QTc-Verhältnisse waren nach der Behandlung mit MPH leicht erhöht, aber innerhalb der normalen Werte.56
Als Rebound wird ein kurzzeitiges Ansteigen der eigentlich durch MPH verringerten Symptome am Ende der Wirkzeit von Medikamenten bezeichnet. Wirkt eine MPH-Dosis rund 3 Stunden, so können am Ende der 3 Stunden oder unmittelbar danach für ca. 20 bis 30 Minuten die ADHS-Symptome verstärkt auftreten.
Rebound wird bei unretardiertem MPH häufiger und deutlicher berichtet als bei retardiertem MPH.57
Wir gehen davon aus, dass ein Rebound durch einen zu schnellen Rückgang des Dopamin- / Noradrenalinspiegels hervorgerufen wird. Bei Medikamenten, die einen sehr langsamen Wirkungsrückgang zeigen, scheint ein Rebound seltener aufzutreten.
Ein Rebound kann vermieden werden, indem die Anschlussdosis so rechtzeitig eingenommen wird, dass kein wirkstofffreier Zeitraum verbleibt.
Bei der letzten Tagesdosis soll der Rebound durch eine Einnahme einer sehr viel kleineren Dosis als der üblichen Einzeldosis zu dem Zeitpunkt, an dem sonst die Anschlussdosis genommen würde, abgemildert oder vermieden werden können.
Die uns bisher bekannten Berichte über schädigende Wirkung einer Langzeiteinnahme von MPH basieren durchgängig auf einer massiven Überdosierung. Derartige Untersuchungen sind sinnvoll, um die Grenzen der Verträglichkeit eines Wirkstoffs auszuloten. Sie besagen jedoch nichts über Gefahren bei einer langfristigen Einnahme in medikamentenüblichen Dosen.
Zur Relation: Menschen benötigen 30 bis 40 ml Wasser je kg und Tag (2 bis 3 Liter). 3 Liter Wasser auf einmal oder 5 Liter Wasser am Tag können jedoch bereits tödlich wirken. Demnach kann schon eine Verdoppelung der Gabe von Wasser beim Menschen tödliche Wirkungen haben.
Bei einer langfristigen Gabe des 15- bis 20-fachen der als Medikament üblichen Tagesdosis fand eine Studie bei erwachsenen Ratten Schäden an Morphologie und Funktion des Cerebellums.58
Eine Studie an Ratten, die in der Pubertät mit 5 mg/kg/Tag das Fünffache der bei Menschen üblichen maximalen Tagesdosis erhielten, fand bei den erwachsenen Tieren eine Beeinträchtigung der Spermaqualität.59 Es handelte sich zudem um Wistar-Ratten, also Ratten, die keinen Dopaminmangel aufweisen.
Bei Hyperaktivitäts-Betroffenen fand sich nach Methylphenidat-Einnahme kein statistisch signifikanter Unterschied der Spermienzahl, jedoch ein signifikanter Unterschied in Bezug auf die Spermienmotilität und -anomalie.60
In einer Studie erhielten Affen zweimal täglich 2,5 mg/kg oder 12,5 mg /kg MPH. 12,5 mg / kg zweimal täglich ist rund das 25-fache der üblicherweise empfohlenen Maximaldosierung für Menschen und stellt aus unserer Sicht eher eine Drogendosis als eine Medikamentendosis dar.
Bis auf eine vorübergehende Verringerung der Motivation nach dem Ende der MPH-Gabe (auch diese nur bei der “Drogendosis”) fanden sich keine negativen Auswirkungen.61
Bei zweimal 12,5 mg/kg / Tag zeigte sich zudem, wie bei derartiger Überdosierung zu erwarten, eine deutliche Verschlechterung der kognitiven Leistung.62
Eine Studie an Primaten fand 6 Monate nach Beendigung einer 12 Jahre andauernden Langzeitgabe von MPH keine Veränderung von Gehirnparametern.63
Im Falle von Operationen ist neben der aufgrund der teilweise deutlich erhöhten (Medikamenten-)Sensibilität bei ADHS-Betroffenen auch die Frage von Kreuzwirkungen von ADHS-Medikamenten mit Narkosemitteln zu beachten.
Eine Doppelblindstudie aus 1980 fand keine Veränderung der postoperativen Schmerzen durch MPH. Methylphenidat verkürzte bei Halothan-Narkose die postoperative Sedierung um bis zu 30 Minuten und verbesserte die Atmungsfunktion um bis zu 180 Minuten.64 Halothan wird heute nicht mehr verwendet.
Eine Case study berichtet von einem verringerten Ansprechen auf Sedativa und erhöhte Nebenwirkungen durch MPH:65
Eine Studie berichtet eine Korrelation zwischen Aufmerksamkeitsproblemen und postoperativem Delir.66
Wie bei jedem Medikament gibt es auch bei MPH Kontraindikationen.
Eine Einnahme ohne vorherige ärztliche Konsultation ist riskant!
Methylphenidat wird unabhängig vom Cytochrom-P450-System metabolisiert, sodass nur nur ein sehr geringes Potenzial für pharmakokinetische Interaktionen besteht.46
11.1. Wechselwirkungen von Methylphenidat mit anderen Medikamenten¶
11.1.1. Verstärkte Wirkung anderer Medikamente / Stoffe durch MPH¶
Koffein kann intensiver wirken
Koffein sollte insbesondere bei der Eindosierung von Stimulanzien (z.B. MPH) strikt gemieden werden. Häufig bewirken Stimulanzien, dass Koffein in Dosen, die bislang problemlos vertragen wurden, nun eine innere Zittrigkeit auslöst. Dies kann fälschlich als (Neben-)Wirkung der Stimulanzien interpretiert werden.
Eine sehr hohe Koffeindosis (zig-fach über Medikamentenniveau) über mehrere Tage verringerte bei Ratten die Wirksamkeit von MPH, und umgekehrt. Dies bestätigt, dass MPH und Koffein gemeinsame,6970 aber nicht identische71 Wirkmechanismen haben.
Alkohol
Eine umfangreiche Metaanalyse fand wenig Anhaltspunkte, dass ADHS-Medikamente in Kombination mit Alkohol oder anderen Drogen besondere negative Effekte verzeichnen würden.72
Zusammen mit MPH eingenommen kann Alkohol intensiver wirken
Zusammen mit MPH eingenommener Alkohol kann den MPH-Spiegel erhöhen73
alle Sympathomimetika74 können durch MPH verstärkt werden.
Betroffene Wirkstoffe:
In den letzten 14 Tagen vor der MPH-Einnahme sollten keine Monoaminoxidasehemmer (MAOI) eingenommen worden sein. Die gleichzeitige Einnahme von MAOI und Methylphenidat kann eine plötzliche Erhöhung des Blutdrucks zur Folge haben.7546
Johanniskraut ist ein MAOI76 und hemmt ebenso COMT.
In Bezug auf Johanniskraut (St. John’s wort) gibt es Verdachtsmomente für Wechselwirkungen mit MPH.77
Tranylcypromin
Bis 14 Tage nach Einnahme von Tranylcypromin sollte MPH gemieden werden78
können bei Patienten unter Methylphenidat Blutdruckspitzen auslösen46 Bei geplanten chirurgischen Eingriffen sollte Methylphenidat am Operationstag nicht angewendet werden.
Alle zentral dopaminerge und noradrenergen Wirkstoffe46
Hier sollte eine engmaschige Kontrolle des Blutdrucks erfolgen.
Beispiele:
Moclobemid
Linezolid
Selegilin
Rasagilin
Levodopa
sonstige Parkinsonmittel
zentral wirkende α2-Agonisten, z.B.
Clonidin
Methyldopa
11.1.2. Hemmung der Verstoffwechselung anderer Medikamente durch MPH¶
2 Einzelfallberichte deuten an, dass mindestens eine Verdoppelung der MPH-Dosis erforderlich sein könnte, wenn zugleich Carbamazepin hochdosiert gegeben wird80
Rifampin möglicherweise80 MPH verringert die Wirkung von Antikonvulsiva74 Antikonvulsiva verringern nach einigen Wochen den MPH-Blutspiegel80
Imipramin74
Methylphenidat verstärkt die Wirkung von Imipramin,80 während Imipramin zugleich die Wirkung von MPH verstärkt. Daher ist eine besonders vorsichtige Dosierung von Imipramin bei gleichzeitiger MPH-Gabe empfehlenswert.
Symptome sind:
Verwirrtheit und Agitiertheit
Stimmungslabilität
Gereiztheit und Aggressivität
Psychotische Symptome
Phenylbutazon (Butazolidin)74
Phenylbutazon ist ein heute nur noch selten verwendetes nichtsteroidales Antirheumatikum.
orale Antikoagulanzien vom Cumarin-Typ, z.B. Phenprocoumon, Warfarin
Hier sind Wirkungsschwankungen durch Interaktion mit Methylphenidat möglich. Mechanismus ist unbekannt. Beim An- und Absetzen von Methylphenidat empfiehlt sich daher eine engmaschige Überwachung der Gerinnungsparameter.46
11.1.3. Veränderungen der Wirkung von MPH durch andere Medikamente¶
Ein erhöhter Magen-pH-Wert ab 5,5 kann bei Medikinet adult die Wirkstofffreisetzung der retardierten Anteile beschleunigen / erhöhen. Die Freisetzung von Methylphenidat aus Ritalin adult erfolgt hingegen pH-unabhängig. Bei Ritalin adult ist gleichwohl eine Resorptionsverminderung durch Antazida möglich.46
Der Magen-pH-Wert kann erhöht werden durch:
Protonenpumpenhemmer, z.B.
Pantoprazol
Omeprazol
H2-Antagonisten (wenn auch weniger wahrscheinlich), z.B.
Ranitidin
Famotidin
Antazida
Chronisches orales MPH allein erzeugte bei Ratten im Striatum eine Tendenz zu81
erhöhter Dynorphin-Expression
erhöhter Substanz P-Expression
unveränderter Enkephalin-Expression.
Orales Fluoxetin allein veränderte die Expression dieser Gene nicht.
MPH und Fluoxetin gemeinsam bewirkten
stark erhöhte Dynorphin-Expression
stark erhöhte Substanz P-Expression
erhöhte Enkephalin-Expression
Oxytocin potenziert die durch MPH induzierten Stimulation der tonischen (extrazellulären) Dopaminfeuerung, wahrscheinlich durch Modulation der Dopamin-Rezeptor-Signalpfade. Oxytocin beeinflusste weder die durch MPH bewirkte Dopaminwiederaufnahme noch das durch MPH bewirkte phasische Dopaminfeuern.82
Methylphenidat kann den Blutdruck bei Kindern erhöhen.
Bei Kindern mit ADHS scheinen die Blutplasmawerte von Stickoxid erhöht und von asymmetrischem Dimethylarginin (ADMA) verringert. ADMA hemmt die Blutdruck erhöhende Wirkung von Stickoxid. Bei MPH-Einnahme erhöhten sich die Stickoxid-Plasmawerte weiter. Dies könnte möglicherweise an einer verringerten Hemmung von Stickoxid durch ADMA bei MPH-Gabe liegen und eine Ursache der Blutdruck erhöhenden Wirkung von MPH darstellen.55
Eine umfassende Studie konnte dagegen keine Beeinträchtigung des Blutdrucks bei Jungen mit ADHS durch MPH feststellen.31
Bei Bluthochdruckrisikopatienten ist daher abzuwägen, inwieweit das mögliche Risiko einer medikamentenbedingten Blutdruckerhöhung den möglichen Vorteil eines verringerten Blutdrucks aufgrund der verringerten Stressempfindlichkeit überwiegt.
Eine Studie fand kein verringertes Gewicht der Neugeborenen von Müttern mit ADHS, die während der Schwangerschaft Amphetaminmedikamente einnahmen.83 Dies deckt sich mit Ergebnissen von einer großen Kohortenstudie bei MPH-Einnahme in der Schwangerschaft.84
Eine weitere Studie umfassende Studie fand eine leichte Verringerung des Geburtsgewichts sowie eine leichte Erhöhung der Risiken von Präeklampsie, Plazentaunterbrechung oder Frühgeburt bei Stimulanzieneinnahme (AMP oder MPH) in der Schwangerschaft, die allerdings so gering war, dass die Autoren keine Absetzung der Stimulanzieneinnahme in der Schwangerschaft empfahlen.85 Atomoxetin zeigte diese leichten Risikoerhöhungen nicht.
Eine dänische Kohortenstudie fand ein verdoppeltes Risiko von Fehlgeburten bei der Einnahme von Stimulanzien während der Schwangerschaft.86
Eine weitere dänische Kohortenstudie fand eine sehr geringe Zunahme von Missbildungen bei Kindern von Müttern, die im ersten Schwangerschaftstrimester MPH eingenommen hatten. Die Autoren bezeichneten die Risikoerhöhung als nicht relevant.87 Eine kleinere Studie fand kein erhöhtes Risiko.88
Eine Metaanalyse von 4 Kohortenstudien fand eine kleine, aber statistisch signifikante Erhöhung des Risikos für Missbildungen und Herzmissbildungen bei Kindern, deren Mutter in der frühen Schwangerschaft MPH eingenommen hatte.89
Eine Studie an Mäusen fand erhöhte ADHS-Symptome beim Nachwuchs durch MPH-Gabe während der Schwangerschaft. Eine 2,5- bis 15-fache Dosierung (im Vergleich zum üblichen maximalen Medikamentenniveau) bewirkte verringerte Expressionen der D2-Rezeptor- und der Dopamintransportergene, wie sie bei ADHS häufig sind.90 Dies deckt sich plausibel mit dem Modell von Gehirnentwicklungsstörungen, die durch einen Mangel an Dopamin (z.B. genetisch ererbt oder aufgrund chronischem Stress) oder einen Überschuss an Dopamin (z.B. durch Stimulanziengabe bei Nichtbetroffenen) verursacht werden. Mehr hierzu unter ⇒ Gehirnentwicklungsstörung und ADHS im Kapitel ⇒ Entstehung.
Trott, Wirth (2000): die Pharmakotherapie der hyperkinetischen Störungen; in: Steinhausen (Herausgeber) hyperkinetischen Störungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, 2. Aufl., Seite 213, mit weiteren Nachweisen ↥