Guanfacin ist in den USA seit 2009 zugelassen, dort auch für Erwachsenen-ADHS.
In Deutschland wurde Guanfacin in retardierter Form 2015 zugelassen und kam 2016 mit der Indikation für ADHS bei Kindern und Jugendlichen auf den Markt.
Guafacin ist ein selektiver postsynaptischer α-2A-Adrenorezeptor-Agonist in frontalen pyramidenförmigen Neuronen.
Daneben ist Guanfacin ein Imidazolin-Rezeptor-Agonist.
Guanfacin hemmte Ionenströme, die durch von SCN9A kodierte NaV1.7-Kanäle und andere NaV-Kanal-Subtypen in unterschiedlichem Ausmaß hervorgerufen wurden.
Es unterliegt nicht der Betäubungsmittelverordnung.
Frühere Bezeichnung: BS 100-141 (in den 1970er Jahren)
Handelsname: Intuniv
ADHS-Wirksamkeit wahrscheinlich durch erhöhte α-2A-adrenerge Signalübertragung, postsynaptisch im PFC.
Alpha-2-Adrenorezeptoren (auch: Alpha-2-Adrenozeptoren) werden von den Neurotransmittern Adrenalin und Noradrenalin aktiviert. Sie sind damit für die Wirkungen verantwortlich, die durch Adrenalin und Noradrenalin vermittelt werden. Die Aktivierung des Alpha1-Adrenozeptors ist häufig mit Erregung verbunden, die Aktivierung des Alpha2-Adrenozeptors (der vorherrschende Typ im LC selbst) mit Hemmung.
Agonisten verstärken die Wirkung der Rezeptoren, Antagonisten schwächen sie ab.
Alpha-2-Agonisten (Guanfacin und Clonidin) beeinflussen das Gleichgewicht zwischen phasischer und tonischer Aktivität der Locus coeruleus-Neuronen, indem sie auf die postsynaptischen alpha2A-Autorezeptoren einwirken.
Guanfacin wirkt im Ergebnis noradrenerg.
Ein selektiver α-2A-Adrenorezeptor-Antagonist erhöhte bei Ratten Noradrenalin-, Serotonin- und Dopamin-Spiegel signifikant, was mit einem verringerten Monoaminumsatz korrelierte.
Maximale Blutplasmawerte nach 5 Stunden.
Eliminationshalbwertszeit 18 Stunden, daher für einmalige tägliche Einnahme geeignet.
Erhöhte Wirkstoffaufnahme bei Einnahme mit fettreicher Mahlzeit; Einnahme sollte daher nüchtern erfolgen
Guanfacin sollte nicht mit Grapefruitsaft eingenommen werden.
Die Tabletten dürfen nicht gekaut oder zerkleinert werden.
Metabolismus auch über CYP3A4 und CYP3A5, daher Potential für Wechselwirkungen mit Medikamenten wie Ketoconazol und Rifampicin.
Inhibitor von CYP3A4 und CYP3A5.
1. Wirksamkeit, Anwendung¶
Etliche Untersuchungen haben die Wirksamkeit von Guanfacin bei ADHS bestätigt.
Bei Kindern und Jugendlichen, die auf Stimulanzien nicht optimal ansprechen, ist Guanfacin gut wirksam. Hierfür ist Guanfacin in Europa auch zugelassen.
Nach einer Untersuchung wurde in einem akademischen medizinischen Behandlungszentrum (wahrscheinlich in den USA) bei Kindern mit ADHS, Verhaltensstörungen (DBD) oder Autismusspektrumsstörung zwischen 2 und 5 Jahren vornehmlich ein Alpha-Agonist (wie Guanfacin) eingesetzt. Bei Kindern ohne Autismusspektrumsstörung wurden vornehmlich Stimulanzien verwendet.
In Bezug auf erwachsene ADHS-Betroffene, die auf Stimulanzien nicht optimal ansprechen, gibt es keine eindeutigen Wirkungsnachweise. Eine Studie fand Verbesserungen bei Guanfacin und bei Placebo gegenüber bisheriger Medikation.
1.1. Wirkung von Guanfacin auf Symptome¶
Es wird vertreten, dass Guanfacin selektiver auf den PFC und die dort beherbergten Unaufmerksamkeits- und Organisationsprobleme wirke, während Stimulanzien breiter wirkten und neben dem PFC auch das Striatum beeinflussen, das primär für Hyperaktivität und Impulsivität verantwortlich ist.
- Arbeitsgedächtnis verbessert
- Aufmerksamkeit verbessert
- Reduzierung des ADHS-RS-IV-Gesamtscores durch Guanfacin um 8,9, Atomoxetin lediglich um 3,8.
- Rejection Sensitivity und/oder Dysphorie bei ADHS: Guanfacin oder, wenn dieses nicht wirkt, Clonidin, sollen hilfreich sein.
- Hyperaktivität
-
Impulsivität
- komorbide Störungen bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS
- Autismus-Symptome
- oppositionelles Trotzverhalten
- emotionale und verhaltensmäßige Dysregulation aufgrund traumatischer Stresserfahrungen.
- möglicherweise auf Tics
- keine Wirkung auf Angstsymptome
- Auswirkungen auf Depression ist offen
- Die Nebenwirkungen von Guanfacin sind bei komorbiden Erkrankungen und bei reinem ADHS ähnlich
- Wirkung vergleichbar gut bei ADHS-I und ADHS-C.
- Guanfacin wird bereits seit langem als Mittel gegen Bluthochdruck angewendet. Bei ADHS hat es insbesondere Vorteile bei der Behandlung von komorbiden Ticstörungen.
- Während Stimulanzien primär den Dopaminwirkspiegel und sekundär den Noradrenalinspiegel erhöhen, verbessert Guanfacin als Alpha2-Rezeptor-Agonist die Signalübertragung im Frontallappen, indem es das Signal klarer und deutlicher macht.
1.2. Effektstärke von Guanfacin¶
- Die mittlere Effektstärke von Guanfacin soll bei 0,76 liegen. Stimulanzien liegen demgegenüber bei 0,9 bis 1,1 (bei Respondern). Weitere Studien kommen zu vergleichbaren Ergebnissen.
- Reduzierung des ADHS-RS-IV-Gesamtscores durch Guanfacin um 8,9, Atomoxetin lediglich um 3,8
- Eine Kombinationsmedikation aus Methylphenidat und Guanfacin erreicht eine höhere Responderrate als Guanfacin oder Methylphenidat allein. In einer Studie erwies sich Guanfacin allein bei 68 % der Betroffenen mit einer Symptomreduzierung um mindestens 50 % gegenüber Methylphenidat allein (bei 81 % der Betroffenen eine Symptomreduzierung um mindestens 50 %) als unterlegen. Am erfolgreichsten war jedoch eine Kombinationsmedikation aus MPH und Guanfacin (91 % der Betroffenen zeigten eine Symptomreduzierung um mindestens 50 %).
- Die Wirkung auf ADHS-Symptome sei etwas schlechter als die von Stimulanzien, wenn letztere gut ansprechen. Die Wirkung sei bei Kindern besser als bei Jugendlichen.
1.3. Wirkmechanismen von Guanfacin¶
- Als Alpha-2-Adrenoceptor-Agonist reduziert Guanfacin (wie Clonidin) im Labor die Dopaminausschüttung im Nucleus accumbens signifikant.
- Methylphenidat und Amphetaminmedikamente erhöhen die Power von Alpha (bei Ratten), während Atomoxetin und Guanfacin dies nicht tun.
- Guanfacin scheint mehrere Wirkwege zu haben:
- verringert die direkte noradrenerge Übertragung zwischen Locus coeruleus und orbitofrontalem Cortex (OFC) im Ruhezustand
- reduziert die Noradrenalinfreisetzung im Locus coeruleus, orbitofrontalen Cortex und retikulären Thalamuskern
- verbessert die direkte katecholaminerge Übertragung vom Locus coeruleus zum orbitofrontalen Cortex (OFC)
- verbesserte die Katecholaminfreisetzung durch Hemmung von GABA im intermediären Pfad Locus coeruleus – retikulärer Thalamuskern – mediodorsaler Thalamuskern – orbitofrontaler Cortex (OFC)
- reduzierte GABA-Freisetzung im mediodorsalen Thalamuskern
- verstärkte AMPA-induzierte Freisetzung von L-Glutamat, Noradrenalin und Dopamin im orbitofrontalen Cortex (OFC) durch subchronische Gabe
- Guanfacingabe direkt in den OFC veränderte die Katecholaminfreisetzung im OFC nicht
-
Akute lokale Gabe in Locus coeruleus in therapeutischer Dosierung bewirkt
- verringerte Noradrenalinfreisetzung in OFC, VTA und Nucleus reticularis (des Thalamus)
- unveränderte Dopaminfreisetzung im OFC
-
Chronische Gabe (14 Tage) in therapeutischer Dosierung bewirkt
- Downregulation des α2A-Adrenozeptors in Locus coeruleus, OFC und VTA, dadurch
- erhöhte basale Noradrenalinfreisetzung in OFC, VTA, Nucleus reticularis (des Thalamus)
- erhöhte Dopaminfreisetzung im OFC
- unveränderte GABAerge Übertragung innerhalb des Thalamus
- phasenweise erhöhte glutamaterge Übertragung zwischen Thalamus und Cortex.
- Alpha-2A-Rezeptor-Agonisten wie Guanfacin und Clonidin sollen die phasische Noradrenalinausschüttung im Nucleus coeruleus verbessern, was die Aufmerksamkeit sowie das Arbeitsgedächtnis und das visuomotorisch assoziierte lernen verbessert (im Gegensatz zu einer langfristigen tonischen NE-Ausschüttung, die die Leistung verschlechtert).
1.4. Responding von Guanfacin¶
Eine Studie befasste sich mit Merkmalen, die ein gutes Responding einer Guanfacin- oder MPH-Monotherapie und einer MPH-/Guanfacin-Kombinationsmedikation vorhersagten:
- Höhere Hyperaktivität-Impulsivität und oppositionelle Symptome vor der Behandlung
-
Prädiktor für gute Ergebnisse bei MPH-Monotherapie, Guanfacin-Monotherapie und MPH-/Guanfacin-Kombinationsmedikation
- geringere Angstzustände vor der Behandlung
-
Prädiktor für gute Ergebnisse bei MPH-Monotherapie, Guanfacin-Monotherapie und MPH-/Guanfacin-Kombinationsmedikation
- hohe ereigniskorrelierte mittelfrontale Beta-Leistung vor der Behandlung
-
EEG-Aktivität aus kortikalen Quellen, die in den Regionen des mittleren Stirnbeins und des mittleren Hinterhauptbeins lokalisiert sind
- stärkere Modulationen während der Kodierung und des Abrufs Prädiktor für gute Ergebnisse bei MPH-Monotherapie und Guanfacin-Monotherapie
- schwache ereigniskorrelierte mittelfrontale Beta-Leistung vor der Behandlung
-
EEG-Aktivität aus kortikalen Quellen, die in den Regionen des mittleren Stirnbeins und des mittleren Hinterhauptbeins lokalisiert sind
-
Prädiktor für gute Ergebnisse bei MPH-/Guanfacin-Kombinationsmedikation
Bei ADHS im Vorschulalter korrelierten niedrige externalisierende oder internalisierende Symptomstärken mit einer hohen Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf Stimulanzien. Bei hohen externalisierenden oder internalisierenden Symptomstärken näherte sich die Respondingquote von Stimulanzen der von Alpha-2-Agonisten an:
Responder |
Symptomstärke: |
schwach |
mittel |
stark |
Stimulanzien |
Externalisierend |
96,4 % |
74,3 % |
66,6 % |
Alpha-2-Agonisten |
Externalisierend |
40 % |
50 % |
67 % |
Stimulanzien |
Internalisierend |
80,6 % |
77,5 % |
50 % |
Alpha-2-Agonisten |
Internalisierend |
57,7 % |
70 % |
57,7 % |
2. Nebenwirkungen¶
- Höhere Nebenwirkungen als Methylphenidat und Atomoxetin
- Die Nebenwirkungen von Guanfacin sind bei komorbiden Erkrankungen und bei reinem ADHS ähnlich
- Geringere Nebenwirkungen als Clonidin (weniger blutdrucksenkend und weniger sedierend)
- Aufgrund der blutdrucksenkenden Wirkung sollte Guanfacin nicht abrupt abgesetzt werden.
Es sind keine Leberschädigungen oder erhöhten Enzymwerte im Blutserum durch Guanfacin bekannt.
Guanfacin ist insbesondere in den Fällen eine Überlegung wert, wenn Stimulanzien stark blutdruckerhöhend wirken.
3. Abbau von Guanfacin¶
Guanfacin wird über das Cytochrom P450 3A4, kurz CYP3A4, abgebaut.
Bei Frauen ist dieses Cytochrom aktiver als bei Männern, sodass Frauen möglicherweise eine höhere Dosis benötigen könnten als Männer.
Weiter ergeben sich Wechselwirkungen, die die Enzymtätigkeit von CYP3A4 erhöhen (Induzierer) oder hemmen (Inhibitoren).
In vitro machte der 3-OH-Guanfacin-Signalpfad mindestens 2,6 % des Guanfacin-Stoffwechsels bei kryokonservierten, plattierten menschlichen Hepatozyten und 71 % bei gepoolten menschlichen Lebermikrosomen.
4. Wechselwirkungen von Guanfacin¶
4.1. CYP3A4-Induzierer¶
- Phenobarbital (stark)
- Rifampin / Rifampicin (stark)
- Chinolone
-
Antikonvulsiva
- Phenytoin (stark)
- Carbamazepin (stark)
- Oxcarbazepin (schwach)
- Modafinil (schwach)
- Armodafnil (schwach)
- Topiramat (schwach)
- Dexamethason
- Johanniskraut (schwach)
- Ingwer
- Knoblauch
- Lakritz
4.1.1. CYP3A4-Induzierer und Guanfacin¶
Starke CYP3A4-Induzierer verringern den Blutspiegel von Guanfacin binnen 2 bis 3 Wochen nach Einnahmebeginn, schwache und moderate CYP3A4-Induzierer können dies c bewirken. Umgekehrt steigt der Guanfacinspiegel 2 bis 3 Wochen nach dem Absetzen von CYP3A4-Induzierern wieder an.
Während die Packungsbeilage eine Verdoppelung der Guanfacindosis bei gleichzeitiger Gabe von CYP3A4-Induzierern empfiehlt, erforderte eine augmentierenden Einnahme von Phenobarbital in einem Einzelfall eine 5-fache Dosis. Eine Vermeidung starker CYP3A4-Induzierer scheint bei einer gleichzeitigen Einnahme von Guanfacin empfehlenswert.
4.2. CYP3A4-Inhibitoren¶
- Antibiotika.
- Makrolide
- Erythromycin (stark)
- Clarithromycin (stark)
- Telithromycin
- Chloramphenicol
- Antimykotika:
- Fluconazol
- Ketoconazol (stark)
- Itraconazol
- Diltiazem (stark)
- Grapefruitsaft (stark)
- Fluoxetin (schwach bis moderat)
- Fluvoxamin (schwach bis moderat)
- Proteaseinhibitoren:
- Ritonavir
- Indinavir
- Nelfinavir
- Verapamil
- Aprepitant
- Nefazodon
- Amiodaron
- Cimetidin
- Baldrian
- Gelbwurzel
- Ginseng
4.2.1. CYP3A4-Inhibitoren und Guanfacin¶
Starke CYP3A4-Inhibitoren erhöhen den Blutspiegel von Guanfacin nach Einnahmebeginn, schwache und moderate CYP3A4-Inhibitoren können dies gegebenenfalls bewirken.
Während die Packungsbeilage eine Halbierung der Guanfacindosis bei gleichzeitiger Gabe von CYP3A4-Inhibitoren empfiehlt, scheint eine Halbierung bei einer augmentierenden Einnahme von Antipsychotika nicht ausreichend zu sein. Eine Vermeidung von CYP3A4-Inhibitoren scheint bei einer gleichzeitigen Einnahme von Guanfacin empfehlenswert.
Grapefruitsaft sollte bei der Einnahme psychiatrischer Medikamente stets vermieden werden.
4.3. Sonstige Wechselwirkungen von Guanfacin¶
Valproat soll erhöhte Plasmaspiegel zeigen, wenn es parallel zu Guanfacin eingenommen wird.
Guanfacin und Clonidin sollen durch trizyklische Antidepressiva und Phenothiazine antagonisiert werden.
Eine gleichzeitige Anwendung von Betablockern oder ein plötzliches Absetzen von Guanfacin kann zu einer hypertensiven Reaktion führen.
5. Langzeitwirkung: Keine Gewöhnungseffekte von Guanfacin¶
Eine Metaanalyse von 87 randomisierten placebokontrollierten doppelblinden Studien fand keine Hinweise auf ein Nachlassen der Wirkung von Methylphenidat, Amphetaminmedikamenten, Atomoxetin oder α2-Antagonisten bei längerer Einnahme.
6. Theoretische Überlegungen zu Guanfacin: nur bei ADHS-HI, nicht bei ADHS-I / SCT?¶
Ein starker Anstieg von Noradrenalin / Dopamin fährt den PFC herunter. Diese Deaktivierung des PFC erfolgt durch Alpha-1-Adrenozeptoren, die eine geringere Noradrenalin- und Cortisolaffinität haben als Alpha-2-Adrenozeptoren und daher nur bei sehr hohen Noradrenalin- und Cortisolspiegeln adressiert werden.
Ein besonders starker Anstieg von DA und NE bei starkem Stress könnte daher zu einer (häufigen) Unteraktivierung des PFC führen, wie sie bei ADHS-I typisch ist.
Vor diesem Hintergrund könnten sich Raynaud und Bluthochdruckprobleme bei manchen ADHS-I-Betroffenen erklären, die ebenfalls durch Alpha-1-Adrenozeptoren vermittelt werden.
Es fragt sich, ob Alpha-1-Adrenozeptor-Antagonisten, die ja erfolgreich gegen Raynaud und Bluthochdruck eingesetzt werden, nicht auch gegen die PFC-Blockaden bei ADHS-I hilfreich sein könnten.
Die Agonisierung der affineren Alpha-2-Rezeptoren ist in der Wirkung einer Antagonisierung der Alpha-1-Rezeptoren entgegengesetzt. Wie bei den Cortisolrezeptoren ist der weniger affine Rezeptor (dort: Glucocorticoidrezeptor, hier: Alpha-1-Adrenozeptor) für die Abschaltung des Systems verantwortlich und wird nur bei sehr hohen Botenstoffmengen adressiert. Sind die affineren Rezeptoren (dort: Mineralocorticoidrezeptor, hier: Alpha-2-Rezeptor) zu stark ausgeprägt, werden die weniger affinen Abschaltrezeptoren nicht erreicht. Alpha-2-Agonisten belegen die freien Kapazitäten der affineren Rezeptoren, sodass nun mehr Botenstoff frei bleibt, der nun die Alpha-1-Adrenozeptoren adressieren kann. Bei ADHS-I müssten Guanfacin und Yohimbin daher die PFC-Abschaltung verstärken.
Guanfacin ist ein Alpha-2-A und Alpha-2-D-Adrenozeptor-Agonist, Yohimbin ein Alpha-2-B-Adrenozeptor-Agonist.
Dieser Zusammenhang eröffnet die Frage, ob – zumindest theoretisch – Guanfacin und Yohimbin bei ADHS-I vermieden werden sollten und bei ADHS-HI einen besonders sinnvollen Einsatzzweck haben könnten, um einen überlasteten PFC herunterzufahren
7. Betroffenenbericht¶
Eine ADHS-Betroffene berichtet zu Guanfacin:
“Ich nehme 1 mg Guanfacin, etwa 5 bis 6 Stunden vor dem Schlafengehen.
Wenn ich es morgens nehme, werde ich etwas müde und habe nicht den Eindruck, dass es so viel hilft. Wenn ich es so nehme, dass der theoretische Peak zur Schlafenszeit liegt, schlafe ich viel besser.
Mein Schlaf ist irgendwie tiefer und erholsamer und mein Gehirn fühlt sich irgendwie… lebendiger? besser durchblutet? an. Bei der ersten Einnahme spürte ich nach 5-6 Stunden ein komisches Knistern im Nacken/unter den Ohren, dann kam eine Art sich nass anfühlende Druckwelle durch den Kopf, die mir kurz Schwindel verursachte, aber sofort wegging, als ich den Kopf bewegte. Seitdem spüre ich deutlicher, wenn mein Nacken verspannt ist. Entspannungsübungen reduzieren jetzt auch den Druck oben, vorne und seitlich am Kopf, nicht nur im Nacken.
Es hilft mir außerdem gegen eine extrem starke Stressantwort, die zuweilen mein Gehirn lahmlegt.
Ich hatte am Anfang an der Uni immer wieder Blackouts in Prüfungen. Das fühlt sich an wie eine Art „Stressquetschie“ in meinem Bauch, das ausgequetscht wird und eine „Stresswelle“ im Bauchraum verursacht, die dann hochkrabbelt und den Brustkorb verspannen will, und das Gehirn über den Augen und „obendrauf“ gefühlt “ausschaltet”. Ich kann dann nicht mehr klar denken. Das ist mit dem Guanfacin extrem abgeschwächt.“
Die ist die plastischste Beschreibung der Abschaltung des PFC durch Alpha-1-Adrenozeptoren, die wir bisher gefunden haben.
Achtung: individuelle Berichte über Medikamentenwirkungen dürfen nicht verallgemeinert werden!
Medikamentierung ist stets mit dem Arzt zu besprechen!