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d-threo-Enantiomer ist pharmakologisch am aktivsten
MPH wird weltweit als Betäubungsmittel eingestuft, weil es bei extremer Dosierung und Einnahmeform als Droge missbraucht werden kann. Bei Einnahme in Medikamentendosen und in Medikamenteneinnahmeform (oral / Pflaster) hat MPH allerdings keinerlei Rausch- oder Abhängigkeitspotential. Das tatsächliche Risiko eines Missbrauchs von Methylphenidat als Droge scheint erheblich überschätzt zu werden. Eine Studie, die einen häufigen Missbrauch von MPH als Droge behauptete, verwies dazu lediglich auf Quellen, in denen Methylphenidat nicht einmal erwähnt wird.2
Bei (insbesondere älteren) Studien zur Wirkung von MPH muss stets beachtet werden, dass diese3
MPH meist in deutlich höheren Dosen verwenden als bei einer ADHS-Medikation
unretardiertes / nicht via Prodrug verlängert wirkendes MMP verwenden
häufig MMP injizieren, was nochmals eine sehr viel schnellere Verstoffwechselung bewirkt
diese 3 Faktoren sich in der Wirkung multiplizieren
Unzweifelhaft wirkt MPH in Medikamentenform anders als MPH in Drogenform.
Methylphenidat wird handelsüblich als Racemat (Mischung) aus L-Methylphenidat und D-Methylphenidat (linksdrehende und rechtsdrehende Isomere) angeboten.
Während D-MPH zu einem signifikanten Anteil über die Blut-Hirn-Schranke in das ZNS gelangt, wird L-MPH nicht in das ZNS aufgenommen.4
Markennamen sind u.a. Ritalin, Medikinet, Equasym, Concerta, Kinecteen, Daytrana (Hautpflaster). Es wird weiter als Generikum angeboten. Mehr hierzu siehe unten.
Dosierung ab 2,5 mg bis im Mittel 15 mg je Einzeldosis tagsüber alle 2,5 bis 3,5 Stunden (unretardierte Form).5
Dexmethylphenidat ist die Reinform der rechtsdrehenden Isomere und pharmakologisch wirksam.
Markenname: Focalin (nur Schweiz und USA)
Es ist 3-fach wirksamer als racematisches (Mischung aus rechtsdrehendem (D-MPH) und linksdrehendem (L-MPH) Methylphenidat.6 Die höhere Wirksamkeit von D-MPH gegenüber L-MPH betrifft die Dopamintransporter- wie die Noradrenalintransporterbindung.
Daher wird die halbierte Dosierung von D-MPH gegenüber Racemat-Methylphenidat empfohlen, zudem begrenzt auf max. 20 mg / Tag bei Kindern wie bei Erwachsenen.
D-MPH ist auch als Retardpräparat erhältlich (Focalin XR).
L-MPH ist die Reinform der linksdrehenden Isomere und pharmakologisch nahezu unwirksam.
L-MPH wird überwiegend bereits in der Darmschleimhaut metabolisiert. Das verbleibende L-MPH wird beim First Pass durch die Leber verstoffwechselt. L-MPH ist innerhalb von 10 Minuten nach seiner Aufnahme nahezu vollständig abgebaut.7
Der kleine, nicht verstoffwechselte Rest von L-MPH konkurriert mit dem rechtsdrehenden und pharmakologisch wirksamen Isomer D-MPH um die Bindungsstellen im Gehirn und vermindert dessen Wirksamkeit.7
Nach anderer Quelle werde das linksdrehende MPH-Isomer L-MPH (anders als D-MPH) nicht in das ZNS aufgenommen.8
Serdexmethylphenidat (SDX) ist ein Prodrug von Dexmethylphenidat (d-MPH) und derzeit nur in den USA zugelassen (Azstarys®, KP415 mit 70 % SDX und 30 % MPH).9
Der Vorteil von Prodrugs ist eine verlängerte Wirkung, da die Umwandlung von Produg in Wirkstoff die Freisetzung verzögert. Siehe auch Lisdexamfetamin, das erst zu Dextroamphetamin umgewandelt wird (Elvanse).
Inzwischen existieren erste Computermodelle, die die Wirkung von ADHS-Medikamenten ernsthaft simulieren können. Ein Computermodell für die Simulation von Typ-1-Diabetes wurde von der FDA bereits als Ersatz von präklinischen Tierstudien zugelassen.10
Ein Modell zum Vergleich von MPH und AMP bei Kindern und Erwachsenen mit ADHS berücksichtigt die Wirkung auf 99 Proteine, die bei ADHS involviert sind.11
2.1.1.1. MPH erhöht extrazelluläres und verringert möglicherweise phasisches Dopamin¶
Viele Quellen berichten lediglich pauschal eine Wirkung auf Dopamin und Noradrenalin.
Die pauschale Angabe, dass MPH Dopamin erhöht, hilft letztendlich nicht weiter, da zwischen tonischer und phasischer Dopaminausschüttung und extrazellulärem Dopaminspiegel sowie zwischen der Wirkung in verschiedenen Gehirnregionen zu unterscheiden ist.
Striatum: niedrig und hoch dosiert: konsistenter Dopaminanstieg
PFC: nur bei hoher Dosis Dopaminanstieg
Bei Ratten bewirkte 1 mg/kg MPH als Einzelgabe wie chronisch (21 Tage)
Striatum: keine Veränderung der extrazellulären Spiegel von Noradrenalin, Dopamin oder Serotonin19
Zusammenfassend scheint MPH bei Ratten nur den PFC und den Hippocampus zu beeinflussen, während bei Primaten auch das Striatum beeinflusst wird.
Tonisches Dopamin vermittelt die regulierende (inhibierende) Kontrolle des PFC auf das ventrale Striatum, hemmt also die (phasische) Aktivität des Striatums. Auf unerwartet positive Belohnungsreize feuert das Striatum phasisch dopaminerg und aktiviert dopaminerge postsynaptische Rezeptoren. Die tonische Kontrolle ist also hemmend und moduliert das exzitatorische phasische Feuern auf unerwartet positive Belohnungsreize.22
MPH erhöht extrazelluläres Dopamin und verringert phasisches Dopamin im Striatum.
Dies steht in Einklang mit der Hypothese von Grace, wonach ADHS von verringertem tonischem und erhöhtem phasischem Dopamin gekennzeichnet ist. Dieses Modell dürfte zumindest für die meisten ADHS-Fälle zutreffen. Mehr hierzu unter Dopaminausschüttung (tonisch, phasisch) und Kodierung
Die Aussage “MPH erhöht tonisches Dopamin” wäre nicht korrekt, weil die tonische Feuerung selbst durch MPH nicht erhöht wird. Die Hemmung der Wiederaufnahme führt lediglich zu einer Erhöhung des extrazellulären Dopaminspiegels, nicht zur Veränderung der tonischen Feuerung.
Als Gründe für die Erhöhung von extrazellulärem Dopamin durch MPH wurde ermittelt
eine erhöhter Dopamin-Efflux durch Umkehr des Dopamin-Wiederaufnahmetransporters im Striatum18
MPH erhöhte bei einer Glücksspielaufgabe die Reaktionsstärke und die mit der Belohnungserwartung verbundenen BOLD-Signale im ventralen Striatum,25 was darauf hindeute, dass der striatale tonische Dopaminspiegel ein durchschnittliches Belohnungserwartungssignal darstelle, das die phasische dopaminerge Reaktion auf die Belohnung moduliert.
Der DAT-Blocker Nomifensin verstärkte das phasische dopaminerge Signal23, sodass Dopaminwiederaufnahmehemmung an sich nicht der einzige Grund für die Verringerung des tonischen Dopamins durch MPH sein kann
2.1.1.1.2. MPH kann phasisches Dopamin verringern¶
Etliche Studien fanden eine Verringerung phasischen Dopamins durch MPH,232625 manche jedoch auch keine Veränderung2418 oder eine Erhöhung. Hier könnte es auf die Umstände ankommen (z.B. Dosierung, DAT-Empfindlichkeit).
Die deutliche Verringerung der phasischen (synaptischen) Freisetzung von Dopamin dürfte auf einer Abnahme der Synapsinphosphorylierung beruhen23
Die Hemmung des phasischen Dopamins ist keine Folge einer präsynaptischen D2-Autorezeptor-Aktivierung, da diese23
- a. auch in Gegenwart des D2-Antagonisten Sulpirid und
- b. auch in DAT-CI-Striatalschnitten auftritt, in denen eine Aktivierung von D2-Autorezeptoren durch einen erhöhten extrazellulären DA-Spiegel nicht erfolgen kann
Die Hemmung des phasischen Dopamins könnte - wie bei Kokain - möglicherweise auf einer Verringerung des synaptischen Vesikel-Neurotransmitters beruhen.23 Kokain könnte als lipophile schwache Base den vesikulären pH-Gradienten kollabieren lassen, ähnlich wie die für Amphetamine berichteten “schwachen Basenwirkungen”, oder auf Vesikel einwirken. Es bestehen Hinweise, dass die synaptischen Vesikeln ziemlich “undicht” sein können und ständig Dopamin in das Zytosol verlieren. Dieser Eindruck wird durch die Wirkung von Reserpin gestützt, das die synaptischen Vesikel schnell von Dopamin entleeren kann.
Eine Studie fand, dass MPH phasisches Dopamin nicht veränderte, wobei ein hemmender Feedback-Mechanismus über D2-Autorezeptoren vermutet wurde, weil ein parallel zu MPH gegebener D2-Antagonist dazu führte, dass MPH auch phasisches Dopamin erhöhte.24
Dopaminwiederaufnahmehemmer wie MPH sollen grundsätzlich zu erhöhtem phasischem Dopamin im dorsolateralen Striatum führen.26
Eine akute MPH-Gabe erhöhte bei Ratten die Feuerungsaktivität von PFC-Pyramidalneuronen und potenzierte die NMDA-induzierte Neurotransmission.18
2.1.1.2. MPH bindet an DAT (Wiederaufnahmehemmung)¶
Methylphenidat als Dopaminwiederaufnahmehemmer erhöht den Dopaminspiegel im synaptischen Spalt.12MPH hemmt den Dopamintransporter und den Noradrenalintransporter27 Daraus könnte geschlossen werden, dass der Wirkort von MPH dort liegt, wo ein Dopaminmangel besteht. Im mesokortikalen Modell von ADHS wäre dies der PFC. SPECT- und PET-Studien zeigen jedoch eindeutig, dass MPH primär die Dopaminaktivität im Striatum anhebt, was gegen den PFC als (alleinigen) Wirkort spricht (was mit der niedrigen DAT-Anzahl im PFC und der hohen DAT-Anzahl im Striatum korreliert). Da nach dem mesokortikalen Modell von ADHS die Dopamin-Aktivität im ventralen Striatum überhöht sei, müsste MPH, wenn es dort erhöhend wirkt, die Symptome eher verschlimmern als verbessern. Niedrig dosiert können Stimulanzien wie MPH die phasische Dopamin-Freisetzung hemmen, indem sie die hemmende tonische Kontrolle verstärken. In einer fMRI-Studie wiesen Kinder mit ADHS ohne Medikamente jedoch frontal eine erhöhte und striatal eine verringerte Aktivierung auf, was gegen die Theorie des mesokortikalen Mangels spricht. MPH erhöhte bei Kindern mit wie ohne ADHS die frontale Durchblutung, aber nur bei Kindern mit ADHS erhöhte es die striatale Durchblutung. Es ist deshalb offen, ob die beobachteten frontalen Defizite bei ADHS eine zentrale Dysfunktion im PFC oder einen mangelnden Input aus anderen dopaminergen Systemen abbilden. Da fast alle psychischen Störungen eine gewisse frontale Dysfunktion zeigen, sei unklar, ob die ätiologischen Defizite bei ADHS nicht andere Ursachen haben.22
MPH bindet an die Dopamintransporter, deren Dichte im Striatum am höchsten ist. Die Bindung von MPH im Cerebellum und im Hippocampus beträgt weniger als ein Zehntel hiervon.28
MPH bindet nicht an Dopaminrezeptoren, sondern nur an DAT und NET.2930 (Anders: MPH soll postsynaptische D1-Rezeptoren aktivieren.12 )
d-MPH bindet am stärksten, und zwar an
DAT mit IC50 = 23 nM, Ki = 161 nM;
NET mit IC50 = 39 nM, Ki = 206 nM
d/l-MPH-Racemat bindet etwas schwächer, und zwar an29
geringerer Dopamin- und Noradrenalinanstieg im Striatum12
Kein Dopaminanstieg im Striatum durch MPH dagegen bei DAT(-/-)-Mäusen, wohl aber bei DAT(+/-)- und DAT(+/+)-Mäusen33 Offenbar ist das Maß der Expression/Empfindlichkeit der DAT für die positive oder negative Modulation der phasischen Dopaminausschüttung ausschlaggebend.34
2.1.1.3. MPH erhöht Dopaminausschüttung durch DAT (Efflux)¶
Während man früher davon ausging, dass Methylphenidat keine Dopaminausschüttung verursacht, gehen neuere Stimmen von
einem Dopamin-Efflux aus dem DAT
einer Dopaminausschüttung aus Vesikeln bei sehr hoher Dosierung aus.
Die Auffassung, MPH sei ein reiner DA-Wiederaufnahmehemmer3536 ist überholt.
auch Freisetzung von Dopamin aus Vesikeln (hier: reserpin-sensitive Granula)3738
dürfte erst bei sehr hoher Dosierung von mehr als 80 mg / Tag erfolgen3940
Im Gegensatz zu Amphetamin wird Methylphenidat nicht als Substrat für den Transport in das Zytoplasma betrachtet, weshalb es allenfalls eine geringe präsynaptische Dopaminfreisetzung bewirkt.41
Dopamin-Efflux durch DAT-Umkehr im PFC
im Striatum bei Ratten bei 4 mg/kg (gemessen ex vivo)18
dadurch erhöht MPH den extrazellulären Dopaminspiegel
Efflux aus Dopamin- wie aus Noradrenalin-Terminals
durch vesikuläre Dopaminausschüttung und durch Natrium-abhängige Mechanismen
Feuerungsrate von PFC-Pyramiden-Neuronen zu erhöhen
bei chronischer Einnahme im PFC bei Ratten bei 4 mg/kg (gemessen in vivo)18
gemessen durch extrazelluläre elektrophysiologische Einzelzell-Aufzeichnungen
Reaktionen auf lokal appliziertes NMDA mittels Mikro-Ionentophorese unverändert
Desensibilisierung sowohl gegenüber Dopamin als auch gegenüber MPH in striatalen Regionen
bei chronischer Einnahme im Striatum bei Ratten bei 4 mg/kg (gemessen in vivo)18
verringerte Wirksamkeit von extrazellulärem Dopamin bei der Modulation von NMDA-induzierten Feuerungsaktivitäten von Neuronen mit mittlerem Dornfortsatz im Striatum
geringerer MPH-induzierter Dopaminausfluss
deckt sich mit der empirischen Erfahrung, dass bei Eindosierung eine einmalige Anpassung der MPH-Dosis nach wenigen Wochen erforderlich ist
MPH bewirkt die Aufhebung der Blockade von präsynaptischen D2-Autorezeptoren12
Methylphenidat normalisiert erhöhte Dopamin-Transporter-Dichten bei ADHS-HI-Ratten stärker als bei ADHS-I-Ratten42
Bei Menschen mit hoher D2-Rezeptor-Anzahl erhöht, bei Gesunden mit niedriger D2-Rezeptor-Anzahl verringert MPH den Metabolismus in frontalen und temporalen Gehirnbereichen (u.a. Striatum). Im Cerebellum wurde der Metabolismus durchgehend erhöht.43
Dies entspricht einer Normalisierung der D2-Rezeptorbindung.44
MPH beeinflusst die Umverteilung des vesikulären Monoamintransporters-2 (VMAT-2; Solute Carrier Family 18 Member 2 - SLC18A2). VMAT2 ist an der Sequestrierung von zytoplasmatischem Dopamin und Noradrenalin beteiligt und dadurch ein wichtiger Regulator der Neurotransmission. MPH beeinflusst nicht die Gesamtmenge von VMAT-2 in präsynaptischen Terminals, sondern nur den VMAT-2-Transport.4546 MPH bewirkt in monoaminergen Neuronen (nicht aber in cholinergen, GABA-ergen oder glutamatergen Neuronen):29
Rückgang der VMAT-2-Immunreaktivität in der membranassoziierten Fraktion
Anstieg in der zytoplasmatischen Fraktion
keine Veränderung des gesamten synaptosomalen Pools
MPH schützt so das dopaminerge System vor dem fortschreitenden “Verschleiß”, indem es einen beträchtlichen DA-Reservepool in den präsynaptischen Vesikeln sichert. Daher besteht in der Behandlungspraxis mit MPH nur ein relativ geringes Risiko neurotoxischer / neuropsychiatrischer Nebenwirkungen.29
Nach älterer Darstellung habe MPH keine Auswirkung auf vesikuläre Monoamintransporter (VMAT).27
Tyrosinhydroxylase (TH) ist das geschwindigkeitsbeschränkende Enzym für die Synthese von Dopamin. TH wandelt Tyrosin in den DA-Vorläufer L-3,4-Dihyroxyphenylalanin (L-DOPA) um. Damit unterstützt MPH die Dopaminsysnthese. MPH kann (ebenso wie Sport) die Expression von TH induzieren47 und den TH-Spiegel erhöhen.48
d-MPH ab 100 nmol/l erhöhte in vitro die Tyrosinhydroxylase-Aktivität signifikant; L-MPH oder racemisches MPH in gleicher Konzentration erhöhte TH nicht49
Unklar ist, ob die Erhöhung nur peripher oder auch im Gehirn stattfindet.50 TH-Gen-Varianten scheinen das Ansprechen von MPH zu beeinflussen.50
Der L-Dopa-Rezeptor GPR143 scheint an den akuten und chronischen Wirkungen von MPH beteiligt zu sein. MPH erhöht zwar die Dopamin-Freisetzung, beeinflusst aber die L-DOPA-Freisetzung aus dem dorsolateralen Striatum nicht. Dennoch ist bei L-DOPA-Rezeptor-KO-Mäusen (Mäuse mit einem Defekt des Gpr143 L-DOPA-Rezeptor-Gens) verringert:51
Die Wirkung von MPH ist dosisabhängig. Normal dosiertes MPH zeigt andere Wirkungen als hoch oder sehr hoch dosiertes MPH.
Bei geringer Dosierung erhöht Methylphenidat den Dopamin- und Noradrenalinspiegel im PFC, was dessen Leistungsfähigkeit erhöht. In anderen Gehirnbereichen hat niedrig dosiertes MPH dagegen kaum Wirkung auf Dopamin- und Noradrenalinspiegel.52 Dies entspricht der bekannten Erhöhung der kognitiven Leistungsfähigkeit des PFC durch geringe Dopamin- und Noradrenalinspiegel-Erhöhungen bei leichtem Stress.
Bei 3 mg/kg MPH fand eine Studie keinen Dopamin- oder Noradrenalinanstieg im Striatum von Ratten53
Bei höheren Dosen von MPH (ebenso wie von Kokain) wurde in einer Laborstudie an Ratten eine Verringerung des Dopaminspiegels im Striatum berichtet. Lediglich niedrigere Dosen MPH oder Kokain bewirkten Erhöhungen des Dopaminspiegels. Zudem war dies nicht bei allen Tieren der Fall.34
Eine akute MPH-Gabe erhöhte bei Ratten die Feuerungsaktivität von PFC-Pyramidalneuronen und potenzierte die NMDA-induzierte Neurotransmission.
Eine chronische MPH-Gabe (2 x 2 mg/kg / Tag) zeigte 28 Tage nach Ende der MPH-Gabe an pyramidalen Neuronen des PFC:18
langfristigen Anstieg der Feuerungsaktivität
unveränderte Burst-Aktivitäten
unveränderte Gesamtzahl der spontan entladenden Neuronen
unveränderte glutamaterge Neurotransmission
Lang anhaltend gegebenes MPH oder Atomoxetin an jugendliche Naples High-Excitability (NHE) Ratten bewirkte im Erwachsenenalter:54
im Gegensatz dazu verringert Amphetamin die VMAT255
Tyrosinhydroxylase
Dopamin D1-Rezeptoren
stärker im Nucleus accumbens (ventrales Striatum) als im dorsalen Striatum
stärker im parietalen Cortex als im frontalen Cortex
Diese Wirkung von chronischem MPH auf die Erhöhung der DAT-, NET- und VMAT2-Transporter könnte andeuten, dass das Medikament langfristig einen Teil seiner akuten Wirkung, den Dopamin- und Noradrenalinspiegel zu erhöhen, verlieren könnte.4632
Dies deckt sich mit unserer Erfahrung, dass bei manchen Verwendern die Dosierung nach einem halben bis einem Jahr einmalig etwas nachkorrigiert (leicht angehoben) werden muss. Ein genereller Gewöhnungseffekt wird jedoch weder in Studien56 noch in der Praxis berichtet.
Erhöhte Vanillinmandelsäure im Urin von Wistar-Ratten. Dies konnte durch eine augmentierende Gabe von Buspiron vermieden werden.57
Vanillinmandelsäure entsteht beim Abbau von Adrenalin und Noradrenalins durch MAO-A und COMT, sodass Vanillinmandelsäure ein Indikator der Aktivität des Vegetativen Nervensystems (Sympathikus) ist.
eine einmalige Gabe von sehr hoch dosiertem MPH (5 mg/kg, also etwa das 5 bis 20-fache der bei Menschen üblichen Behandlungsdosis) bewirkt
eine ähnliche Metabolitenveränderungen im Cerebellum wie 2 mg
tendenziell wurden Metaboliten im Cerebellum verringert, die mit dem Energieverbrauch und der exzitatorischen Neurotransmission assoziiert sind, hier Glutamat, Glutamin, N-Acetylapartat und Inosin
weiter wurden die Spiegel einiger Metaboliten, die mit der inhibitorischen Neurotransmission assoziiert sind, hier GABA und Glycin, Acetat, Aspartat und Hypoxanthin reduziert
Eine Untersuchung fand bei Kindern mit ADHS einen gegenüber Nichtbetroffenen unveränderten basalen Oxytocinspiegel. Während nach Interaktion mit einem Elternteil Oxytocin bei unbehandelten ADHS-Betroffenen absank, stieg Oxytocin bei mit MPH behandelten ADHS-Betroffenen ebenso an wie bei Nichtbetroffenen.58
MPH wirkt noradrenerg im Locus coeruleus, was Arousal, Vigilanz und Aufmerksamkeit verbessert12
Die Wirkung von MPH ist dosisabhängig. Normal dosiertes MPH zeigt andere Wirkungen als hoch oder sehr hoch dosiertes MPH.
Bei geringer Dosierung erhöht Methylphenidat den Dopamin- und Noradrenalinspiegel im PFC, was dessen Leistungsfähigkeit erhöht. In anderen Gehirnbereichen hat niedrig dosiertes MPH dagegen kaum Wirkung auf Dopamin- und Noradrenalinspiegel.52 Dies entspricht der bekannten Erhöhung der kognitiven Leistungsfähigkeit des PFC durch geringe Dopamin- und Noradrenalinspiegelerhöhungen bei leichtem Stress.
2.1.2.1. MPH niedrig dosiert erhöhte extrazelluläres Noradrenalin, nicht aber Dopamin¶
Jugendlichen Ratten erhielten während der dunkel-aktiven Phase des zirkadianen Zyklus oral 0,75-3,0 mg/kg MPH, was unterhalb des Schwellenwerts für die lokomotorische Aktivierung blieb. Diese Dosen:16
erhöhten extrazelluläres Norepinephrin im Hippocampus
veränderten Dopamin im Nucleus accumbens nicht
veränderten die Methamphetamin-Sensitivität nicht
bewirkten keine Gewöhnungseffekte
10, 20 und 30 mg/kg MPH (weit über einer medikamentösen Dosierung) bewirkten:59
stereotypes Verhalten (ein Zeichen stark erhöhten extrazellulären Dopamins); 20 mg/kg ebenso stark wie 2,5 mg/kg AMP
extrazelluläres Dopamin erhöht
extrazelluläres Noradrenalin erhöht
extrazelluläres Serotonin unverändert (anders als bei AMP, da erhöht)
2.1.2.2. MPH bindet an NET (Wiederaufnahmehemmung)¶
2.1. MPH induziert den Dopamin- und Noradrenalin-Efflux im präfrontalen Kortex
Im präfrontalen Kortex (PFC) löste die Verabreichung von 100 µM Methylphenidat (MPH) (Abbildung 1A) eine signifikante Ex-vivo-Dopaminfreisetzung aus (Bonferroni-Post-hoc-Test nach signifikanter Zweiwege-ANOVA, ergänzende Tabelle S1). Dieser Effekt war von Noradrenalin-Terminals abhängig, da die Inkubation von radioaktiv markiertem Dopamin (35 nM) in Gegenwart von Desipramin den durch 100 µM MPH induzierten Dopamin-Efflux signifikant dämpfte (Abbildung 1A, Bonferroni-Post-hoc-Test nach signifikanter Zwei-Wege-ANOVA). Dies wurde außerdem durch die Bewertung des radioaktiv markierten Noradrenalin-Effluxes (67-83 nM) nach MPH-Exposition in PFC-Proben bestätigt. Tatsächlich induzierte MPH bei 100 µM einen signifikanten Norepinephrin-Efflux im PFC (Abbildung 1B, Tukey’s post hoc-Test nach signifikanter einseitiger ANOVA). Eine niedrigere Dosis von 10 µM MPH löste unter keinen Bedingungen einen Dopamin-Efflux aus. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass MPH sowohl den Dopamin- als auch den Noradrenalin-Efflux im PFC induzieren kann, ein Effekt, der bei einer Dosis von 100 µM sowohl von Dopamin- als auch von Noradrenalin-Terminals ausgeht.
Noradrenalin-Efflux (67-83 nM) aus Noradrenalin Terminals18
MPH beeinflusst die Umverteilung des vesikulären Monoamintransporters-2 (VMAT-2; Solute Carrier Family 18 Member 2 - SLC18A2). VMAT2 ist an der Sequestrierung von zytoplasmatischem Dopamin und Noradrenalin beteiligt und dadurch ein wichtiger Regulator der Neurotransmission. MPH beeinflusst nicht die Gesamtmenge von VMAT-2 in präsynaptischen Terminals beeinflusse, sondern nur den VMAT-2-Transport. MPH bewirkt in monoaminergen Neuronen (nicht aber in cholinergen, GABA-ergen oder glutamatergen Neuronen:29
Rückgang der VMAT-2-Immunreaktivität in der membranassoziierten Fraktion
Anstieg in der zytoplasmatischen Fraktion
keine Veränderung des gesamten synaptosomalen Pools
MPH bindet unmittelbar an noradrenerge Rezeptoren.60MPH bindet an29
α2A (Ki = 5,6 µM)
α2B (Ki = 2,420 µM)
α2C (Ki = 0,860 µM)
Die hierdurch von MPH bewirkte kognitive Verbesserung konnte durch α2-Adrenozeptor-Antagonisten unterbunden werden.61 Guanfacin und Clonidin wirken ebenfalls als α2-Adrenozeptor-Agonisten positiv bei ADHS.
Der Einfluss von MPH auf den Serotoninspiegel scheint insgesamt vernachlässigbar.62 D-threo-(R,R)-methylphenidat ist ein schwacher Agonist des 5HT-1A-Serotoninrezeptors, nicht aber des 5HT-2A-Rezeptors. Hierdurch kann der Dopaminstoffwechsel im Gehirn beeinflusst werden,63 das Ausmaß ist indes gering. MPH soll an den DAT 2200 Mal so stark binden wie an den SERT und an den NET fast 1300 Mal so stark wie an den SERT.29
Ob MPH an Serotoninrezeptoren bindet, ist unklar. Verschiedene Studien kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen.29
Umstritten:
ob eine Wiederaufnahmehemmung von Serotonin an der Synapse erfolgt. Es gibt Quellen dafür64 wie dagegen.65
die serotonerge Wirkung von MPH ist so schwach, dass sie für die Behandlung nicht relevant ist
Nach unserem Eindruck hat MPH keine signifikante stimmungsaufhellende Wirkung
Von den beiden Tryptophanhydroxylase-Isoformen, TPH1 und TPH2, kommt nur TPH2 im Gehirn vor. TPH katalysiert den geschwindigkeitsbeschränkenden Schritt bei der Synthese von Serotonin, indem sie Tryptophan in die Serotonin-Vorstufe 5-Hydroxytryptophan umwandelt.50
Der AATGGAGA (Yin)-Haplotyp von TPH2 scheint schlechter auf MPH anzusprechen als der CGCAAGAC (Yang)-Haplotyp.50
2.1.3.2. Wirkung von MPH auf Tryptophan-Metaboliten¶
Bei ADHS-HI-Betroffenen (überwiegend hyperaktiv) mit komorbider depressiver Symptomatik fand eine Studie im Vergleich zu ADHS-I-Betroffenen und gesunden Kontrollen erheblich höhere morgendliche als abendliche Werte von Indolessigsäure. MPH verringerte dies um 50 %. MPH verringerte zugleich die morgendlichen Werte von Indolpropionsäure und führte das Tagesprofil auf die Werte der gesunden Kontrollprobanden zurück.66
bei manchen Ratten eine Verhaltenssensibilisierung aus (die mit neuronaler Erregung korrelierte) und
bei anderen Ratten eine Verhaltenstoleranz (die mit neuronaler Abschwächung einherging).
Die Neuronen der dorsalen Raphe-Kerne (serotonerg) reagierten auf die akute und chronische MPH-Gabe am stärksten und bei allen 3 verwendeten Dosen anders als die Neuronen in VTA (dopaminerg) oder Locus coeruleus (noradrenerg).67 Dorsale Raphe-Kerne und Serotonin scheinen an den akuten und chronischen Wirkungen von MPH beteiligt zu sein und eine eigenständige Rolle bei der Reaktion auf MPH zu spielen.
2.1.4. Bindungsaffinität von MPH, AMP, ATX an DAT / NET / SERT¶
Die Wirkstoffe Methylphenidat (MPH), d-Amphetamin (d-AMP), l-Amphetamin (l-AMP) und Atomoxetin (ATX) binden mit unterschiedlicher Affinität an Dopamintransporter (DAT), Noradrenalintransporter (NET) und Serotonintransporter (SERT). Die Bindung bewirkt eine Hemmung der Aktivität der jeweiligen Transporter.68
Bindungsaffinität: stärker bei kleinerer Zahl (KD = Ki)
DAT
NET
SERT
MPH
34 - 200
339
> 10.000
d-AMP (Elvanse, Attentin)
34 - 41
23,3 - 38,9
3.830 - 11.000
l-AMP
138
30,1
57.000
ATX
1451 - 1600
2,6 - 5
48 - 77
2.1.5. Wirkung von MPH, AMP, ATX auf Dopamin / Noradrenalin je Gehirnregion¶
Die Wirkstoffe Methylphenidat (MPH), Amphetamin (AMP) und Atomoxetin (ATX) verändern extrazelluäres Dopamin (DA) und Noradrenalin (NE) in verschiedenen Gehirnregionen unterschiedlich stark. Tabelle basierend auf Madras,68 modifiziert.
Der Einfluss scheint jedoch begrenzt und nur wenig relevant.
2.2. Wirkung von MPH auf Cholesterin-Stoffwechsel im OFC¶
Eine Studie fand bei SHR-Ratten, die als ADHS-HI-Modell gelten, im Vergleich zu WKY-Ratten, die als Modell von Nichtbetroffenen gelten, 12 veränderte Stoffwechselmetaboliten im PFC. Die Abweichungen von 8 davon wurden durch MPH egalisiert:71
3-Hydroxymethylglutarsäure
3-Phosphoglycerinsäure
Adenosinmonophosphat
Cholesterin
Lanosterin
o-Phosphoethanolamin
3-Hydroxymethylglutarsäure
Cholesterin
Die veränderten Metaboliten gehören zu den Stoffwechselwegen des Cholesterins.
Bei den SHR fand sich im PFC hierzu
verringerte Aktivität von 3-Hydroxy-3-Methyl-Glutaryl-CoA-Reduktase
unverändert durch MPH
verringerte Expression des Sterol-Regulator-Element-bindenden Protein-2
erhöht durch MPH
verringerte Expression des ATP-bindenden Kassettentransporters A1
Stimulanzien (Methylphenidat und Amphetaminmedikamente) sollen die Aktivität der HPA-Achse erhöhen.72
MPH erhöhte die physiologischen Messwerte von Stress (Speichelcortisol und Blutdruck). MPH modulierte die Auswirkungen von Stress auf die Aktivierung von Hirnarealen, die mit zielgerichtetem Verhalten in Verbindung gebracht werden, darunter Insula, Putamen, Amygdala, mPFC, frontaler Pol und OFC. MPH modulierte jedoch nicht die Tendenz von Stress, eine Verringerung des zielgerichteten Verhaltens zu bewirken.73
2.4. Wirkung von MPH auf Vegetatives Nervensystem (Sympathikus / Parasympathikus)¶
Bei ADHS ist die Herzratenvariabilität (HRV), die mit der Gesundheit des Vegetativen Nervensystems korreliert und dort insbesondere die Aktivität des Parasympathikus abbildet, herabgesetzt. Stimulanzien wie Methylphenidat verbessern (erhöhen) die Herzratenvariabilität, ohne sie jedoch auf den Wert von Nichtbetroffenen anheben zu können.7475
Die an anderer Stelle getroffene Aussage,76 dass Methylphenidat die HVR nicht verändere, findet sich in der angegebenen Quelle nicht wieder.77
Stimulanzien (Methylphenidat und Amphetaminmedikamente) verringern die Konzentration von Androgenen.
Präklinische Daten zur Rolle von Androgenen in der Pathogenese von ADHS legen nahe, dass ein erhöhter Testosteronspiegel den Hirnblutfluss im PFC verringern kann, indem die Menge der Alpha-Östrogenrezeptoren und des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) verringert werden. Dies kann Gedächtnisprozesse stören. Es besteht eine Korrelation zwischen ADHS und dem Polymorphismus des Androgen-Rezeptor-Gens, der zu dessen höherer Expression führt. Dennoch ist über die Frage der Androgenbeteiligung bei ADHS wenig bekannt.72
MPH scheint das homöstatische Verhältnis verschiedener Kynurenine (z.B. erhöhte Kynureninsäure vs. verminderte Chinolinsäure im Plasma) bei Kindern mit ADHS zu verbessern.78
Eine Studie fand, dass eine Dreifachtherapie (TT) mit Methylphenidat (MPH), Melatonin (aMT) und Omega-3-Fettsäuren (ω-3 PUFAs) S100B bei ADHS-Betroffenen erhöht. Die Autoren sehen darin einen Hinweis, dass möglicherweise eine neuroinflammatorische Ursache von ADHS die Gliafunktion schädigt und dadurch die dopaminerge (DA) Neurotransmission verändert.80
2.9.1. MPH und Konnektivität zwischen Gehirnregionen¶
Methylphenidat normalisierte in einer Studie eine bei ADHS bestehende verringerte globale Konnektivität 400-700 ms nach einem Stimulus und verringert eine Zunahme der Trennung der Netzwerke 100-400 ms nach dem Stimulus. Diese globalen Veränderungen durch Methylphenidat erfolgten hauptsächlich in den aufgabenrelevanten frontalen und parietalen Regionen und war signifikanter und nachhaltiger als bei den nicht behandelten Vergleichspersonen. Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass Methylphenidat eine bei ADHS bestehende beeinträchtigte Netzwerkflexibilität korrigiert.81
Eine weitere Studie berichtet interhemisphärische Konnektivitätsveränderungen bei ADHS:82
verringerte interhemisphärische Kohärenz im Delta-Band in frontalen Gehirnregionen
erhöhte Kohärenz im Theta-Band in posterioren Regionen (nur bei geöffneten Augen)
erhöhte Kohärenz im Theta-Band in zentralen Bereichen
2.9.2. Wirkung von MPH auf Default Mode Network (DMN)¶
Die vermehrte rein intrinsisch motivierte Aufmerksamkeitssteuerung bei ADHS bewirkt, dass die Aufmerksamkeit und ihre Steuerbarkeit bei entsprechend hohem Interesse genauso hoch ist wie bei Nichtbetroffenen und nur bei niedrigerem intrinsischen Interesse von der Aufmerksamkeit von Nichtbetroffenen abweicht. Dies wird durch das DMN gesteuert.
Stimulanzien sind in der Lage, die Aufmerksamkeitssteuerung von ADHS-Betroffenen bei fehlendem intrinsischem Interesse der von Nichtbetroffenen anzugleichen.83 Dies erklärt, warum Stimulanzien bei ADHS-HI und ADHS-C ebenso hilfreich sind wie bei ADHS-I.
2.9.3. Wirkung von MPH auf Nucleus accumbens und kognitive Kontrollnetzwerke¶
Methylphenidat erhöhte die spontane neuronale Aktivität im Nucleus accumbens und in kognitiven Kontrollnetzwerken bei Kindern mit ADHS. Dies bewirkte eine stabilere anhaltende Aufmerksamkeit.84
signifikante Unterschiede bei ADHS-Betroffenen im frontal-parietalen Bereich bei 250 ms-400 ms nach dem Stimulus (P3)
einen Rückgang der späten 650 ms-800 ms ERP-Komponente (LC) an frontalen Elektroden von ADHS-Patienten im Vergleich zu Kontrollen
eine signifikante Verringerung der Reaktionszeitvariabilität bei ADHS-Betroffenen, was mit erhöhten P3-ERP-Reaktion an den frontoparietalen Elektroden korrelierte
Neuroimaging-Studien zeigen etliche Wirkungen von MPH auf verschieden Gehirnregionen. Diese zeigen, dass MPH vornehmlich im PFC und Striatum wirkt. MPH
verringert offenbar die bei ADHS typische Reduzierung an Grauer Substanz
in den Basalganglien (vornehmlich bei Kindern, Problem wohl per se abnehmend bei Erwachsenen)
im anterioren cingulären Cortex (ACC) bei Erwachsenen86
MPH vermittelt seine akuten und chronischen Wirkungen auf das Verhalten über das dopaminerge System des Nucleus caudatus.88
Bei hypermotorischen und unaufmerksamen ADHS-Betroffenen erhöht eine regelmäßige Methylphenidat-Gabe die zuvor ungewöhnlich geringe Durchblutung des Putamen. Bei ADHS-betroffenen Kindern mit durchschnittlicher motorische Aktivität bewirkte eine regelmäßige Methylphenidat-Gabe eine Verringerung der Durchblutung des Putamen. Der Thalamus wurde durch MPH nicht beeinflusst.89 MPH erhöhte die Aktivierung im bilateralen inferioren frontalen Cortex / Insula während Inhibition zeitlicher Diskriminierung.90
Methylphenidat erhöht den Stoffwechsel im Gehirn links frontal posterior und links parietal superior und verringert ihn links parietal, links parietookzipital und frontal anterior medial.91
MPH scheint bei den meisten Betroffenen die Dysfunktion im PFC zu verringern.92 Eine andere Metastudie fand, dass MPH keinen Einfluss auf das Arbeitsgedächtnis (im dlPFC) zeigte.90
Eine Untersuchung an Ratten mit 0, 0,6, 2,5 und 10,0 mg MPH/kg als einmalige und wiederholte Gabe fand, das MPH auf den PFC und den Nucleus caudatus wirkte. Dieselbe MPH-Dosis bewirkte bei einigen Tieren eine Verhaltenssensibilisierung und bei anderen eine Toleranz, wobei die Aktivität in PFC und Nucleus caudatus mit den Verhaltensreaktionen der Tiere auf MPH korrelierte. Die Reaktion des Nucleus caudatus war intensiver als die im PFC, bei einmaliger wie wiederholter Gabe. Daneben fanden sich dosisabhängig differierende Reaktionen zwischen PFC und Nucleus caudatus: Einige PFC- und Nucleus caudatus -Zelleinheiten reagierten auf die gleiche MPH-Dosis mit Anregung und andere mit Dämpfung der neuronalen Feuerrate.93
ADHS-Betroffene zeigen häufig eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit. MPH kann diese Schmerzempfindlichkeit bei ADHS-Betroffenen beheben.95
2.14. Serdexmethylphenidat verbesserte Schlaf bei ADHS¶
Eine Studie berichtet von einer signifikanten Verbesserung des Schlafes bei Kindern mit ADHS zwischen 6 und 12 Jahren durch Serdexmethylphenidat bzw. Dexmethylphenidat.96
Methylphenidat und Amphetaminmedikamente erhöhen die Power von Alpha (bei Ratten), während Atomoxetin und Guanfacin dies nicht tun.97
MPH wirkt (u.a.) auf die Dopamintransporter im Gehirn. Da die Anzahl von Dopamintransportern sich mit zunehmendem Alter verringert (Halbierung bei 50-jährigen gegenüber 10-jährigen) benötigen Erwachsene deutlich geringere Dosen.
Details zur Wiederaufnahmehemmung
Gehirnnerven übertragen ihre Informationen elektrisch. An einer Kontaktstelle eines Nervs zu einem anderen Nerv (Synapse) wird das Signal über den synaptischen Spalt an einen anderen Gehirnnerv weitergegeben. Diese Informationsweitergabe erfolgt in der Regel chemisch durch Neurotransmitter (Dopamin, Noradrenalin, Serotonin und andere). Das elektrische Signal bewirkt am Ende des Nervs (präsynaptisch) eine Freisetzung von Neurotransmittern (hier: Dopamin) in den synaptischen Spalt. Beim Empfängernerv auf der anderen Seite des synaptischen Spalts (postsynaptisch) wird der Neurotransmitter (hier: Dopamin) durch (hier: Dopamin-)Rezeptoren aufgenommen und löst dort, wenn ein Schwellwert an aktivierten Rezeptoren erreicht ist, die (elektrische) Signalweiterleitung aus. Danach wird der kostbare Neurotransmitter vom Empfängernerv wieder in den synaptischen Spalt zurückgegeben, von wo aus der sendende Nerv den Neurotransmitter durch spezielle Wiederaufnahmetransporter (bei Dopamin dem Dopaminwiederaufnahmetransporter, DAT) wieder aufgenommen wird, um für die nächste Signalübertragung wieder in die Vesikel eingelagert zu werden.
Bei ADHS sind die (vornehmlich im Striatum angesiedelten) DAT-Wiederaufnahmetransporter überaktiv. Wird Dopamin von den Transportern des Sendernervs in den synaptischen Spalt abgegeben, saugen die DAT des präsynaptischen Sendenerves das Dopamin bereits wieder auf, bevor es von den postsynaptischen Transportern des Empfängernervs aufgenommen werden konnte. Die Signalkette ist damit gestört, in Bezug auf Dopamin vergleichbar einem Rauschen eines Radiosignals (“neural noise”).98 Stimulanzien wie Methylphenidat bremsen die Aktivität der DAT, sodass das Dopamin lange genug im synaptischen Spalt verbleibt, um das Signal sauber übertragen zu können. So verbessert MPH bei ADHS-Betroffenen den neural noise auf den Wert von Nichtbetroffenen.98
Die Besonderheit bei dopaminergen Synapsen ist, dass nach neuesten Erkenntnissen (2019) auf der Empfängerseite der dopaminergen Synapse gar keine Dopaminrezeptoren sitzen, sondern GABA-Rezeptoren. Die Dopaminrezeptoren sind vielmehr räumlich um die Synapse herum angeordnet und reagieren auf aus der Synapse diffundierendes oder anders austretendes Dopamin.
Vereinzelt wird postuliert, dass eine sehr frühe Behandlung mit Stimulanzien die DAT-Überaktivität dauerhaft verbessern könnte (also über die Einnahme hinaus).99
Frühzeitige Medikation zur Heilung von ADHS?
Frühkindliche Stressbelastung führt bei entsprechender genetischer Disposition zu langfristigen Schäden der Stressregulationssysteme. Ein solches Festsetzen einer Stressbelastung könnte möglicherweise durch eine rechtzeitige medikamentöse Behandlung verhindert werden. Bei Mäusen, die Stress ausgesetzt wurden, verringerte der Serotoninwiederaufnahmehemmer Fluoxetin die stressinduzierte erhöhte Risikobereitschaft, während der GABA-A-Rezeptor-Agonist Diazepam dies nicht bewirkte.100
Eine chronische Gabe von Koffein oder MPH vor der Pubertät bewirkte bei erwachsenen SHR (ein Rattenstamm, der eine genetische Form von ADHS-HI repräsentiert) eine verbesserte Ojekterkennung, während dieselbe Behandlung diese bei erwachsenen Wistar-Ratten verschlechterte.101
Da sich die Neurotransmittersysteme, die die Stressregulation bewirken, in den ersten Lebensjahren (vermutlich 6 Jahre und früher) ausbilden, justieren und dann verfestigt sind, müsste eine hierauf Einfluss nehmende Medikation deutlich früher einsetzen. Ob dies funktioniert, ist offen. Gesichert ist dagegen, dass bei Kleinkindern eine kindzentrierte Verhaltenstherapie kaum Nutzen bringt, während eine elternzentrierte Therapie erheblichen Nutzen bringt. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Stresssysteme bei Kleinkindern noch durch äußeren Einfluss reparabel sind.
Eine mit 16 Probanden sehr kleine fMRT-Studie über die Wirkung von Methylphenidat auf ADHS-betroffene und nicht betroffene Jungen fand bei den ADHS-Betroffenen vor der Einnahme von Methylphenidat im Vergleich zu den Nichtbetroffenen bei Go-/NoGo-Tasks eine erhöhte Aktivierung des frontalen Cortex und eine verringerte Aktivierung des Striatum. Methylphenidat glich die Unterschiede aus.102
Es ist offen, welche Konzentrationen von Methylphenidat den synaptischen Spalt erreichen.23
Methylphenidat könnte sich durch aktive Akkumulationsprozesse im zentralen Nervensystem anreichern, sodass die effektiven Gehirnkonzentrationen wesentlich höher sind als im Plasma.103 Bei Kokain scheint die striatale Konzentration bei Tieren etwa 6-mal höher zu sein als im Plasma.104
3. Wirkunterschiede zwischen Methylphenidat und Amphetaminmedikamenten¶
Methylphenidat erhöht möglicherweise den Stoffwechsel im Gehirn links frontal posterior und links parietal superior und verringert ihn links parietal, links parietookzipital und frontal anterior medial.105
D-Amphetamin erhöht dagegen möglicherweise den Metabolismus im rechten Nucleus caudatus (Teil des Striatum) und vermindert ihn in der rechten Rolandi-Region sowie in rechts in anterioren inferioren frontalen Regionen.106
Die Stichprobe (n), an der diese Feststellungen untersucht wurden, waren mit 19 und 18 sehr klein. Zu kleine Stichproben bergen die erhebliche Gefahr irreführender Ergebnisse.
Mehr hierzu unter ⇒ Untersuchungen besagen – manchmal gar nichts.
Betroffene berichteten in Foren, dass MPH besser gegen Impulsivität wirke als Elvanse.108
Eine Studie an (naturgemäß nicht ADHS-betroffenen) Affen kam zu dem Ergebnis, dass geringe Dosen von MPH Impulsivität reduziert, während höhere Dosen sedierend wirkten.109
Dies schließt an die empirischen Erfahrungen an, dass eine Überdosierung von MPH apathisch wirken kann.
In einer Studie an 6- bis 12-jährigen Kindern mit Aggression und ADHS beseitigten systematisch titrierte Stimulanzien bei 63 % die Aggressivität.112 Bei den Kindern, bei denen Stimulanzien die Aggression nicht ausreichend beseitigte, verbesserte eine augmentierende Gabe von Risperidon (Effektstärke 1,3) oder Valproinsäure (Effektstärke 0,9) die Aggression, wobei Risperidon mit Gewichtszunahme einherging.
Viele Erwachsene berichten, dass MPH eine höhere Fokussierung ermöglicht als Elvanse, während Elvanse insgesamt entspannter mache und gleichmäßiger wirke
soziale Wahrnehmungsfähigkeit und mimische Reagibilität
soziale Interaktion
Eine Untersuchung fand bei Kindern mit ADHS einen gegenüber Nichtbetroffenen unveränderten basalen Oxytocinspiegel. Während nach Interaktion mit einem Elternteil bei Nichtbetroffenen Oxytocin anstieg, sank Oxytocin bei unbehandelten ADHS-Betroffenen ab. Methylphenidat bewirkte bei den ADHS-Betroffenen, dass der Oxytocinanstieg nach Eltern-Interaktion dem der Nichtbetroffenen entsprach.119
Rejection Sensitivity (Kränkbarkeit)
Fast alle von uns befragte Betroffene berichten von einer Verbesserung ihrer Rejection Sensitivity (an der nahezu jeder der von uns befragten ADHS-Betroffenen leidet) durch MPH. Vereinzelt berichteten Betroffene, dass ihre RS unter MPH stärker wurde. Einer dieser Betroffenen stellte sich später als MPH-Nonresponder heraus, der mit einem Amphetaminmedikament eine bessere Wirkung erzielen konnte.
mathematische Fähigkeiten
Kinder mit ADHS zeigten unter MPH erheblich verbesserte mathematische Fähigkeiten, die nicht mehr von denen Nichtbetroffener zu unterscheiden waren.120
4.5. Unterschiedliche zeitabhängige Wirkung von Stimulanzien auf Symptome?¶
Eine Veröffentlichung einer namhaften Wissenschaftlerin behauptet unterschiedliche Zeit-Wirkungs- und Dosis-Wirkungs-Kurven für die motorischen und kognitiven Wirkungen von Stimulanzien.125 Während die Wirkung auf die motorische Aktivität 7 bis 8 Stunden anhalte, solle die Wirkung auf Aufmerksamkeit nur 2 bis 3 Stunden andauern. Die angegebenen Quellen belegen die Behauptung allerdings nicht. Diese decken sich auch nicht mit den empirischen Erfahrungen aus der Praxis.
Es wurde berichtet, dass retardiertes MPH einen positiven Beitrag zur Nikotinabstinenz / Rauchabstinenz beitrug, jedoch nur bei schwereren ADHS-Fällen, während bei leichteren ADHS-Fällen eine paradoxe Verschlechterung eintrat, die jedoch nach Absetzen der Medikamente remittierte.126 Dies ist vor dem Hintergrund zu betrachten, dass Nikotin als Stimulanz eine Selbstmedikation bei ADHS darstellt, auch wenn Rauchen Nikotin als Droge einsetzt und nur Nikotinpflaster oder Nikotindragees als Medikament wirken.
Weiter könnte das Ergebnis dieser Untersuchung im Kontext der Inversed-U-Theorie, wonach ein mittlerer Neurotransmitterspiegel eine optimale Gehirnfunktion vermittelt, während verringerte wie überhöhte Neurotransmitterspiegel nahezu gleichartige Symptome verursachen, auf eine Überdosierung bei den Probanden mit leichteren ADHS-Symptomen (was auf eine geringeren Dopamin- und Noradrenalinmangel hinweist) und einer paradoxen Reaktion hindeuten.
Eine Untersuchung fand keine Beeinträchtigung der Kreativität durch MPH,127 Eine andere Studie fand eine erhöhte Kreativität bei unmedikamentierten Kindern mit ADHS gegenüber medikamentierten Kindern mit ADHS und nicht betroffenen Kindern.128
Ansprechen meint, ob eine Wirkung auf die ADHS-Symptome festzustellen ist. Betroffene, die auf ein Medikament nicht ausreichend ansprechen, nennt man Nonresponder.
Nonresponding bedeutet nicht, keine Wirkung zu haben, sondern lediglich, dass die Wirkung unter dem in der jeweiligen Studie festgelegten Maß der Symptomverbesserung bleibt.
Eine Metastudie berichtet von 69 % Ansprechrate (Response) auf Amphetaminmedikamente und 59 % Ansprechrate auf Methylphenidat. 87 % der ADHS-Betroffenen hätten auf einen der beiden Wirkstofftypen angesprochen.129 Zum selben Ergebnis (deutlich bessere Ansprechraten auf Amphetaminmedikamente als auf MPH) kommt eine Metaanalyse von 32 Untersuchungen.130
Für Betroffene, bei denen MPH nicht wirkt, empfiehlt es sich daher, eine Medikation mit Amphetaminmedikamenten zu testen.
Etwa 50 % der Betroffenen, die nicht auf MPH ansprechen, sollen auf Atomoxetin ansprechen, und etwa 75 % der Betroffenen, die auf MPH ansprechen, sollen auch auf Atomoxetin ansprechen.131
Bei MPH-Nonrespondern wurde in einer randomisierten Doppelblindstudie mit n = 200 Probanden L-Amphetamin und Atomoxetin verglichen. L-Amphetamin wirkte in 2 von 6 Kategorien und in der Gesamtbeurteilung signifikant besser als Atomoxetin.132
Positive Indizien für ein Ansprechen von MPH waren:
geringe Kommissionsfehler (Impulskontrollfehler; Reaktion auf Signal, das nicht hätte beantwortet werden sollen) im Conners Continuous Performance Test II, CPT-II133
Höhere Hyperaktivität-Impulsivität und oppositionelle Symptome vor der Behandlung134
Prädiktor für gute Ergebnisse bei MPH-Monotherapie, Guanfacin-Monotherapie und MPH-/Guanfacin-Kombinationsmedikation
Prädiktor für gute Ergebnisse bei MPH-Monotherapie, Guanfacin-Monotherapie und MPH-/Guanfacin-Kombinationsmedikation
hohe ereigniskorrelierte mittelfrontale Beta-Leistung vor der Behandlung134
EEG-Aktivität aus kortikalen Quellen, die in den Regionen des mittleren Stirnbeins und des mittleren Hinterhauptbeins lokalisiert sind
stärkere Modulationen während der Kodierung und des Abrufs Prädiktor für gute Ergebnisse bei MPH-Monotherapie und Guanfacin-Monotherapie
schwache ereigniskorrelierte mittelfrontale Beta-Leistung vor der Behandlung134
EEG-Aktivität aus kortikalen Quellen, die in den Regionen des mittleren Stirnbeins und des mittleren Hinterhauptbeins lokalisiert sind
Prädiktor für gute Ergebnisse bei MPH-/Guanfacin-Kombinationsmedikation
5.1. Subtypen und Nonresponding-Wahrscheinlichkeit¶
Die meisten älteren Quellen berichten, dass etwa 90 % der Betroffenen des Subtyps ADHS-HI (mit Hyperaktivität) und des Mischtyps positiv auf Methylphenidat ansprechen und recht geringe Dosen benötigen.135136137138139
Neuere Quellen sprechen von bis zu 75 % Ansprechquote bei MPH,140 was uns zutreffender scheint.
Betroffene des ADHS-I-Subtyp sollen häufiger MPH-Nonresponder sein,141 wobei Nonresponderraten von 24 %135 genannt werden. ADHS-I-Betroffene, die auf MPH ansprechen, benötigten zudem höhere Dosen.
Nach einer kleinen Studie profitieren Kinder mit einer höheren Cortisolstressantwort, was dem ADHS-I-Subtyp entspricht, eher von höheren MPH-Dosen als Kinder mit einer abgeflachten Cortisolstressantwort (die ADHS-HI entspricht). Der Stresstest basierte allerdings nicht auf dem TSST, sondern auf eine Venenpunktur, was eine weniger deutliche Erkennbarkeit der Cortisolstressantwort ermöglicht.142
Eine besonders starke Cortisolaufwacherhöhung (CAR) korrelierte mit verringertem MPH-Responding bei Kindern.142
SCT-Betroffene (was nach aktuellem Verständnis kein Subtyp von ADHS, sondern eine bei ADHS-HI wie ADHS-I gleichermaßen häufige Komorbidität ist) sind besonders häufig MPH-Nonresponder. Insbesondere deuten erhöhte SCT Sluggish / Sleepy-Faktorwerte auf ein MPH-Nonresponding hin. Weder erhöhte SCT-Daydreamy-Symptome noch der ADHS-Subtyp (ADHS-HI oder ADHS-I) unterscheiden sich in dieser Studie in der MPH-Respondingrate.143
Nach einer Untersuchung soll bei ADHS-Betroffenen mit intellektuellen Defiziten MPH schlechter anzusprechen. Hier wurde eine Responderrate von 40 bis 50 % genannt.144 Eine andere Untersuchung fand dagegen eine gute Wirkung von MPH bei Betroffenen mit intellektuellen Defiziten.145
ADHS-Betroffene mit sehr niedrigen EEG-Theta-Werten sollen häufiger Nonresponder in Bezug auf Stimulanzien sein.146
Niedrige Theta-Werte entsprechen nach diesseitigem Verständnis dem überaktivierten Beta-(EEG-)Subtyp. Für den BETA-Subtyp (überaktivierter Typ) berichtet noch eine weitere Quelle von verringertem MPH-Responding.36
Der Beta-Subtyp tritt nach aussen als klassischer ADHS-HI-Subtyp in Erscheinung (hyperaktiv/impulsiv). Die meisten Betroffenen des ADHS-HI-Subtyp haben ein zu niedriges Theta und ein zu hohes Beta. Mehr hierzu unter ⇒ ADHS-Subtypen nach EEG.
Die (einzelnen) uns bekannten ADHS-Betroffenen vom BETA-Subtyp berichten indes von einer überaus hilfreichen Wirkung von MPH.
Eine kleine Untersuchung fand eine geringere EEG-Stabilität im Ruhezustand als Prädiktor einer MPH-Response.147
Eine andere Untersuchung fand bei Respondern eine abgeschwächte P3-Amplitude im Vergleich zu den Kontrollen. Unerwarteterweise zeigten Nonresponder eine atypisch flache aperiodische spektrale Steigung im Vergleich zu den Kontrollen, während Responder sich hier nicht von den Kontrollen unterschieden.148
Einzelne Stimmen vermuten unter Nonrespondern Fälle von Unterdosierung, dass also die erforderliche Dosierung nicht erreicht wurde und nur fälschlich ein Nichtansprechen angenommen wird.149
Nach unserem Eindruck kann eine zu niedrige Dosierung ein scheinbares Nonresponding verursachen. Gleichwohl gibt es echte Nonresponder, bei denen auch stark erhöhte Dosen keine befriedigenden Ergebnisse zeitigen.
Darüber hinaus wird eine unterschiedliche Nonresponderrate bei Kindern und Erwachsenen berichtet.
Wir vermuten, dass eine genauere Klassifikation der ADHS Subtypen hier einmal Erklärungen liefern wird.
Ein Blutdruckanstieg soll mit einer besonders guten Wirkung von MPH korrelieren.150
Eine besonders gute Symptomverbesserung auf Methylphenidat wurde beobachtet bei ADHS-Betroffenen mit151
erhöhter Deltapower bei F8
erhöhter Thetapower bei Fz, F4, C3, Cz, T5
erhöhter Gammapower bei T6
verminderter Betaleistung bei F8 und P3
erhöhtes Delta/Beta-Leistungsverhältnis bei F8 (in Bezug auf Hyperaktivität)
erhöhtes Theta/Beta-Leistungsverhältnis bei F8, F3, Fz, F4, C3, Cz, P3 und T5 (in Bezug auf Hyperaktivität)
Eine Studie fand keine bzw. nur geringe Relevanz von bestimmten Genen, die besondere Relevanz für die neuronale Entwicklung haben (“Neurodevelopmental Network”), auf die Wirkung von MPH oder Atomoxetin bei ADHS.152
Eine Meta-Analyse über 15 Studien und 1382 Patienten fand, dass Träger des T-Allels des NET-Gen-Polymorphismus rs28386840 signifikant häufiger auf MPH ansprachen und eine signifikant stärkere Verbesserung der hyperaktiv-impulsiven Symptome zeigten als Träger anderer NET-Polymorphismen. ADRA2A-Polymorphismen korrelierten nicht signifikant mit dem Ansprechen auf MPH. Träger des G-Allels des MspI-Polymorphismus zeigten jedoch einen Zusammenhang mit einer signifikanten Verbesserung der Unaufmerksamkeitssymptome.153
Erhöhte Eisenspiegel im Putamen und im Caudatus korrelierten mit einem besseren MPH-Responding bei ADHS. Erhöhte Eisenspiegel im Putamen korrelierten - nicht nur bei ADHS - mit einer verschlechterten Inhibition.154
Bei ADHS im Vorschulalter korrelierten niedrige externalisierende oder internalisierende Symptomstärken mit einer hohen Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf Stimulanzien. Bei hohen externalisierenden oder internalisierenden Symptomstärken näherte sich die Respondingquote von Stimulanzen der von Alpha-2-Agonisten an:155
Anstieg der Ruheherzfrequenz um 2,5 % durch OROS-MPH158
Eine Metaanalyse fand eine Korrelation zwischen MPH-Wirkung und den SLC6A2-Genvarianten162
rs5569 (OR: 1.73)
rs28386840 (OR: 2.93)
5.6. CES1-Plasma-Proteinspiegel und MPH-Eindosierung¶
Methylphenidat wird durch das CES1 Leberenzym abgebaut.
Eine höhere CES1-Plasmakonzentration korrelierte mit einem verringerten D-Methylphenidat-Plasmaspiegel. Der CES1-Plasma-Proteinspiegel konnte in einer Studie ca. 50 % der Variabilität des d-Methylphenidat-Plasmaspiegels erklären. Möglicherweise könnte eine auf der Messung von CES1 basierende individualisierte Dosierungsstrategie die Eindosierung von D-Methylphenidat erheblich erleichtern.163
5.7. Ansprechen individuell abhängig von Retardierung und Trägersubstanz¶
Betroffene berichten von einem individuell sehr unterschiedlichen individuellem Ansprechen auf verschiedene MPH-Präparate.
Während die intraindividuell (innerhalb einer Person) und interindividuell (im Vergleich zu anderen Betroffenen) unterschiedliche Verträglichkeit von MPH-Retardpräparaten inzwischen allgemein anerkannt ist, ist weniger bekannt, dass die Verträglichkeit und das Responding auch in Bezug auf verschiedene unretardierte MPH-Präparate intraindividuell sehr unterschiedlich sein kann. Uns liegen Berichte etlicher Betroffener vor, die reproduzierbar sehr deutliche Unterschiede der Wirkung verschiedener gleich starker unretardiertes MPH-Präparate wahrnehmen.164165
Trott, Wirth (2000): die Pharmakotherapie der hyperkinetischen Störungen; in: Steinhausen (Herausgeber) hyperkinetischen Störungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, 2. Aufl., Seite 211 ↥↥↥↥↥↥↥↥↥
Trott, Wirth (2000): die Pharmakotherapie der hyperkinetischen Störungen; in: Steinhausen (Herausgeber) hyperkinetischen Störungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, 2. Aufl., Seite 212, mit weiteren Nachweisen ↥