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Wirkung und Wirkdauer von ADHS-Medikamenten

Inhaltsverzeichnis

Wirkung und Wirkdauer von ADHS-Medikamenten

Lediglich theoretisch ist die Arzneimittelkonzentration proportional zur verabreichten Arzneimitteldosis. In der allgemeinen pharmakologischen Praxis zeigen sich hohe interindividuelle Unterschiede um den Faktor 8 bis 30.1
Für die Findung der individuell passenden Dosis eines Medikaments sind Daten aus Zulassungsstudien wenig hilfreich. In diesen wird nur der Dosis-Effekt-Zusammenhang untersucht, nicht aber die Medikamentenkonzentration. In Fachinformationen, Beipackzetteln und Lehrbüchern angegebene Dosierungen für ein Medikament beziehen sich auf den Durchschnitt der gesamten Population der Betroffenen. Diese Angabe ist als Anhaltspunkt durchaus hilfreich, darf jedoch für den individuellen Betroffenen nicht als Maß der Dinge betrachtet werden, die sich in vielfältiger Weise unterscheiden:1

  • Geschlecht
  • Größe
  • Gewicht
  • Alter
  • Compliance
  • Leber­ und Nierenerkrankungen
  • Komorbiditäten
  • pharmakokinetische Arzneimittelwechselwirkungen
  • Ernährungs-Wechselwirkungen (xenobiotische Wechselwirkungen)
  • Interaktionen durch Drogen
  • Metabilisierungsgenvarianten.

In Bezug auf ADHS-Medikamente und ihre Anwendung und Wirkung gibt es nur wenige allgemeingültige Daten. Während die Herstellerangaben zu Methylphenidat einigermaßen realistisch sind und Abweichungen eher individueller Natur sind, wird die angegebene Wirkdauer von Elvanse nur von einer kleinen Gruppe von Betroffenen erreicht.
Bei ADHS müssen Medikamente jedoch ohnehin stets in besonderem Maße individuell ausgetestet und angepasst werden.
Dieser Beitrag widmet sich den Faktoren, die die Response und der Medikamentenwirkdauer einer Einzeldosis bei ADHS-Medikamenten individuell beeinflussen.

1. Wirkdauer von Wirkstoffen und Präparaten bei ADHS

1.1. Herstellerangaben der Wirkdauer

Die Angaben für in den USA erhältliche Medikamente stammen von Rodden.2 Dia Angaben in der Tabelle geben Mittelwerte wieder, sofern nicht anders vermerkt.
Die tatsächliche Wirkdauer ist individuell verschieden und hängt stark vom Stoffwechsel des jeweils Betroffenen ab. Ca. 5 % der Betroffenen sind Superschnellverstoffwechsler. Bei diesen kann aufgrund erhöhter CES1-Aktivität die Wirkung von unretardiertem MPH auch nur 1 Stunde3 oder die eines Halbtagesretardpräparates anstatt 5 bis 6 Stunden auch nur 1,5 oder 2 Stunden andauern. Ebenso, wenn auch offenbar seltener, gibt es Betroffene, bei denen ein Präparat wesentlich länger wirkt.
Zum Metabolismus von Methylphenidat und Amphetaminmedikamenten siehe unten. Dort finden sich auch ausführlichere Angaben zur Pharmakokinetik, z.B. Geschwindigkeit der Wirkung und Verteilung der Wirkkurve.

Gerade bei Halbtagesretardpräparaten wird für eine Tagesabdeckung in aller Regel zur Mittagszeit eine zweite Medikamentendosis benötigt, die regelmäßig niedriger dosiert ist.
Eine nur halbtägige Behandlung ist nicht sinnvoll. ADHS ist keine Vormittagsstörung.

Methylphenidat-Präparate Wirkstoff typische Wirkdauer in Stunden (lt. Hersteller) retardiert Land
Ritalin, Methylphenidat HEXAL, Methylpheni TAD unretardiert, Medikinet unretardiert, Methylphenidat Generika Methylphenidat 2,5 - 3,5; 3 - 43; 3,06 Stunden (2,5 bis 3,875 / 1. Quartil bis 3. Quartil)4 unretardiert EU, USA
Methylin Liquid Methylphenidat 3 - 4 unretardiert USA
Ritalin SR Methylphenidat 5–8 Stunden Wirkzeit theoretisch, 3–5 Stunden Wirkzeit praktisch5, 82 kontinuierliche Freisetzung5 EU
Focalin Dexmethylphenidat 4 - 6 unretardiert CH, USA
Equasym Retard/XL Methylphenidat 6 - 86 / 8 7 Zwei-Phasen-Retardierung EU
Medikinet adult (Erwachsene), Medikinet retard (Kinder) (bioäquivalent)8 Methylphenidat 6 - 86; 4,65 Stunden (4,0 bis 5,0 / 1. Quartil bis 3. Quartil)9 Zwei-Phasen-Retardierung EU
Ritalin LA, Ritalin Adult (bioäquivalent) Methylphenidat 6 - 85 / 8 6; 4,6 Stunden (3,38 bis 6,0 / 1. Quartil bis 3. Quartil)10 EU; USA nur Ritalin LA
Methysym Methylphenidat bis zu 8 retardiert seit 01.06.2021 in D
Metadate CD Methylphenidat 8 - 10 retardiert USA
Daytrana Methylphenidat 10 (bei Tragezeit von 9 Stunden) Pflaster USA
Concerta, Methylphenidathydrochlorid-neuraxpharm (bioäquivalent) Methylphenidat 8 - 126, 10 - 125, 122; 10,2 Stunden (7,5 bis 11,5 / 1. Quartil bis 3. Quartil)11 retardiert D, CH, USA
Focalin XR Dexmethylphenidat 8 - 12 retardiert CH, USA
Methylphenidathydrochlorid Ratiopharm12 Methylphenidat 12 retardiert EU
Methylphenidathydrochlorid Hexal13 Methylphenidat 12 retardiert EU
Kinecteen Methylphenidat 12 retardiert EU
Aptensio XR Methylphenidat 12 retardiert USA
Cotempla XR-ODT Methylphenidat 12 - 13 retardiert USA
Quillichew ER Methylphenidat 12 - 13 retardiert USA
Quillivant XR Methylphenidat 12 - 13 retardiert USA
Jornay PM Methylphenidat 12 - 14 retardiert USA
Amphetamin-Präparate Wirkstoff Wirkdauer in Stunden (lt. Hersteller) retardiert Land
Dexedrin Dextroamphetamin 3 - 4 unretardiert USA
ProCentra Dextroamphetamin 3 - 6 unretardiert USA
Zenzedi Dextroamphetamin 3 - 6 unretardiert USA
Desoxyn Methamphetamin 4 - 6 unretardiert USA
Adderall Amphetamin-Mischsalze 4 - 6 unretardiert USA
Evekeo Amphetamin-Sulfat 4 - 6 unretardiert USA
Attentin Dextroamphetamin 5 - 6 unretardiert Deutschland, seit Ende 2011
Dexamin Dextroamphetamin 5 - 6 unretardiert Schweiz, als Magistralrezeptur
Dexedrine ER Dextroamphetamin 5 - 10 retardiert USA
Adderall XR Amphetamin-Mischsalze 10 - 12 retardiert USA
Adzenys ER Amphetamin 10 - 12 retardiert USA
Adzenys XR-ODT Amphetamin 10 - 12 retardiert USA
Elvanse (Kinder), Elvanse adult (Erwachsene) Lisdexamfetamin 13 (Kinder); 14 (Erwachsene) (in der Praxis teils deutlich niedrigere Werte); 8,53 Stunden (6,0 bis 10,0 / 1. Quartil bis 3. Quartil)14 Prodrug EU, USA
Dyanavel XR Amphetamin 13 retardiert USA
Mydayis Amphetamin-Mischsalze 14 - 16 retardiert USA
Nichtstimulanzien Wirkstoff Wirkdauer in Stunden (lt. Hersteller) retardiert Land
Strattera, Agakalin Atomoxetin ganztägig / individuell 8 bis 21 Stunden15 unretardiert USA
Intuniv Guanfacin ganztägig; Spitzenkonzentration nach ca. 5 Stunden; Eliminationshalbwertszeit ca. 18 Stunden retardiert USA
Der Verlauf der Wirkkurven unterscheidet sich je nach Präparat erheblich.16

1.2. Erfahrungswerte der Wirkdauer

Zwei Onlineumfragen unter Betroffenen im deutschsprachigen adhs-forum.adxs.org (80 Teilnehmer) und in einem englischsprachigen Subreddit zu Elvanse (467 Teilnehmer), wie lange eine Einzeldosis Elvanse bei ihnen wirke, ergaben:

Wirkdauer Einzeldosis Elvanse Teilnehmer (von 547)
5 Stunden und weniger 40,8 %
6 bis 7 Stunden 26,7 %
8 bis 9 Stunden 15,4 %
10 bis 11 Stunden 11 %
12 Stunden und mehr 6,2 %

Die Verteilung in Richtung einer sehr viel kürzeren Wirkdauer als nach den Herstellerangaben von 10 bis 12 Stunden ist sehr deutlich. Bei über einem Drittel wirkt eine Einzeldosis nur bis zu 5 Stunden, bei insgesamt zwei Dritteln 7 Stunden oder weniger. Nur 17,2 % der Betroffenen erreichen die vom Hersteller angegebene Wirkdauer von 10 bis 12 Stunden. Dies deckt sich zugleich mit den zahlreichen Berichten von Elvanse-Nutzern im Forum, die mehr als eine Einzeldosis am Tag benötigen. Manche Nutzer benötigen 3 Dosen (wobei die letzte Dosis meist niedriger ist als die vorangehenden).

Eine detailliertere Umfrage, die alle ADHS-Medikamente umfasst und auch Dosis, Alter und Geschlecht berücksichtigt, startete im März 2023 und dürfte im zweiten Halbjahr 2023 erste belastbare Ergebnisse bringen. Jeder, der ADHS-Medikamente einnimmt, ist eingeladen, an dieser teilzunehmen:
https://www.adxs.org/de/form/drug-effect-duration (deutsche Fassung)

In dieser detaillierteren Umfrage gaben rund 40 % der Elvanse-Einnehmer eine Einzeldosiswirkdauer von 7 Stunden oder weniger an. Die mittlere Wirkdauer lag bei 8,53 Stunden (6,0 bis 10,0 / 1. Quartil bis 3. Quartil).14

Interessanterweise fanden sich auch mehrere Betroffene, bei denen nicht nur Elvanse/Vyvanse, sondern auch Methylphenidat sehr viel kürzer wirkt. Da Elvanse/Vyvanse und MPH von unterschiedlichen Enzymen verstoffwechselt werden, deutet dies auf andere Mechanismen als überaktive Enzym-Genvarianten hin, wie sie in diesem Beitrag ebenfalls erläutert werden.

Im Folgenden erläutern wir die Einflussfaktoren, die die Dauer der Medikamentenwirkung (insbesondere bei ADHS-Medikamenten) individuell beeinflussen können.

2. Dosishöhe

Innerhalb einer Person wirken höhere Dosen von Amphetamin länger.3
Die Wirkdauer von Methylphenidat-Präparaten ist dagegen dosisunabhängig.

3. Magen-Passage-Geschwindigkeit

Neben der Dünndarm-Passage-Geschwindigkeit spielt die Magenfunktion eine Rolle. Magenmotilität und Entleerungsrate beeinflussen, wie schnell eine Substanz den Dünndarm erreicht. So ist bei Paracetamol die Magenentleerung der geschwindigkeitsbestimmende Schritt für das Erscheinen der Substanz im Blutplasma. Eine verzögerte oder auch beschleunigte Magenentleerung kann somit die Kinetik oral aufgenommener Medikamente grundlegend beeinflussen, sodass z. B. die notwendigen Wirkspiegel nicht oder nur verzögert erreicht werden.17

4. Dünndarm-Passage-Geschwindigkeit

“Bei Arzneimitteln, die eingenommen werden, stellt die Passagezeit durch Magen und Dünndarm eine natürliche Obergrenze für die Wirkstofffreisetzung dar: Wenn die Tablette den Dünndarm verlassen hat, kann nichts mehr aufgenommen werden, die Freisetzung ist dadurch auf einen Zeitraum von etwa 8-10 Stunden begrenzt.”18

Individuell kann sich diese Zeit unterscheiden, wie sich die Geschwindigkeit der Darmpassage unterscheidet. Dies dürfte der Grund sein, warum es vereinzelt Superschnellverstoffwechsler sind, die von einer Wirkdauer von Medikinet von 1 bis 2 Stunden und von Elvanse von 3 Stunden berichten. Diese berichten ebenso, dass sie sehr viel häufiger am Tag etwas essen müssen als andere.
Für eine (nicht nur im Durchschnitt) längere Wirkzeit als die Darmpassage bedarf es daher Mechanismen, die über die Aufnahme aus dem Dünndarm hinausgehen.

5. Säurehaushalt

pH-Wert kann - in Abhängigkeit von der Dauer der Säureaussetzung - beeinflussen:19

  • Löslichkeit von Wirkstoffen
  • Stabilität von Wirkstoffen

Der übliche pH-Wert im Magen beträgt:19

  • nüchtern pH 1–2
  • bei Nahrungsaufnahme ansteigend
    • je nach Art und Menge auf bis zu pH 5–6
    • danach Rückgang auf Ausgangswert

Der ph-Wert hat eine Spanne von 0 bis 14. Ein niederiger pH-Wert (<7) steht für sauer, ein hoher Wert für basisch.
Überschüssige Säuren werden durch Puffersys­teme abgefangen, über die Atmung und die Nieren aus­ge­schieden

An tierischem Eiweiß reiche Lebensmittel bilden als Stoffwechselendprodukte Säuren:20
Z.B. Fleisch, Fisch, Käse, Eier

Pflanzliche Nahrungsmittel bilden vorwiegend Basen.
Z.B. Obst, Gemüse, Blattsalate, Vollkornprodukte

Fette und Kohlenhydrate beeinflussen den Säure-Basen-Haushalt normalerweise nicht.

5.1. Säurehaushalt und Amphetaminmedikamente

Amphetaminmedikamente:21

  • verkürzte Wirkungsdauer durch hohen Urin-Säuregehalt (niedriger pH-Wert), z.B. durch
    • Ascorbinsäure (Vitamin C)
    • Thiaziddiuretika
    • Tier-Eiweißreiche Ernährung
    • Diabetes
    • respiratorische Azidose
    • Behandlungsoption: Mineralwasser mit Bicarbonat22
  • verlängerte Wirkungsdauer durch niedrigen (alkalisierten) Urin-Säuregehalt (hoher pH-Wert), z.B. durch
    • Natriumhydrogencarbonat
    • Ernährung mit einem hohen Anteil an Obst, Gemüse, Vollkorn
    • Harnwegsinfektionen
    • Erbrechen
    • Ernährungsumstellung z. B. von fleischhaltiger auf vegetarische Kost23
    • massive Einnahme von Mitteln zur Neutralisierung der Magensäure23

Der pH-Wert des Urins hat sich als guter PRAL-Marker erwiesen. Ein alkalischer pH-Urin-Wert korreliert mit einer Ernährung mit negativem PRAL-Wert, während pH-Urin-Werte unter 6,0 mit einer säurebildenden Ernährung korreliert.
Dabei ist zwischen pflanzlichen und tierischen Proteinen zu unterscheiden. Nach 7 Tagen vegetarischer Ernährung steigt der pH-Urin-Wert an und der PRAL-Wert sinkt, ebenso bei 2 oder 3 Tagen vegetarischer Ernährung pro Woche.24 Vegetarische Ernährung korreliert damit mit einer verlängerten Amphetaminmedikamentenwirkung.
Lebensmittel mit hohem Oxalatgehalt können die Säurebildung erhöhen.22
Eine Studie gibt als Berechnungsweg aus:25 PRAL (mEq/d) = 0.49 x Protein (g/d) + 0.037 x Phosphor (mg/d) - 0.021 x Kalium (mg/d) - 0.026 x Magnesium (mg/d) - 0.013 x Calcium (mg/d).

Mit anderen Worten: Lebensmittel mit einem stark negativen PRAL-Wert bewirken einen basischen (weniger sauren) Urin und fördern damit eine verlängerte Wirkung von Amphetaminmedikamenten. Lebensmittel mit einem hohen PRAL-Wert bewirken einen sauren Urin und fördern damit eine verkürzte Wirkung von Amphetaminmedikamenten. Nach diesem Modell ist Hartkäse geeignet, die Wirkung von Amphetaminmedikamenten abzukürzen, Rosinen könnten sie verlängern.

Lebensmittel (ungesüßt, unbehandelt) PRAL-Wert je 100 g (höher: Urin saurer)
Rosinen -21,026
Trockenfeigen -18,1
Spinat -14,026
Petersilie -12,0
Spinat roh -11,822
Bitterschokolade -11,5
Kartoffeln -8,522 -4,025 gelagert -4,026
Grünkohl -8,022
Fenchel -7,9
Rucola -7,5
Bohnen unklar: -7,422 oder 1,122
Basilikum -7,3
Bananen unklar: -6,922 5,526
Feldsalat -6,6
Schwarze Johannisbeere -6,526
Karotten, roh -5,722 jung -4,926
Kiwi -5,622 -4,126
Schnittlauch -5,3
Sellerie -5,022 -5,226
Aprikosen -4,826
Karottensaft -4,8
Zucchini -4,626
Kopfsalat -4,322 -2,526
Pilze -4,222 -1,426
Tomaten -4,122 -3,126
Radieschen -3,726
Orangensaft -3,722 -2,926
Orangen -3,622 -2,726
Brokkoli -3,622 -1,226
Früchtetee -3,522
Grapefruit -3,222 -1,026
Grüne Bohnen -3,126
Kirschen -3,122 3,626
Mango -3,022
Soya -2,922
Birnen -2,926
Tomatensaft -2,826
Haselnüsse -2,826
Ananas -2,726
Erdbeeren -2,522 -2,226
Gurken -2,422 -0,826
Pfirsiche -2,426
Zitronen -2,322 Zitronensaft -2,526
Rotwein -2,222 -2,42526
Spargel -2,222
Normale Spaghetti -2,222 6,526 8,025
Apfelsaft, ungesüßt -2,226
Chicoree -2,026
Wassermelone -2,022 -1,926
Zwiebeln -2,022 -1,526
Aubergine -2,022 -3,426
Äpfel -1,922 -2,226
Haselnüsse -1,922
Lauch -1,826
Apollinaris Mineralwasser -1,826
Eisbergsalat -1,626
Marmelade -1,526
Kaffee (Getränk) -1,426
Paprika, grün -1,426
Blumenkohl -1,322 -4,026
Milchschokolade -1,3
Weisswein -1,222 trocken, -1,226
Mineralwasser -0,822
Margarine -0,822 -0,526
Sojamilch -0,6
Trinkschokoladenmilch -0,622 -0,426
Spargel -0,426
Honig -0,326
Tofu -0,3
Indischer Tee (Getränk) -0,326
Grüner Tee -0,322
Fassbier -0,226
Sahne -0,222
Volvic Mineralwasser -0,126
Starkbier -0,126
Weisser Zucker -0,126
Olivenöl 02226
Sonnenblumenöl 02226
Butter 0,122 0,626
Milch (Vollmilch, Magermilch) 0,222 0,725 1,1 26 pasteurisierte H-Milch 0,726
Cola 0,222 0,426
Buttermilch 0,526
Milcheis 0,626
Vollbier, hell 0,926
Bohnen unklar: 1,122 oder -7,422
Erbsen 1,226
Sauerrahm, frisch 1,226
Fruchtjoghurt 1,226
Naturjoghurt 1,526
Reis, gekocht 1,626
Weizenvollkornbrot 1,826
Pistazien 2,022
Mandeln 2,022
Hühnereiweiss 2,122 1,126
Linsen 2,122 3,526
Reis, ungeschält 2,322
Milchschokolade 2,426
Kichererbsen 2,622
Biscuit 3,025
Roggenknäckebrot 3,326
Madeirakuchen 3,726
Weißbrot 3,72526
Weizenmischbrot 3,826
Roggenmischbrot 4,026
Roggenbrot 4,126
Reis, geschält, roh 4,525 4,626
Maistortilla 4,822
Grfiechischer Yoghurt 5,322
Bananen unklar: 5,526 -6,922
Schweinewurst 5,822
Zwieback 5,9
Roggenvollkornmehl 5,926
Weissbrot 6,025
Cornflakes 6,026
Erdnüsse 6,222
Eiernudeln 6,426
Wiener Würstchen / Frankfurter Würstchen 6,726
Walnüsse 6,826
Schellfisch 6,826
Weizenmehl, Auszug 6,926
Hering 7,026
Weizentortilla 7,222
Vollkornspaghetti 7,326
Dinkel (Grünkern, Vollkorn) 7,5
Shrimps 7,6
Hüttenkäse 7,922 8,726
Fleisch 8,027
Fisch 8,027
Erdnüsse, ungesalzen 8,326
Weizenmehl, Vollkorn 8,426
Rumpsteak 8,826
Hühnerei (Vollei) 9,022 8,226 4,025
Kalbsfilet 9,026
Truthahnfleisch 9,926
Mittagsfleisch 10,226
Leberwurst 10,626
Haferflocken (Vollkorn) 10,726
Forelle, braun, gedünstet 10,826
Quark 11,126
Salami 11,626
Frischkäse 12,422
Brauner Reis 12,526
Rindfleisch 12,522 mager 7,826
Garnelen 13,222
Corned beef 13,226
Nüsse 13,822
Lachs 14,022
Kalbsleber 14,2
Schweinefleisch 14,722 mager 7,926
Camembert 15,027 14,626
Miesmuscheln 15,222
Krabben 15,5
Ölsardinen 15,922
Hühnerfleisch 16,522 8,726
Hühnereigelb 18,122 23,426
Kabeljau 19,822 Filet 7,126
Gouda 20,022 18,626
Cheddar 20,025
Emmentaler 21,5
Parmesan 21,422 34,226
Cheddar, fettarm 26,426

5.2. Säurehaushalt und Methylphenidat

Medikinet adult:
Bei einem Magen-pH-Wert über 5,5 kann es bei Medikinet adult zu Dose-Dumping-Phänomenen kommen: Der Wirkstoff wird zu schnell freigesetzt und entfaltet dadurch erhöhte Wirkungen und Nebenwirkungen. Dies kann verursacht werden u.a. durch

  • Protonenpumpenhemmer (z.B. Pantoprazol, Omeprazol)
  • Antazida
  • H2-Antagonisten (z.B. Ranitidin, Famotidin) (weniger wahrscheinlich)

Ein Betroffener berichtete von einer kaum gegebener Wirkung von Medikinet von 20 bis 60 mg. Der zusätzliche Verzehr von trockenen Reiswaffeln führte zu einer zeitweiligen Wirkung, die nicht vorhersehbar war. Die zusätzliche Einnahme von Antazida (Magensäurehemmer) ergab eine zuverlässige Wirkung von MPH.

Ritalin adult
Ritalin adult setzt MPH dagegen pH-unabhängig frei. Die Fachinformation nennt hier eine Resorptionsverminderung als wahrscheinliche Interaktion mit Antazida.28

5.3. Säurehaushalt und Memantin

Memantin:

  • Verlängerte Wirkung durch alkalisierten Urin
    • Bei alkalischem Urin (hoher pH-Wert) kann die renale Eliminationsrate von Memantin um den Faktor 7 bis 9 reduziert sein.23

6. Mechanische Wirkung von Nahrungsaufnahme

6.1. Nahrungsaufnahme als Voraussetzung für Retardwirkung bei Medikinet

Bei Medikinet adult und Medikinet retard ist eine vorhergehende oder gleichzeitige Nahrungsaufnahme Voraussetzung für die retardierte Wirkstofffreisetzung. Unterbleibt die Nahrungsaufnahme, wird das MPH doppelt so schnell freigesetzt. Die freigesetzte MPH-Dosis ist mithin in etwa verdoppelt und die Wirkdauer in etwa halbiert.

Andere Retardpräparate verwenden andere Mechanismen zur retardierten Wirkstofffreisetzung, die nicht auf eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme angewiesen sind, wie z.B.

  • Ritalin adult
  • Ritalin LA
  • Methysym
  • Equasym Retard/XL
  • Methylphenidathydrochlorid-neuraxpharm
  • Kinecteen
  • Methylphenidathydrochlorid Ratiopharm
  • Methylphenidathydrochlorid Hexal

6.2. Nahrungsaufnahme beeinflusst Wirkdauer

Unabhängig von der Notwendigkeit für die retardierende Wirkung bei einigen MPH-Präparaten und unabhängig von der Beeinflussung des Urin-ph-Werts (in Bezug auf Amphetaminmedikamente) oder des Magen-ph-Werts (in Bezug auf MPH) beeinflussen bestimmte Formen der Nahrungsaufnahme die Wirkung und Wirkdauer von Stimulanzien auf eher mechanische Art und Weise.
Lisdexamfetamin (Elvanse) hat bei fettreichen Mahlzeiten einen um eine Stunde verzögerten maximalen Blutspiegel (4,7 Stunden anstatt 3,8 Stunden nach Einnahme).29 Andere Parameter, wie z.B. die Wirkungsdauer, ändern sich jedoch nicht.

Ein Betroffener berichtet:
“Ich nehme Medikinet adult durchgängig nun seit drei Monaten und habe auch lange gebraucht, meine richtige Einstellung zu finden. Neben der Dosis (bei mir 20-10-0) sind auch andere Bedingungen zur Nahrungsaufnahme bei mir wichtig gewesen. Zu viel Essen während der Einnahme ist bei mir problematisch, zu wenig auch. Und ich habe eine bessere Wirkung, wenn ich zur Einnahme etwas Kohlenhydratlastiges zu mir nehme.”

6.3. Nahrungsaufnahme verzögert AMP-Spiegel-Maximum

Lisdexamfetamin (Elvanse) hat bei fettreichen Mahlzeiten einen um eine Stunde verzögerten maximalen Blutspiegel (4,7 Stunden anstatt 3,8 Stunden nach Einnahme).29 Andere Parameter, wie z.B. die Wirkungsdauer, ändern sich jedoch nicht.

7. Körperliche Betätigung / Sport

Einzelne Betroffene berichten, dass intensiver Sport die Wirkdauer von Stimulanzien um bis zu 40 % verkürzen kann.30

8. Nikotin / Rauchen

Mehrere Betroffene berichteten von einer Veränderung der Stimulanzienwirkung durch Rauchen.
Berichtet wurde (jeweils im Einzelfall als Besonderheit bei Stimulanzieneinnahme):

  • Ein Betroffener berichtet:
    • erhöhtes Nikotinverlangen 4h nach Elvanse-Einnahme
    • nach der ersten Zigarette am Tag etwas antriebslos und Müdigkeitseintritt
    • Ein Tag ohne Zigarette und nur mit Elvanse läuft ok bis auf die auftretende Unruhe durch Nikotinentzug, aber Motivation und Wirkung ist bis nachmittags/abends da
    • Umstieg auf Nikotin-„Kaugummis“ statt zu rauchen/dampfen bewirkte deutlich höhere Ausgeglichenheit und keine Müdigkeit mehr mittags
  • Eine Betroffene beschrieb eine medikamentenabhängige Wirkung:
    • Elvanse + Nikotin: abgeschwächte Wirkung, negative Gefühle
    • MPH + Nikotin verstärkte Wirkung, Kick (zugleich größerer Abfall/Rebound)
  • Eine Gelegenheitsraucherin:
    • schon ein, zwei Zigaretten bewirken bereits, dass Elvanse und MPH nicht mehr richtig wirken
    • es dauert dann einige Tage, bis sie wieder richtig wirken
    • Normalerweise schlafe ich mit Elvanse mittlerweile gut. Wenn ich geraucht habe, schlafe ich schlechter.
    • der Unterschied der Wirkung von Elvanse, wenn ich länger nicht geraucht habe, ist enorm
  • Ein Betroffener:
    • Wenn ich mich überfordere, bekomme ich Lust auf Rauchen, als Mittel zur Kompensation bzw. als Mittel, um mich weiter anzutreiben.
    • Anfangs funktioniert das auch, nach ein paar Tagen schlägt es um. Ich werde energieloser und die Stimmung wird schlechter.
    • Langfristig tut es mir nicht gut und verträgt sich nicht mit den Medikamenten. Die Wirkung wird schlechter und am Ende geht es mir schlechter
  • Eine Dampferin:
    • Nach der MPH-Einnahme bewirkt dampfen bei mir Müdigkeit und Kopfschmerzen
    • Nikotin verstärkt die MPH-Wirkung

9. Alkohol

Alkohol kann den Amphetaminspiegel erhöhen.31

10. Zyklus

Der weibliche Zyklus beeinflusst den Dopaminspiegel. Östrogen beeinflusst COMT, welches im PFC Dopamin abbaut.
Betroffene mit bestimmten COMT-Genvarianten sind besonders anfällig.
Je nach Zyklusphase kann die erforderliche Stimulanziendosis schwanken.
Bei der Eindosierung von Stimulanzien sollten Frauen unbedingt einen entsprechenden Beobachtungsbogen führen, um Zyklusschwankungen und Medikamentenwirkung zu erfassen. Nur so wird erkennbar, ob in bestimmten Zyklusphasen die Medikamentendosis verändert werden muss. Die Eindosierungshilfetabelle, die im Downloadbereich des adhs-forum.adxs.org kostenlos zur Verfügung steht, erleichtert die Erfassung von Medikamenteneinnahme, Symptomentwicklung und Zyklus.

11. Leberfunktion

11.1. Alter

Die hepatische Metabolisierung kann sich im Alter verlangsamen, unter anderem durch eine schlechtere Durchblutung der Leber.

11.2. Krankheiten

Erkrankungen der Leber können die Leberfunktionalität (stark) einschränken. Eine verringerte Eiweißsynthese in der Leber verringert automatisch die Plasmaproteinbindung, was den Abbau von Stoffen durch die Enzyme in der Leber abschwächt.
Bei einer Einschränkung der Gallensaftproduktion in der Leber wird die Ausscheidung großer Moleküle reduziert und der enterohepatische Kreislauf beeinträchtigt.

11.3. First-Pass-Effekt

“Die Darmvenen werden über die Leber zum Herzen geführt, sodass ein im Darm resorbierter Stoff eine Leberpassage durchmacht, bevor er über große Hohlvene und Herz weiter verteilt werden kann. Falls ein Stoff diese erste Leberpassage nur in geringem Maße übersteht, spricht man von einem hohen First-Pass-Effekt. Ergebnis dieses Effektes ist, dass trotz guter Resorption nur kleine Mengen des Wirkstoffs systemisch zur Verfügung stehen. Durch den “First-pass-Effekt” können Substanzen schnell in der Leber verändert oder inaktiviert werden (präsystemische Elimination).”18

Auch der First-Pass-Effekt unterliegt individuellen Unterschieden.

12. Renaler Blutfluss

Da Amphetamin über die Nieren ausgeschieden wird, spielt neben der Gesamtdosis auch der renale Blutfluss eine zwar geringe, aber messbare Rolle für die Wirkungsdauer.3
Eine weitere Folge davon ist, dass sich der Amphetamin-Blutspiegel langsamer verändert und weniger anfällig für Rebound ist als bei Methylphenidat,3

13. Rezeptor-/Transporter-Sensibilität

Arzneiwirkstoffe können an Rezeptoren, Transporter, Ionenkanäle oder Enzyme binden und dort Wirkungen auslösen. Die Empfindlichkeit dieser Empfängerstrukturen beeinflusst die Wirksamkeit.
Die Empfindlichkeit der Empfängerstrukturen kann durch Varianten der d´sie codierenden Gene beeinflusst werden.

Beispiele:

  • Eine Kombination von sechs Polymorphismen in Genen, die für die 5-HT2A-, 5-HT2C-, Histamin-H2-Rezeptoren und den SERT codieren, prognostizierte mit knapp 80 %-iger Wahrscheinlichkeit das Ansprechen auf Clozapin bei Schizophrenie32
  • Fehlende Wirkung von Tamoxifen beim Mammakarzinom bei fehlender Östrogenrezeptorexpression33
  • Bei ADHS-Medikamenten wird ein Einfluss des DAT-Gens auf die MPH-Response erörtert
  • Bei ausreichendem D3-Blutspiegel können weniger sensible Rezeptoren gleichwohl einen D3-Mangel vermitteln

Daneben können Varianten von Genen, die für den Abbau von Neurotransmittern zuständig sind (hier: COMT in Bezug auf Dopamin), die Wirkung von Medikamenten beeinflussen.
Bei Trägern des COMT Val-158-Met Gen-Polymorphismus erhöht Amphetamin die Effizienz des PFC bei Probanden mit vermutlich geringem Dopaminspiegel im PFC. Bei Trägern des COMT Met-158-Met-Polymorphismus hatte Amphetamin dagegen keinen Effekt auf die kortikale Effizienz bei niedriger bis moderater Arbeitsgedächtnislast und verursachte eine Verschlechterung bei hoher Arbeitsspeicherlast. Individuen mit dem Met-158-Met-Polymorphismus scheinen ein erhöhtes Risiko für eine nachteilige Reaktion auf Amphetamin zu haben.34

14. Blut-Hirn-Schranke

Eine grundlegende Einführung zur Blut-Hirn-Schranke in deutscher Sprache findet sich unter Psysiologie.cc.35

Transport: An der Aufnahme in und der Ausscheidung aus dem Organismus sowie dem Übertritt von Medikamenten aus dem Blut in das Gewebe sind Transportproteine beteiligt.

14.1. Konkurrenz der Transporternutzung

Eine Konkurrenz verschiedener Stoffe hinsichtlich des Transports durch die Hirnschranke kann die Wirkung von Medikamenten beeinflussen.
Beispiel:
Memantin, Opiate (Oxycodon, Codein), Tramadol, Kokain und Nikotin werden mittels derselben Transporterfamilie (Organischer Kationentransporter, OCT) durch die Blut-Hirn-Schranke transportiert. Da OCT einer Sättigungsgrenze unterliegen, könnte dieser gemeinsame Transportmechanismus den Memantin-Spiegel im Gehirn und damit dessen Wirkung beeinflussen.36

14.2. Sperrfunktion der Blut-Hirn-Schranke

Das vom MDR1-Gen codierte P-Glykoprotein ist Bestandteil der Blut-Hirn-Schranke. Es ist einer von vielen in den Endothelzellen der Blutkapillaren des Gehirns exprimierten
Transportern, die den Transfer von Arzneistoffen in das Gehirn kontrollieren. Genvarianten des MDR-1-Gens beeinflussen die Wirksamkeit des P-Glykoproteins.
Bei herabgesetzter Funktion oder Expression von P-Glykoprotein ist die Blut-Hirn-Schranke geschwächt und Arzneistoffe können verstärkt ins Gehirn übertreten, was deren Wirkung erhöhen kann, obwohl der Blutplasmaspiegel unverändert ist.33

15. Metabolisierungsenzyme

Viele Medikamente werden durch Enzyme abgebaut, vornehmlich in der Leber.
Manche Wirkstoffe entstehen erst durch einen vorhergehenden enzymatischen Umbau von Arzneistoffen.
Werden mehrere Medikamente eingenommen, die über dasselbe Enzym abgebaut werden, konkurrieren diese um das abbauende Enzym, was die Wirkdauer dieser Medikamente verlängert und Nebenwirkungen erhöht.
Daneben gibt es Wirkstoffe, die ein Enzym hemmen (Inhibitoren) oder fördern (Induktoren), was deren Wirksamkeit in Bezug auf den Medikamentenabbau entsprechend beeinflusst.

Metabolisierungsenzyme katalysieren beim Menschen zwei Arten von Biotransformationsreaktionen33

  • Phase-1-Reaktionen:
    • Funktionalisierungsreaktionen
      • Oxidation, Reduktion, Hydrolyse und Hydratisierung
    • Wirkweise:
      • Einführung funktioneller Gruppe(n) (z.B. einer Hydroxylgruppe) in das unpolare Molekül oder
      • Freilegung entsprechende funktioneller Gruppen
  • Phase-2-Reaktionen
    • Konjugationsreaktionen
      • Glucuronidierung, Sulfatierung, Methylierung, Acetylierung sowie die Konjugation mit Aminosäuren und Glutathion
    • Wirkweise:
      • Koppelung funktioneller Gruppen mit sehr polaren, negativ geladenen endogenen Molekülen (z.B. Glucuronsäure)

Wir gehen im Folgenden nur auf diejenigen Enzyme ein, die ADHS-Medikamente betreffen. Dies deckt jedoch bereits die wichtigsten Enzyme ab.
CYP3A4 (Guanfacin) baut 40 bis 50 % aller Medikamente ab.
CYP2D6 (Amphetaminmedikamente, Atomoxetin) baut rund 25 % aller Medikamente ab.

15.1. Metabolisierungskreuzwirkungen

15.1.1. Konkurrenz, Inhibition, Induktion, genetische Regulation

Die Wirkung von Medikamente kann durch ihre Abbauenzyme auf verschiedene Weise beeinflusst werden:

  • Konkurrenz anderer Substrate
    Wenn mehrere Wirkstoffe an dasselbe Enzym binden (Substrate) und von diesem abgebaut werden, konkurrieren sie bei gleichzeitiger Gabe um die vorhandene Menge an Abbauenzymen. Dies kann den Abbau verzögern.
  • Inhibition
    Arzneimittel können die Wirkung von Enzymen behindern (inhibieren), selbst wenn sie von ganz anderen Enzymen abgebaut werden
  • Induktion
    Arzneimittel können die Wirkung von Enzymen verstärken (induzieren)
  • genetische Regulation
    Medikamentenwirkstoffe können Metabolisierungsenzyme auch durch genetische Regulation beeinflussen. Beispielsweise ist Bupropion in vitro ein eher schwacher Inhibitor von CYP2D6. In vivo hemmt Bupropion CYP2D6 dagegen stark, weil es eine genetische Downregulation der CYP2D6-mRNA bewirkt.37

15.1.2. Risiko: unbeabsichtige Kreuzwirkungen

Die unbeabsichtigte Kombination von zueinander konkurrierenden, inhibierenden oder genetisch regulierenden Medikamenten ist hochriskant. Dadurch kann ein neues Medikament die Wirkung eines bereits eindosierten Medikaments beeinflussen - und umgekehrt, sodass das Risiko von Wirkungsverlust und/oder Überdosierung entsteht.

15.1.3. Nutzen: beabsichtige Kreuzwirkungen

Eine bewusste Kombination von zueinander konkurrierenden, inhibierenden oder genetisch regulierenden Medikamenten ist dagegen weniger riskant. So können Medikamente, die gleichzeitig eindosiert werden, bei Beachtung der Interaktionen entsprechend vorsichtig oder nachdrücklich dosiert werden. Ebenso ist eine bewusste Nutzung solcher Kombinationen möglich, um beispielsweise bei Superschnellverstoffwechslern die Wirkung zu verbessern. Ein Betroffener, der eine Dosis Elvanse in 5-6 Stunden verstoffwechselte, berichtete uns, dass eine Kombination mit 150 mg Bupropion die Wirkungsdauer des Elvanse sehr hilfreich verlängerte. Elvanse wird via CYP2D6 verstoffwechselt; Bupropion hemmt CYP2D6 genetisch.

15.2. ADHS-Wirkstoffe und ihre Hauptabbauenzyme

ADHS-Wirkstoffe werden von unterschiedlichen Enzymen abgebaut:

Methylphenidat: CES1
Amphetaminmedikamente: CYP2D6 (unklar, ob dies wirklich der Hauptabbauweg ist)
Atomoxetin: CYP2D6
Bupropion: CYP2B633 sowie etwas über CYP2A6
Guanfacin: CYP3A4
Clonidin: unbekannt
Buspiron: CYP3A4
Memantin: unbekannt, wohl nicht durch CYP23
Viloxazin: CYP2D6, UGT1A9, UGT2B15, möglicherweise auch durch CYP1A2
Melatonin: CYP1A
Dasotralin: unbekannt
Agomelatin: CYP1A2 (90 %), CYP2C9/2C19 (10 %)

15.3. Pharmakogenetische Diagnostik

Durch Genuntersuchungen können die Genvarianten von Metabolisierungsenzymen festgestellt werden.38

Geeignete Labore finden sich bei einer Suche nach Labor CES1 (für MPH) oder Labor CYP2D6 (Amphetaminmedikamente, Atomoxetin). Die Laborleistung soll in Deutschland via Krankenkassen abgerechnet werden können, wenn diese von einem Arzt verschrieben wurde.

Eine Labordiagnostik der 22 wichtigsten Metabolisierungs-Gene (einschließlich des für die CYP-Genfamilie wichtigen POR-Gens) kostet Stand September 2023 rund 600 €.
Ein Muster-Diagnosebericht findet sich bei CeGaT, einem Anbieter für genetische Diagnostik in Tübingen.39 Genanalysen einzelner Metabilisierungs-Gene lagen im September 2023 bei rund 300 €.

15.4. Metabolisierungsenzyme und ihre Genvarianten

Siehe hierzu die Beiträge und die betroffenen ADHS-Medikamente:

CES1 Metabolisierungsenzym

  • Methylphenidat (MPH)

CYP2D6 Metabolisierungsenzym

  • Amphetaminmedikamente (AMP)
  • Atomoxetin
  • Bupropion: CYP2B633 sowie etwas über CYP2A6, aber starker CYP2D6 Inhibitor

CYP3A4 Metabolisierungsenzym

  • Guanfacin
  • Buspiron

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  7. Medikamenteninformation des Herstellers Shire

  8. https://www.adhspedia.de/wiki/Medikamente

  9. Umfrage ADxS.org, n = 100; Stand 09.09.23

  10. Umfrage ADxS.org, n = 20; Stand 09.09.23

  11. Umfrage ADxS.org, n = 15; Stand 09.09.23

  12. Medikamenten-Fachinformation des Herstellers ratiopharm

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Diese Seite wurde am 22.10.2023 zuletzt aktualisiert.