Liebe Leserinnen und Leser von ADxS.org, bitte verzeihen Sie die Störung.

ADxS.org benötigt in 2024 rund 58.500 €. In 2023 erhielten wir Spenden von rund 29.370 €. Leider spenden 99,8 % unserer Leser nicht. Wenn alle, die diese Bitte lesen, einen kleinen Beitrag leisten, wäre unsere Spendenkampagne für das Jahr 2024 nach einigen Tagen vorbei. Dieser Spendenaufruf wird 23.000 Mal in der Woche angezeigt, jedoch nur 75 Menschen spenden. Wenn Sie ADxS.org nützlich finden, nehmen Sie sich bitte eine Minute Zeit und unterstützen Sie ADxS.org mit Ihrer Spende. Vielen Dank!

Seit dem 01.06.2021 wird ADxS.org durch den gemeinnützigen ADxS e.V. getragen. Spenden an den ADxS e.V. sind steuerlich absetzbar (bis 300 € genügt der Überweisungsträger als Spendenquittung).

Falls Sie lieber etwas aktiv beitragen möchten, finden Sie hier Ideen zum Mitmachen oder zur tätigen Unterstützung.

8268€ von 58500€ - Stand 29.02.2024
14%
Header Image
Medikamente: Toleranzentwicklung

Inhaltsverzeichnis

Medikamente: Toleranzentwicklung

In wenigen Fällen kann sich eine Toleranzentwickung gegenüber Stimulanzien entwickeln.1
Dies ist zwar eher unüblich2, aber möglich.34
Bei hoher Dosierung tritt eine Toleranzentwicklung häufiger auf56 und könnte insofern möglicherweise auch eine Folge einer Überdosierung sein. Es sind jedoch Fälle bekannt, bei denen sicher keine Überdosierung vorlag.

Eine Metaanalyse von 87 randomisierten placebokontrollierten doppelblinden Studien fand keine Hinweise auf Gewöhnungseffekte bei längerer Einnahme von:7

  • Methylphenidat
  • Amphetaminmedikamenten
  • Atomoxetin
  • α2-Antagonisten (Guanfacin, Clonidin)
  • Vorsicht: Studien zu Toleranzentwicklung auf MPH bei Ratten, die eine Gabe in Drogendosierung (10 mg/kg sind keine Seltenheit) oder Drogen-Einnahmeform (intravenös, schneller und hoher Dopaminanstieg)8 untersuchten, sind nicht auf die Wirkung einer Medikamentengabe (oral / Pflaster, langsamer und niedriger Dopaminanstieg) übertragbar, da dies den zentralen Unterschied zwischen Drogen und Medikamenten definiert. Darüber hinaus wurden oft besonders hohe Dosen gegeben.

ADHS-Betroffene zeigten nach 2 Jahren Einnahme von MPH beim Absetzen ein deutliches Wiederauftreten von Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit910

1. Arten der Toleranzentwicklung

Arten der Toleranzentwicklung sind:3

  • frühe Toleranzentwicklung
    • selten
  • allmähliche oder “späte Toleranz” über Jahre hinweg
    • etwas häufiger als frühe Toleranz
  • “vollständige Toleranz” (vollständiger Verlust des Nutzens des Medikaments)
    • sehr selten
  • teilweise Toleranz (teilweiser Verlust des Nutzens)
    • häufiger als vollständige Toleranz
    • entwickeln, und möglicherweise einen größeren Prozentsatz, der eine “teilweise Toleranz” (teilweiser Verlust des Nutzens) aufweist. Zu den Strategien zur Bekämpfung der Stimulanzientoleranz gehören: der Wechsel der Stimulanzienklasse (z. B. von MPH zu AMP und umgekehrt); die Einnahme von Medikamentenpausen, um die Toleranz zurückzusetzen; die Anwendung anderer Behandlungen wie Psychotherapie, nicht-stimulierende Medikamente und die klinische Neubewertung (im Hinblick auf Faktoren wie Medikamentenadhärenz, komorbide Erkrankungen oder den natürlichen Verlauf von ADHS im Laufe der Zeit).
  • Tachyphylaxie
    • schnelle Form der Toleranzentwicklung gegenüber bestimmten Arzneistoffen
    • Im Gegensatz zur klassischen Toleranz ist das System bei einer Tachyphylaxie zunächst erschöpft und eine Dosiserhöhung bleibt erfolglos.11

2. Handlungsstrategien bei Toleranzentwicklung

REVIEW zu Handlungsoptionen bei therapieresistentem ADHS: Cortese et al.1

  • Dosiserhöhung der Stimulanzien
    • allenfalls kurzfristige Übergangslösung
    • gemeint ist hier nicht die übliche ein- oder zweimalig erforderliche Dosisanpassung innerhalb des ersten Behandlungsjahres, sondern ein laufender Wirkungsverlust
  • höhere Dosierung erhöht Gewöhnungsrisiko56 und insofern möglicherweise Folge einer Überdosierung
    • bei oraler Einnahme / Pflaster können Stimulanzien stets problemlos abgesetzt werden
  • stetige Dosiserhöhung in kurzen Abständen von Stimulanzien ist keine Lösung
    • zu unterscheiden von ein- oder zweimaliger Dosisanpassung im ersten Jahr
  • kurzer Medikamentenurlaub kann empfindlichen Betroffenen helfen, Toleranzentstehung zu verringern
    • Wochenends niedriger dosieren
    • Wochenends auslassen
    • mehrwöchige Pause kann danach langfristige Wirkung wiederherstellen
  • Wechsel des Wirkstoffs
    • von MPH zu AMP
    • von AMP zu MPH
    • Wenn der Ersatzstoff weniger wirksam, kann es helfen, nach etwa einem Monat wieder zurückzuwechseln. Es wurde berichtet, dass in etlichen Fällen die Toleranz nach einem Monat verschwunden war.6
      • 3 interessante Einzelfälle mit einem Behandlungsmuster regelmäßiger Wechsel der Wirkstoffklasse berichten Handelman et al.3
  • Kombinationsmedikation
    • verringerter Stimulanzienanteil durch Kombination mit Nichtstimulanzien kann zu verringerter Toleranzbildung beitragen
  • Zuverlässigkeit der Medikamenteneinnahme durch den Patienten hinterfragen
  • klinische Neubewertung
    • natürlicher Verlauf von ADHS im Laufe der Zeit?
    • hinzugetretener / weggefallener massiver chronischer Stress?
    • Beendigung intensiver Sportausübung?
      • kann Wegfall erheblicher Verbesserung der ADHS-Symptome verursachen
    • ggf. ADHS-Diagnose wiederholen
    • komorbide Erkrankungen
      • hinzugetreten?
      • Behandlungsveränderungen?
      • Schwangerschaft?
  • Änderung anderer Medikamente
    • insbesondere bei erstmaliger und plötzlicher Toleranzentwicklung
    • Hinzutreten von Medikamenten, die das Abbauenzym fördern?
    • Wegfall von Medikamenten, die vom selben Abbauenzym abgebaut werden oder dieses inhibieren?
  • Änderungen des Magen- oder Urin-PH-Wertes?
    • Änderung durch Medikamente
    • Änderung durch Nahrungsumstellung

3. Pharmakokinetische Toleranzentwicklung

Eine Variante der pharmakokínetischen Toleranzentwicklung ist eine erhöhte Synthese von Transportern, die die Substanz vom Wirkort entfernen. Beispiele:12

  • P-Glykoprotein (permeability glycoprotein)13
    • Transporter-Protein in der Zellmembran, das körperfremde Substanzen aus den Hirnzellen befördert
    • Mitglied der ABC-Transporter-Familie (ATP-bindingcassette-Transporter)
    • wird insbesondere in Blut-Hirn-Schranke-Zellen exprimiert
    • beeinflusst Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke für einige Arzneimittel
    • bewirkt aktiven Rücktransport vieler relativ großer (>400 Da) hydrophober Arzneimittel in das Blut
    • P-Glykoprotein verringert die Wirkung dieser Arzneimittel
    • P-Glykoprotein wird vom MDR1-Gen codiert14
      • Genvarianten des MDR-1-Gens beeinflussen die Wirksamkeit von P-Glykoprotein
      • Bei herabgesetzter Funktion oder Expression von P-Glykoprotein ist die Blut-Hirn-Schranke geschwächt und Arzneistoffe können verstärkt ins Gehirn übertreten, was deren Wirkung erhöhen kann, obwohl der Blutplasmaspiegel unverändert ist.14

Mehr zur Medikamentenwirkung unter Medikamentenwirkdauer bei ADHS.


  1. Cortese S, Newcorn JH, Coghill D (2021): A Practical, Evidence-informed Approach to Managing Stimulant-Refractory Attention Deficit Hyperactivity Disorder (ADHD). CNS Drugs. 2021 Oct;35(10):1035-1051. doi: 10.1007/s40263-021-00848-3. PMID: 34403134.

  2. Bespalov A, Müller R, Relo AL, Hudzik T (2016): Drug Tolerance: A Known Unknown in Translational Neuroscience. Trends Pharmacol Sci. 2016 May;37(5):364-378. doi: 10.1016/j.tips.2016.01.008. PMID: 26935643.

  3. Handelman K, Sumiya F (2022): Tolerance to Stimulant Medication for Attention Deficit Hyperactivity Disorder: Literature Review and Case Report. Brain Sci. 2022 Jul 22;12(8):959. doi: 10.3390/brainsci12080959. PMID: 35892400; PMCID: PMC9332474. REVIEW

  4. Safer DJ, Allen RP (1989): Absence of tolerance to the behavioral effects of methylphenidate in hyperactive and inattentive children. J Pediatr. 1989 Dec;115(6):1003-8. doi: 10.1016/s0022-3476(89)80759-0. PMID: 2585214.

  5. Kupietz SS, Winsberg BG, Richardson E, Maitinsky S, Mendell N (1988): Effects of methylphenidate dosage in hyperactive reading-disabled children: I. Behavior and cognitive performance effects. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry. 1988 Jan;27(1):70-7. doi: 10.1097/00004583-198801000-00011. PMID: 3343209.

  6. Ross DC, Fischhoff J, Davenport B (2002): Treatment of ADHD when tolerance to methylphenidate develops. Psychiatr Serv. 2002 Jan;53(1):102. doi: 10.1176/appi.ps.53.1.102. PMID: 11773663.

  7. Castells, Ramon, Cunill, Olivé, Serrano (2020): Relationship Between Treatment Duration and Efficacy of Pharmacological Treatment for ADHD: A Meta-Analysis and Meta-Regression of 87 Randomized Controlled Clinical Trials. J Atten Disord. 2020 Feb 20:1087054720903372. doi: 10.1177/1087054720903372. PMID: 32075485.

  8. Frolov A, Reyes-Vasquez C, Dafny N (2015): Behavioral and neuronal recording of the nucleus accumbens in adolescent rats following acute and repetitive exposure to methylphenidate. J Neurophysiol. 2015 Jan 1;113(1):369-79. doi: 10.1152/jn.00633.2013. PMID: 25318764; PMCID: PMC4294568.

  9. Matthijssen, Dietrich, Bierens, Kleine Deters, van de Loo-Neus, van den Hoofdakker, Buitelaar, Hoekstra (2019): Effects of Discontinuing Methylphenidate on Strengths and Difficulties, Quality of Life and Parenting Stress. J Child Adolesc Psychopharmacol. 2019 Dec 24. doi: 10.1089/cap.2019.0147.

  10. Matthijssen, Dietrich, Bierens, Kleine Deters, van de Loo-Neus, van den Hoofdakker, Buitelaar, Hoekstra (2019): Continued Benefits of Methylphenidate in ADHD After 2 Years in Clinical Practice: A Randomized Placebo-Controlled Discontinuation Study. Am J Psychiatry. 2019 Sep 1;176(9):754-762. doi: 10.1176/appi.ajp.2019.18111296.

  11. DocCheck Flexikon: Tachyphylaxie abgerufen 25.02.23

  12. Rillich (2019): Das dopaminerge System im Gehirn des Menschen: molekulare Grundlagen, Anatomie, Physiologie und Pathologie

  13. Schinkel AH (1999): P-Glycoprotein, a gatekeeper in the blood-brain barrier. Adv Drug Deliv Rev. 1999 Apr 5;36(2-3):179-194. doi: 10.1016/s0169-409x(98)00085-4. PMID: 10837715.

  14. Schwab, Matthias; Marx, Claudia; Zanger, Ulrich M.; Eichelbaum, Michel; Fischer-Bosch, Margarete (2002): Pharmakogenetik der Zytochrom-P-450-Enzyme: Bedeutung für Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten. Dtsch Arztebl 2002; 99(8): A-497 / B-400 / C-377

Diese Seite wurde am 30.12.2023 zuletzt aktualisiert.