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Die hier zusammengestellten Test könnten zur Diagnostik von ADHS-Subtypen und zur Ermittlung geeigneter Behandlungsmethoden geeignet sein. In der Praxis erfolgt bislang keine Nutzung dieser Tests in Bezug auf ADHS.
Da nicht nur bei Depression und ADHS, sondern auch bei anderen psychischen Störungen die HPA-Achse hyperaktiviert oder hypoaktiviert ist, sind die genannten Tests nur begrenzt dazu nutzbar, um festzustellen, welche psychische Störung vorliegt. Innerhalb einer festgestellten psychischen Störung sind sie jedoch sehr hilfreich zur Abgrenzung von anderen Störungsbildern und zur Findung einer geeigneten Medikation.
Messung Cortisolspiegel (ggf. auch ACTH) 8 bis 9 Uhr oder 15 bis 16 Uhr zur Bestimmung des basalen Werts
Gabe: Dexamethason 23 Uhr abends
Wirkung: selektiv auf Glucocorticoidrezeptoren (GR).
Wirkung auf GR 30 mal stärker als auf Mineralocorticoidrezeptoren (MR).
Die GR fahren (anders als MR, die das “Tagesgeschäft” betreiben) die HPA-Achse herunter
Dexamethason überwindet die Bluthirnschranke kaum; daher kaum Wirkung auf Hypothalamus, starke Wirkung auf Hypophyse
Messung Cortisolspiegel zur selben Tageszeit (8 bis 9 Uhr oder 15 bis 16 Uhr) am Folgetag, ggf Mitternacht nach Dexamethasongabe
23:00 Abends: orale Einnahme von 1 mg Dexamethason
08:00, 16:00, 23:00 Folgetag: Messung des Cortisols im Blutplasma
Aufgrund der gestörten negativen Rückkopplung der HPA-Achse bzw. der Desensitivierung der Glucocorticoidrezeptoren an der Hypophyse (hier: bei melancholischer Depression)7 nimmt der Cortisolspiegel nach Dexamethasongabe nur ungenügend ab (Nonsuppression) und bleibt über 5 µg/dl8
Der reine Dexamethason-Supressions-Test (DST) ist der Vorläufer des heute vornehmlich genutzten DEX/CRH-Test. Der DST kann ebenfalls einen Hypercortisolismus der HPA-Achse feststellen.9 Der DST erwies sich jedoch als zu wenig sensitiv und zu wenig spezifisch für eine Diagnostik der Depression und wurde daher vom Dexamethason/CRH-Test abgelöst.10
Die Wahrscheinlichkeit, einen depressiven Probanden durch eine Messung eines überhöhten Cortisolwerts auf Dexamethasongabe von > 5 µg/dl Cortisol von gesunden Kontrollprobanden zu unterscheiden, liegt zwischen 25 und 64 %.111213
Bei Betroffenen mit psychotischer Depression wurden sogar 95 % Nonsupressoren festgestellt.14Da psychotische Depression unserer Auffassung nach als eine “besonders schwere melancholische Depression” verstanden werden kann und ebenfalls mit einer überhöhten Cortisolstressantwort korreliert, was eigentlich eine Suppression der HPA-Achse bewirken müsste, verdeutlicht dies, dass bei melancholischer / psychotischer Depression eine Downregulation oder anderweitig fehlende Reaktion der Glucocorticoidrezeptoren vorliegen dürfte.
Frauen zeigen häufiger eine positive Testantwort als Männer.1516 Dies könnte unsere Auffassung stützen, dass eine erhöhte Cortisolreaktion der HPA-Achse auf akute Stressoren eine internalisierende Stressphänotypik abbildet, da Frauen häufiger eine internalisierende Stressantwort haben als Männer.
Die Feststellung, dass bei Männern nach Genesung eine Normalisierung der HPA-Achse eintreten soll, bei Frauen jedoch nicht,17 spricht indes dafür, das die Zusammenhänge komplexer sind.
Dass Stimulanzien wie Koffein oder Nikotin die ACTH- und Cortisol-Werte tendenziell erhöhen1816 (vor allem, wenn sie nicht als Medikament sondern, wie Nikotin im Tabak, als Rauschmittel benutzt werden) ist aus der Sicht von ADHS, das vornehmlich mit Stimulanzien behandelt wird, ebenfalls nicht überraschend.
Dass nicht bei allen depressiven Patienten erhöhte bzw. nicht-verringerte ACTH- und Cortisolwerte zu finden sind191620 wird von der Depressionsmedizin begründet mit
der Anzahl der depressiven Episoden (je weniger Episoden, desto weniger Erhöhung)
Schwerer dürfte unserer Auffassung nach jedoch die Tatsache wiegen, dass bei einer atypischen Depression sowie bei bipolarer Depression (bipolarer Störung) eine Hypoaktivität der HPA-Achse vorliegt.
Der DEX/CRH-Test stellt eine Kombination des CRH-Tests und des einfachen DST dar.2324 Er hat den reinen Dexamethasontest (DST) abgelöst und dient zur Vorhersage von Theapieerfolgen, zur Erkennung von rückfallgefährdeten remittierten Depressionspatienten und von noch nicht erkrankten, erkrankungsgefährdeten Familienangehörigen.10
Gabe: 1. Stufe: Dexamethason 23 Uhr Abends, 2. Stufe: CRH nach Cortisolmessung um 15 bis 16 Uhr
Wirkung: siehe Dexamethasontest
Stufe: Messung: Cortisol um 15:00 bis 16:00 am Folgetag
Gesunde Reaktion:
Abnahme des Cortisolblutspiegels auf unter 5 µg/dl
Nicht gesunde Reaktion:
Cortisolblutspiegel bleibt über 5 µg/dl (Nonsupression)
gestörte negative Rückkopplung der HPA-Achse
Verdacht auf melancholische (internalisierender) Depression8
Desensibilisierung der Glucocorticoidrezeptoren an der Hypophyse (hier: bei melancholischer Depression)7
Achtung: bei ADHS-I normale Supression, trotz der wie bei melancholischer Depression erhöhten Cortisolstressantwort25 Daher vermutlich keine Desensibilisierung der GR / Überexpression der MR an der Hypophyse bei ADHS-I
Stufe: Injektion 100 µg humanes CRH
Stufe: Messung CRH und ACTH im Blutplasma alle 15 Minuten
Nicht gesunde Reaktion:
möglicherweise deutlich erhöhte ACTH-Antwort auf CRH-Gabe gegenüber gesunden Probanden und hoher Cortisolblutwert26
Eine mögliche Erklärung erläutert SarubinFEHLER_UNBEKANNTE_FUSSNOTE:
GR haben eine sehr hohe Bindungsaffinität für künstliche Glucocorticoide wie Dexamethason und bewirken das negative Feedback an der Hypophyse bei gesunden Probanden. Die zitierte Studie bezieht sich allerdings auf den Hippocampus.27
Dexamethason führt bei depressiven Patienten nur kurzfristig zu einer verringerten ACTH-Ausschüttung, da das Gehirn dies durch vermehrte Ausschüttung von CRH-synergistischen Hormonen wie Vasopressin2829 zu kompensieren versucht.
Die CRH-Injektion führt zu einem Zusammenwirken von erhöhter Vasopressin-Konzentration mit dem injizierten CRH. Dies hebt die teilweise vorhandene ACTH-Suppression an der Hypophyse nicht nur auf, sondern führt im Gegenteil zu einer erhöhten ACTH-Ausschüttung bei depressiven Probanden.3031
Die durch Dexamethason verringerten Cortisol- und ACTH-Spiegel wurden in einer anderen Untersuchung weder durch nachfolgende einzelne Gabe von CRH noch von Vasopressin angehoben. Erst eine nachfolgende gemeinsame Gabe von CRH und Vasopressin erhöhte die durch Dexamethason verringerten Cortisol- und ACTH-Spiegel wieder.30
Details zum DEX/CRH-Test
Der kombinierte DEX/CRH-Test kann mit einer Sicherheit von 80 bis 90 %32 (melancholisch) depressive von gesunden Probanden unterscheiden3334 und ist weltweit die neuroendokrinologische Standarduntersuchung bei depressiven Patienten.3536
Der kombinierte DEX/CRH-Test kann jedoch nur dann diagnostisch eingesetzt werden, wenn die zu erwartende Cortisolreaktion der zu testenden Störung bekannt ist. Die Cortisolreaktionen von schwerer melancholischer (oder psychotischer) Depression einerseits und (atypischer Depression oder) bipolarer Störung andererseits unterscheiden sich im remittierten ebenso wie im nichtremittierten Zustand.37
Dies deckt sich mit unseren weiteren Darstellungen in diesem Beitrag, die darauf hindeuten, dass die Cortisolreaktionen von psychischen Störungen lediglich ein Abbild einer Störung der HPA-Achse sind, in ihrer Ausformung aber nicht direkt mit einer bestimmten Störung verbunden sind.
Der DEX/CRH-Test dürfte Rückschlüsse auf das Verhältnis zwischen Mineralocorticoidrezeptoren (MR) und Glucocorticoiden (GR) erlauben. Eine Gabe des MR-Antagonisten Spironolacton erhöht den basalen und mittleren Cortisolspiegel38394041 sowie die Cortisolantwort auf den DEX/CRH-Test.42
Die Wirkung von MR-Antagonisten auf die HPA-Achse ist zwar klar messbar, aber klein, was darauf hindeutet, dass Mineralocortoidrezeptoren die Aktivität der HPA-Achse zwar modulieren, aber nicht regulieren.38
Eine hohe Cortisolantwort (Cortisol-Nonsupression) auf den DEX/CRH-Test – wie sie bei melancholischer Depression häufig und dann rund 10 mal so hoch ist wie bei Gesunden43 – dürfte auf eine geringe Anzahl von MR im Verhältnis zu GR deuten, eine geringe Cortisolantwort (Supression) auf eine hohe Anzahl MR im Verhältnis zu GR.
Gabe: ACTH(1-24) (Synacthen, ein künstliches ACTH aus 24 Aminosäuren anstelle der 35 beim natürlichen ACTH)
Wirkung: Stimulation der Nebennierenrinde
Messung: Cortisol, ggf. Aldosteron, 1 Stunde nach ACTH-Injektion (ACTH-Kurztest)
Gesunde Reaktion:
Cortisolanstieg um mehr als 15 ng/ml44 bzw. von ≥ 180–200 μg/l (500–550 nmol/l) nach ACTH-Stimulation bzw. Verdoppelung oder mehr nach ACTH-Stimulation45
Testgüte: stabile Reliabilität (± 12 %)
Aldosteronanstieg
Progesteronanstieg kleiner als 2,5 ng/ml
Nicht gesunde Reaktion:
kein / geringerer Cortisolanstieg
Verdacht auf Nebennierenrinden-Insuffizienz (= Schwäche) (NNRI),
primäre NNRI, Nebenniere selbst ist in Hormonproduktion beeinträchtigt
sekundäre NNRI, verursacht durch Hypophyse
tertiäre NNRI, verursacht durch Hypothalamus
um herauszufinden, welches dieser Probleme besteht: ACTH-Langtests machen. Hintergrund ist, dass die Nebennierenrinde nach einem langanhaltenden ACTH-Defizit nach der ersten ACTH-Gabe nicht sofort wieder Cortisol produziert, sondern die Cortisolproduktion erst langsam wieder herauffahren muss.
wieder eintretender Cortisolanstieg nach mehrtägiger ACTH(1-24)-Gabe (ACTH-Langtest)
Verdacht auf sekundäre NNRI
ausbleibender Cortisolanstieg nach mehrtägiger ACTH/1-24)-Gabe (ACTH-Langtest)
Verdacht auf primäre NNRI
gesteigerter Cortisolanstieg
Verdacht auf Depression
mangelnder Aldosteronanstieg
Verdacht auf mangelhafte Adressierung der Mineralocorticoidrezeptoren
Progesteron-Anstieg um mehr als 2,5 ng/ml bis max. 15 ng/m und Cortisolanstieg geringer als 15 ng/ml
Verdacht auf heterozygoten 21-Hydroxylase-Mangel44
17-alpha-Hydroxyprogesteron steigt auf über 15 ng/ml bis 100ng//ml
Verdacht auf nicht klassischen oder late-onset AGS/21-Hydroxylase-Mangel durch CYP21A2-Gendefekt
Gabe: Metyrapon (Metopiron) nach Messung der basalen Cortisolwerte
Wirkung: Metyrapon hemmt die adrenale 11-beta-Hydroxylase, die für die Umwandlung von 11-Desoxycortisol (Substanz S) zu Cortisol in der Nebennierenrinde erforderlich ist und die dadurch blockiert wird.47
Bei verschiedenen Störungen werden endokrine Funktionstests als diagnostische Instrumente verwendet. Bei ADHS ist dies bislang leider noch nicht der Fall.
Untersuchungen zur Nonsuppression der HPA-Achse bei ADHS-HI
Eine große Studie (n = 2307) fand bei Hyperaktivität/Impulsivität (ADHS-HI) eine verringerte Cortisolsuppression auf Dexamethason, während Unaufmerksamkeit (ADHS-I) keine Korrelation zur Nonsuppression zeigte.25 Dies deckt sich mit den Ergebnissen einer kleineren Studie, die eine Nonsuppression nur bei einem Teil der ADHS-Betroffenen fand und feststellte, dass Nonsuppression mit einem höheren Maß von Hyperaktivität korreliert.52 Eine andere kleine Studie, bei der allerdings nur 9 ADHS-betroffene Kinder eingebunden waren, fand dagegen eine Suppression bei ADHS.53 Eine weitere Studie fand bei 22,7 % der ADHS-HI-Betroffenen (mit Hyperaktivität) eine Nonsuppression, was gegenüber den 5,7 % an gesunden Menschen 4-fach erhöht ist.54
Bei SHR-Ratten, die als Tiermodell für ADHS-HI (mit Hyperaktivität) dienen, bewirkt Dexamethason eine Verringerung der ADHS-HI-Symptome.5556SHR haben genetisch bedingt eine überhöhte Expression der Mineralocorticoidrezeptoren (MR) und eine normale Expression der Glucocorticoidrezeptoren (GR).57
Dexamethason wirkt selektiv als GR-Agonist, d.h. die MR werden 30 mal schwächer adressiert als GR.58 Ob Prednison ebenfalls ein selektiver GR-Agonist ist, ist streitig. Es gibt Stimmen dafür58 wie dagegen59
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei ADHS-HI eine Nonsuppression der HPA-Achse häufiger auftritt, aber nicht immer gegeben sein dürfte.
Eine Darstellung einer möglichen Behandlung für ADHS-HI-Betroffene, bei denen der Dexamethason-Suppressions-Test (DST) eine Suppression zeigt, bei denen also auf Dexamethason eine Verringerung des Cortisolspiegels eintritt, findet sich unter ⇒ Dexamethason bei ADHS.